Roswitha Ertl-Schmuck, Angelika Unger et al.: Wissenschaftliches Arbeiten in Gesundheit und Pflege
Rezensiert von Prof. Dr. sc.hum. Nina Fleischmann, 12.08.2015

Roswitha Ertl-Schmuck, Angelika Unger, Michael Mobs, Christian Lang: Wissenschaftliches Arbeiten in Gesundheit und Pflege.
UTB
(Stuttgart) 2014.
180 Seiten.
ISBN 978-3-8252-4108-7.
D: 9,99 EUR,
A: 10,30 EUR,
CH: 14,50 sFr.
Reihe: UTB S (Small-Format) - 4108.
Thema
Wissenschaftliches Arbeiten bedeutet kritische Auseinandersetzung, Präzisieren und Hinterfragen, aber auch Fragestellungen einzugrenzen, sich mit wissenschaftlichen Texten auseinanderzusetzen, komplexe Sachverhalte zu analysieren und Ergebnisse adressatengerecht darstellen zu können. Im Studium werden diese Kompetenzen erlernt und geübt, aber auch in der Berufspraxis gefordert. Dieses Buch will ein Studienbegleiter sein und beim Verfassen der Abschlussarbeit unterstützen.
Autorinnen und Autoren
- Prof. Dr. Roswitha Ertl-Schmuck hat eine Professur für Gesundheit und Pflege sowie Berufliche Didaktik an der TU Dresden inne.
- Angelika Unger arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesverband Lehrende in Gesundheits- und Sozialberufen.
- Michael Mibs lehrt an der der Dresden International University und forscht am Neuromuskulären Therapiezentrum Dresden.
- Christian Lang ist Masterabsolvent an der TU Dresden.
Zielgruppe
Studierende in pädagogischen Studiengängen in Gesundheit und Pflege, Gesundheitswissenschaften, Therapiewissenschaften, Pflegewissenschaft und Gesundheits- und Pflegemanagement
Aufbau
Sechs Kapitel verteilen sich auf 225 Seiten im handlichen Taschenformat:
- Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit
- Gesundheit und Pflege als Gegenstand der Wissenschaft
- Die wissenschaftliche Arbeit
- Literaturrecherche und -verwaltung
- Umgang mit wissenschaftlicher Literatur
- Wissenschaftliches Schreiben
Inhalt
Das erste Kapitel bietet einen Einstieg in die Wissenschaftstheorie, von Kant bis Kuhn werden unterschiedliche Modelle skizziert und konstatiert, das wissenschaftliche Arbeit auch von ausserwissenschaftlichen Traditionen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängt. Diesen theoretischen Ausführungen folgt eine Einordnung der Disziplinen Gesundheit und Pflege in den Kontext. Die Gesundheitsberufe sind recht jung in ihrer akademischen Bildung und die Frage der Basiswissenschaft in der Literatur nicht hinreichend geklärt, auch wenn der Begriff der Gesundheit als gemeinsames Merkmal hier einen möglichen Bezug gibt. Die Autoren geben einen Überblick über die Elemente der Wissenschaftstheorie, hier ordnen sie die Kriterien der Wissenschaftlichkeit, die Forschungsmethodologie und die Implikationen von Forschung und deren Ziele ein. Sie weisen hier auf Hauptströmungen hin: die naturwissenschaftliche Denkweise mit der Annäherung an die Wahrheit und dem Interesse am Erklären und die geisteswissenschaftliche Schule mit dem Verstehen, hier werden Vertreter der kritischen Theorie wie Adorno und Habermas erwähnt.
Das Kapitel zur wissenschaftlichen Arbeit beginnen die Autoren mit einer Typisierung: sie unterscheiden theoretische und empirische Arbeiten sowie Literaturarbeiten und gehen anhand dieser Struktur die Merkmale durch. Eine theoretische Arbeit beispielsweise hat das Ziel, eine bestehende Theorie mit einem neuen Fokus zu einer neuen Theorie zu erarbeiten oder eine Erweiterung einer bestehenden Theorie, eine Systematisierung von Theorien oder eine Mischform mit analytischen, zusammenfassenden und vergleichenden Artikeln. Weitere Formen können Dokumentenanalyse, Essays oder Rezensionen sein. Im Anschluss widmen sie sich der Frage, wie eine wissenschaftliche Arbeit aufgebaut ist. Folgende Elemente sind dabei zentral:
- Deckblatt
- Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Zusammenfassung
- Literatur-, Tabellen-, Abbildung- und Abkürzungsverzeichnis
- Abstract
- Anhang
- Selbständigkeitserklärung
Diese Grundstruktur wird im Einzelnen beleuchtet, das z.B. die Einleitung eine besondere Bedeutung hat und mit der Schilderung eines persönlichen Erlebnisses, aktuellem Tagesgeschehen, berufspolitischen Diskussionen oder aktuellen Forschungsproblemen die Neugier des Lesers der Arbeit geweckt werden soll. Neben diesen formalen Aspekten einer wissenschaftlichen Arbeit zeigen die Autoren auch die Schritte zur Erarbeitung eines Themas auf. Folgende Fragen sollen dem Leser dabei helfen: was will ich untersuchen (Thema festlegen)? Warum will ich etwas untersuchen (Problemfeld entwickeln)? Wohin führt die Untersuchung? Wie will ich untersuchen? Ein Evaluationsleitfaden hilft hier, die Stärken und Schwächen der eigenen Arbeit aufzudecken.
