Jochem Kotthaus: FAQ Wissenschaftliches Arbeiten
Rezensiert von Prof. Dr. Anna Maria Riedi, 14.08.2014
Jochem Kotthaus: FAQ Wissenschaftliches Arbeiten. Für Studierende der Sozialen Arbeit. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2014. 223 Seiten. ISBN 978-3-8252-4137-7. D: 16,99 EUR, A: 17,50 EUR, CH: 24,00 sFr.
Autor
Jochem Kotthaus ist Professor im Bereich Erziehungswissenschaften/Jugend- und Familienhilfe am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Dortmund. Unter anderem bietet er eine Lehrveranstaltung zu wissenschaftlichem Arbeiten an.
Thema
Wissenschaftliches Arbeiten gilt als Querschnittskompetenz, die in jedem Studiengang unabhängig der disziplinären Zuordnung, erworben werden muss. Auch für Studierende der Sozialen Arbeit ist die Erstellung schriftlicher wissenschaftlicher Produkte wie Haus-, Semester-, Bachelor- oder Master-Arbeiten eine spezielle Herausforderung. Die Konventionen und Regeln des wissenschaftlichen Schreibens werfen immer wieder Fragen auf wie zum Beispiel: „Welche Bücher sind wichtig, welche müssen nicht beachtet werden? Und wo bleibt die ‚eigene Meinung‘, jenes Bedürfnis, sich selbst zum Gegenstandsbereich zu positionieren?“ (Kotthaus 2014, S. 10).
Zielsetzungen
Der Autor verfolgt mit diesem Buch drei Ziele:
- wissenschaftliches Denken verständlich machen,
- die Methodik und die Formalitäten des Schreibprozesses wissenschaftlicher Arbeit deutlich machen sowie
- Freude am Abenteuer Wissenschaft vermitteln.
Die generellen Ausführungen des Autoren werden immer wieder mit Erfahrungen aus studentischen Arbeiten illustriert, welche der Autor über viele Jahre hinweg sammeln konnte.
Aufbau
Die Publikation ist in fünf thematische Abschnitte gegliedert:
- Vorbereitungen,
- Schreiben,
- Literatur und Quellen,
- Zitation sowie
- Verzeichnisse.
Jeder Abschnitt enthält verschiedene Kapitel, die ihrerseits jeweils einer konkreten Frage gewidmet sind. Insgesamt dienen 50 Fragen als Ausgangspunkt für die Informationen und Erörterungen rund um wissenschaftliches Arbeiten.
Innerhalb der verschiedenen Kapitel werden in separaten Boxen mit der Bezeichnung „Was bedeutet das für die Soziale Arbeit?“ Verbindungen zum beruflichen Alltag der Sozialen Arbeit hergestellt.
Inhalt
Die Einleitung steht unter der Frage: Worum geht es in diesem Buch? Der Autor will kein neues Verständnis von Wissenschaftlichkeit für die Soziale Arbeit erschaffen. Aber er möchte eine Einführung speziell für Studienanfängerinnen und -anfänger schreiben und „nur für diese“ (S.10).
Der Abschnitt Vorbereitung widmet sich allgemeinen Fragen zu Wissen und Wissenschaft. Wissenschaft wird sowohl als eigenständige Denk- und Handlungsweisen als auch als Institution vorgestellt. Der Autor möchte Studierende anregen, sich in diesem Denken und in dieser Institution bewegen zu lernen.
Der Abschnitt Schreiben bietet Antworten auf rund 20 Fragen und gibt sowohl formal-technische als auch inhaltlich-argumentative Antworten. Die Funktion von Dozierenden/Lehrenden wird aufgezeigt und auf den Umgang mit ihnen hingewiesen. Der generelle Aufbau eines Bachelorstudiums wird dargelegt wie auch unterschiedliche Arten von Leistungsnachweisen. Die Wechselwirkung von Themen- und Literatursuche wird aufgezeigt. Konkrete Vorgehensweisen werden vorgeschlagen für die Themenfindung, wobei das Thema der Arbeit vorgegeben sein kann oder auch nicht. Anschliessend wird mit Hinweis auf die Literaturrecherche und auf zeitliche, geografische, institutionelle etc. Eingrenzungen gezeigt, wie ein Thema konkretisiert werden kann. Bei der Antwort auf die Frage ‚Wie formuliere ich ein Thema?‘ wird eingehend diskutiert, wo das ‚Ich‘ in der Arbeit bleibt. Danach erhalten die Lesenden Hinweise für die wichtigsten Arbeitsschritte, die Abschätzung des Zeitbedarfs und die Zeitplanung wie auch für eine gezielte, effiziente Literatursuche. Es wird erläutert, wie in einem Stylesheet die Auflistung von formalen Vorgaben vorgenommen werden kann und wie im Exposé die inhaltliche Auflistung resp. Ausführung des geplanten Vorgehens gelingt. Der Aufbau (formal) und die Gliederung (argumentativ) einer Arbeit werden an Beispielen dargelegt. Mit Nachdruck wird begründet, dass es gerade in der Sozialen Arbeit – einer Profession, die unter anderem auch Lösungen gegen Ungleichheit, Benachteiligung und Diskriminierung sucht - wichtig ist, eine gender-gerechte Sprache zu verwenden. Da eine wissenschaftliche Arbeit kaum wie ein Erlebnisbericht linear geschrieben wird, zeigt der Autor, wie der Schreibprozess der verschiedenen Textteile in einem iterativen Prozess gelingen kann. Ebenso zeigt er auf, wie eng Sprachstil und Inhalt verbunden sind. Dazu gehört, dass man nicht einfach beklagen soll, dass sich in anderen Werken kaum eine brauchbare Definition eines bestimmten Begriffes finden lässt. Vielmehr wäre in solchen Fällen selbst eine hinreichende Definition zu entwickeln. Sehr ausführlich und mit verschiedenen Beispielen wird gezeigt, wie die Lesbarkeit der Arbeit durch klare Struktur, Einfachheit der Darstellung sowie Verzicht auf Schachtelsätze, Metaphern, Füllwörter und Plattitüden erhöht werden kann. Abschliessend wird anschaulich erläutert, welchen Einfluss die Wahl des Schrifttyps und der Schriftgrösse auf den Seitenumfang einer Arbeit haben und dass nach der ersten Niederschrift der Arbeit noch die ganze Korrekturphase einzuplanen ist.
Der Abschnitt zu Literatur und Quellen enthält Antworten rund um die Qualität von Quellen und ihre Erscheinungsformen. Der Autor weist in Anlehnung auf Ebster & Stalzer (2003) auf den Unterschied zwischen Zitierwürdigkeit der Quellen (Gehalt eines Textes) und Zitierfähigkeit (formale Aspekte wie z.B. Zugänglichkeit) hin. Eine dreiseitige tabellarische Aufstellung bietet eine Orientierung zur Zitierwürdigkeit verschiedenster Quellen. Anschliessend werden die Unterschiede zwischen Monographie, Sammelwerk, Periodika und grauer Literatur erläutert. Es wird darauf hingewiesen, dass das Problem mit dem Internet nicht nur die Frage der Qualität der Quellen ist, sondern auch die wenig transparente, kaum nachvollziehbare Vernetzungsstruktur. Hingegen bietet das Internet Zugang zu hervorragenden Hochschulbibliotheken, Literatur- und Zeitschriftendatenbanken sowie Open-Access Veröffentlichungen. Bezüglich der Frage, wie viele Quellen man für eine Arbeit benötige, wagt der Autor die Angabe einer Faustregel: „Pro 3‘000 Zeichen Text benötigen Sie eine Quelle, eher mehr“ (S. 128).
Der Abschnitt zur Zitation beantwortet viele Fragen zur Funktion des Zitierens und zum konkreten formalen Vorgehen beim Zitieren. Der Autor macht eingangs klar: „Zitation ist eine universelle Syntax, die übergreifend zwischen den unterschiedlichen Disziplinen verständlich ist“ (S. 136). Auch wenn unterschiedliche Styles verwendet werden, das Zitieren ist eine grundlegende wissenschaftliche Technik und Studierende müssen ein für alle einsichtiges Zitationssystem verwenden können. Zur universellen Syntax gehört auch die formal klare Unterscheidung von Zitat und Paraphrase resp. direktes und indirektes Zitat. Für das direkte Zitat werden Besonderheiten der quellentreuen Wiedergabe (Fehler, Hervorhebungen etc.) aufgezeigt. Die anschliessenden, sehr ausführlichen Darstellungen zu formalen Fragen des Kurzbelegs, des Nachweises von Zitaten und Paraphrasen sowie von Tabellen und Abbildungen basieren gemäss dem Autor auf dem Harvard-System (Kurzbeleg im Text/Literaturangaben im Verzeichnis am Schluss und nicht in Fussnoten). Abschliessend wird auf die verschiedenen Formen von Plagiaten und deren Vermeidung hingewiesen.
Der Abschnitt zu den Verzeichnissen widmet sich ganz dem Literaturverzeichnis. Die Sortierung der Literatur (nach Alphabet), die Möglichkeiten der Gestaltung des Verzeichnisses (z.B. getrennter Ausweis von bestimmten Publikationssorten im Verzeichnis, was der Autor jedoch eher nicht befürwortet) sowie verschiedene Hinweise auf den Umgang mit Besonderheiten werden in diesem Abschnitt aufgezeigt.