Die Kapitel rund um Literatur bilden einen wesentlichen Teil des Buches. Es geht um den Rechercheprozess (Warum suche ich? Was suche ich? Wie suche ich? Wo suche ich?), um Recherchestrategien wie eine explorative Einstiegsrecherche und eine systematische Suche. Die gefundenen Quellen werden dann auch die Wissenschaftlichkeit, die Nähe zum Forschungsgegenstand und die Zugänglichkeit und Handhabbarkeit hin bewertet. Datenbanken sind ein Beispiel für Referenzquellen, hier unterscheiden die Autoren Bestandsdatenbanken und Fachdatenbanken, bibliografische und Referenzdatenbanken oder Volltextdatenbanken. Sie weisen auf fachspezifische Datenbanken wie Medpilot, Cinahl, Medline usw. hin und erläutern hier auch die Techniken der Recherche, wie Suchbegriffe gebildet werden, wie die Suche mit den Booleschen Operatoren präzisiert werden kann und „wie mit einem Minimum an Suchbegriffen ein Maximum an Treffsicherheit erzielen kann“.
Wenn man nun mit den beschriebenen Strategien die passende Literatur gefunden hat, hilft einem das nächste Kapitel zum Umgang mit eben dieser, denn das Lesen und Bearbeiten wissenschaftlicher Literatur ist eine weitere Kernkompetenz im Studium. Hier werden Textebene, Diskursebene, Kontextebene und Metaebene unterschieden und der hermeneutische Zirkel als Modell dazu vorgestellt. Das Lesen nicht gleich Lesen ist, lernt man im nachfolgenden Abschnitt. Querlesen unterscheidet sich vom kursorischen Lesen und vom verstehenden und reflexiven Lesen.
Ist dann die Literatur adäquat bearbeitet, geht es zum Schreiben. Wissenschaftliche Teste haben den Anspruch, transparent und nachvollziehbar zu sein. Zunächst wird eine Grobversion verfasst und diese dann auf Lücken, Redundanzen, Unklarheiten, Übergänge und Längen hin überarbeitet. Nach inhaltlicher und sprachlicher Bearbeitung stehen noch das Ergänzen von Abbildungen, Verzeichnissen, Layout und Formatierung zur Vervollständigung der Arbeit an.
Gedanken und Ideen anderer Autoren im eigenen Text einfließen zu lassen, gehört zum wissenschaftlichen Arbeiten dazu, aber in der Art und Weise des Zitierens bestehen oft Unsicherheiten. Die Autoren schlagen die Harvard-Zitierweise vor und erläutern, wie wörtliche oder indirekte Zitate aufgebaut werden.
Mit wissenschaftlichen Anspruch an eine schriftliche Abhandlung gehen auch gewisse Vorstellungen an einen Ausdrucksstil einher. Die Autoren gehen wir auf die Verwendung von Aktiv- und Passivsätzen und des Personalpronomens „ich“ ein. Sie geben den Hinweis, dass ein Hauptsatz eine Aussage enthält, ein Nebensatz dann begründet, erläutert oder fortführt – eine Aussage pro Satz vermeidet Schachtelsätze. Auch Ausführungen zu geschlechtergerechter Sprache fehlen nicht.
Diskussion
Nachdem sich der Leser durch 50 Seiten von Natur aus dröge, aber natürlich nicht unwichtige Wissenschaftstheorie gearbeitet hat, wird der Inhalt praxisbezogener und bringt mehr Handwerkszeug. Das Buch wendet sich explizit an Studierende. Meiner Meinung nach sind Kompetenzen des wissenschaftlichen Arbeitens auch für Teilnehmer von Fachweiterbildungen gefragt, die in zunehmenden Maße Facharbeiten verfassen, die Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens standhalten müssen, hier würde ich den Kreis der Zielgruppe erweitern.
Das Herausgeberteam vereint unterschiedliche Ebenen, die Ansprüche der Professorin und Didaktikerin werden mit denen eines frischen Absolventen kombiniert. Der Sprachgebrauch im Buch zeigt den Hochschulkontext auf, ich hoffe, dass Leser, die damit nicht sehr vertraut sind wie Studienanfänger, dadurch nicht abgeschreckt werden
Die schriftliche wissenschaftliche Arbeit steht im Fokus, vielleicht kann eine Neuauflage um weitere Produkte erweitert werden, wie ein Poster, Veröffentlichung in Fachzeitschriften oder Kongressvorträge.
Fazit
Handwerkszeug für alle Studierenden im Gesundheitsbereich im kleinen Format zu einem fairen Preis.
Rezension von
Prof. Dr. sc.hum. Nina Fleischmann
Hochschule Hannover Fakultät V - Diakonie, Gesundheit und Soziales
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