Das letzte FAQ gilt der Note: ‚Wie gehe ich mit meiner Note um?‘. Der Autor empfiehlt unabhängig davon, ob die Note nun als gut oder schlecht angesehen wird, sich auch um ein mündliches Feedback zu bemühen. Denn die Note zeigt eine generelle Tendenz, die genauen Stärken und Schwächen der Arbeit vermag sie nicht aufzuzeigen. Er fordert Studierende auf, auf jeden Fall sich „die Einschätzung ihrer Prüfer/innen unbedingt erklären“ (S. 211) zu lassen.
Diskussion
Die ersten drei Abschnitte (Vorbereitung, Schreiben, Literatur und Quellen) zeigen nachvollziehbar und an angemessenen Beispielen illustriert, weshalb und wie das wissenschaftliche Schreiben auch von Konventionen und Regeln geleitet wird. Es gelingt dem Autor gut darzulegen, dass sich dabei ein wissenschaftlicher Habitus herausbilden kann, der mit dem beruflichen Habitus Sozialer Arbeit nicht verwechselt werden darf, aber dennoch in vielen Punkten Ähnlichkeiten aufweist.
Auch die nachfolgenden Abschnitte zu Zitation und Verzeichnisse sind ganz im Geiste der Herausbildung eines wissenschaftlichen Habitus gehalten. Sie fokussieren aber naturgemäss eher auf technische Fragen und auf konkrete Regeln des Verweises von Quellen. Der Autor weist darauf hin, dass dabei nicht alle möglichen Varianten der vielfältigen Zitationssysteme aufgezeigt werden können und er exemplarisch die Problemstellungen anhand des Harvard-Systems erläutert. Allenfalls wäre hier aber auch für Studierende interessant zu wissen, was denn ein Nicht-Harvard-System (z.B. Oxford-System etc.) ist. Sie könnten somit zumindest in Kenntnis von Alternativen das selbst gewählte oder von Dozierenden vorgegebene System benutzen. Verbunden damit wäre ein Hinweis auf die innerhalb des jeweiligen Systems möglichen Styles (APA-Style, MLA-Style etc.) hilfreich, da die Unterschiede spätestens bei der Erstellung eines Literaturverzeichnisses gewisse Fragen aufwerfen.
Der Abschnitt Verzeichnisse fokussiert ganz auf das Literaturverzeichnis. Für eine zweite Auflage wären auch Hinweise auf das Verfassen von Tabellen-, Abbildungs- und Abkürzungsverzeichnissen sinnvoll.
Das letzte FAQ zur Note zeigt auf, dass wissenschaftliches Arbeiten ein Prozess ist, der kaum schon im ersten Semester eines Studiums abschliessend als Kompetenz erworben werden kann. Erst Übung macht den Master.
Der gewählte Zugang, entlang einer FAQ-Struktur das Buch aufzubauen, macht gewisse Wiederholungen unvermeidbar. Deutlich wird dies bei Textstellen zum Umgang mit Besonderheiten – vergleiche Seiten S. 162 und 188-189 sowie 193. Anderseits erlaubt aber gerade diese FAQ-Struktur, sich gezielt das Wissen zu holen, das die offenen Fragen des eigenen, aktuellen wissenschaftlichen Arbeitens klären kann.
Fazit
Nach Durchsicht der Publikation bleibt der Eindruck, dass diese FAQs nicht nur für Erstsemestrige ein Gewinn sein könnten. Beim wissenschaftlichen Arbeiten stehen Studierende immer wieder vor Fragen, die sich in den vorhergehenden Arbeiten so noch nicht gestellt haben. Jederzeit ein gutes FAQ zur Hand zu haben, ist sicher hilfreich.
Aufzuzeigen, dass wissenschaftliches Schreiben auch in der Sozialen Arbeit zu einer Leidenschaft werden kann und nicht nur Regelwerk ist, gelingt dem Autor in dieser Publikation besonders gut.
Rezension von
Prof. Dr. Anna Maria Riedi
Sozialwissenschafterin, BFH Berner Fachhochschule, Departement Soziale Arbeit
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Es gibt 10 Rezensionen von Anna Maria Riedi.
Zitiervorschlag
Anna Maria Riedi. Rezension vom 14.08.2014 zu:
Jochem Kotthaus: FAQ Wissenschaftliches Arbeiten. Für Studierende der Sozialen Arbeit. Verlag Barbara Budrich GmbH
(Opladen, Berlin, Toronto) 2014.
ISBN 978-3-8252-4137-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16465.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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