Die schönste Krankheit der Welt. Ein Film über Bipolare Störungen
Rezensiert von Peter Bechmann, 09.09.2014
Die schönste Krankheit der Welt. Ein Film über Bipolare Störungen.
Paranus Verlag
(Neumünster) 2013.
ISBN 978-3-940636-30-0.
29,95 EUR.
DVD. Idee, Kamera, Schnitt, Produktion: Andreschka Großmann
Ton: Albert Kittler
Laufzeit 64 Min., DVD, Bildformat: Vollbild SD 4:3.
Aufbau des Films
In der Beschreibung des Films werden 13 Kapitel aufgeführt. Sie heißen:
- Titel,
- Krank? Seit wann?,
- Manie
- Depression
- Praxis,
- Theorie,
- Hilfesuche,
- Trickfilm,
- Fehler,
- Wunderheilung
- Balance
- Schlusslichter
- Abspann.
Diese Einteilung wird im Film selbst nicht explizit durch Titeleinblendungen sichtbar gemacht, ist aber als roter Faden für die Abfolge der Themen hilfreich.
Inhalt
1. Der Dokumentarfilm. Der Film „Die schönste Krankheit der Welt“ ist formal ein Dokumentarfilm. Die Filmemacherin Andreschka Großmann interviewt Menschen zu ihrem Leben und Erfahrungen mit der bipolaren Störung. Dabei schneidet sie die Gespräche in kurze Sequenzen, so dass die gleichen Personen im Laufe des Films mehrmals zu den verschieden Themen (siehe Aufbau) Stellung nehmen. Für einen reinen Dokumentarfilm ist es ungewöhnlich, dass die Interviewerin selbst ihre eignen Erfahrungen mit der Erkrankung sowohl hinter als auch vor der Kamera beisteuert. Außerdem wird deutlich, dass sie die meisten der Interviewten persönlich kennt. Die Personen selbst werden nicht vorgestellt. So wird nur indirekt deutlich, dass mindestens ein Arzt und ein Therapeut zu Wort kommen.
2. Die Bildsprache. „Die schönste Krankheit der Welt“ illustriert und verstärkt die Themen und die Erzählungen der Akteure durch umfangreiches Bildmaterial. Die Filmemacherin arbeitet mit kurzen Interview-Sequenzen, die sie mit bewegten und stehenden Aufnahmen, Zeichnungen der Akteure oder älteren Fotos illustriert. In der Mitte des Films zeigt sie einen kurzen, einfach gezeichneten Trickfilm. Die Bilder sind ein dokumentarisches Mittel, mit dem sowohl die Kreativität der manischen Schübe als auch das Chaos und der Wahnsinn dokumentiert werden. Gleichzeitig nutzt die Filmemacherin Bilder als ironisches Mittel: Wenn sie zum Beispiel Werbung mit „Wahnsinn“-Aufklebern zeigt oder die endlose Produktpalette mit der viel beschworenen Balance. Bei der Beschreibung von Depression verschwindet der Bildausschnitt mit einer Interviewten langsam im Wasser. Ein kleiner Zeichentrickfilm berührt in seiner kindlich-naiver Deutlichkeit.
3. Das Thema. Das Thema wird dem Zuschauer sehr direkt in meist kurzen Aussagen und Erzählungen der Betroffenen vorgestellt. Die subjektiven Erfahrungen werden nur ganz selten durch Aussagen eines Profis oder Arztes objektiviert. Auf zusätzliche Informationen zur Erkrankung und dem wissenschaftlichen Forschungsstand verzichtet der Film zugunsten einer beeindruckenden Breite an offenen persönlichen Statements, die viele Aspekte dieser Erkrankung authentisch zeigen. Angehörige kommen nicht zu Wort. Das Thema der manischen Episoden und der in ihnen frei werdenden kreativen Energien, nehmen dabei, wie es der Titel des Films erwarten lässt, den größten Raum ein.
Diskussion
Der Film mutet dem Zuschauer Einiges zu. Er überrennt ihn zu Beginn beinahe mit Statements und Bildern. Nicht alle der gezeigten Personen erscheinen sympathisch. In seiner wilden Bildsprache wirkt der Film authentisch und gewährt dem Zuschauer eine Einsicht in die Welt bipolarer Störungen. Der Film zeigt Menschen, die den Mut haben, über Freud und Leid, Kreativität und Chaos offen in die Kamera zu sprechen: ein Glücksfall für Bipolare. Für eine erste Begegnung mit dem Krankheitsbild ist der Film aus meiner Sicht nur bedingt geeignet. Die Sicht der Profis und der Psychiatrie wird doch allzu dezent vorgetragen und kann sich neben den vielen starken Aussagen der Betroffenen kaum behaupten. Angehörige kommen gar nicht zu Wort. Daher sollte bei einer Vorführung die Möglichkeit zu anschließender Diskussion und zum Austausch gegeben sein.
Fazit
Der Film „Die schönste Krankheit der Welt“ ist ein ergreifendes filmisches Zeugnis von, über und mit bipolaren Menschen. Anders als ein bloßer Dokumentarfilm ist der Film selbst ein manisches Kunstwerk, der dem Zuschauer eine direkte Begegnung mit bipolarer Energie zumutet. In vielen kurzen Gesprächsausschnitten zwischen der Filmemacherin, Betroffenen und einigen Profis erfährt der Zuschauer aus erster Hand, was es bedeutet unter einer bipolaren Störung zu leiden. Der Film beeindruckt auch durch den intensiven Einsatz von Bildern, mit der die Regisseurin die Themen, die Aussagen und Gefühle sichtbar macht und verstärkt.
Rezension von
Peter Bechmann
Ehrenamtliches Mitglied von BASTA e.V. (Bündnis für psychisch erkrankte Menschen in München)
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Zitiervorschlag
Peter Bechmann. Rezension vom 09.09.2014 zu:
Die schönste Krankheit der Welt. Ein Film über Bipolare Störungen. Paranus Verlag
(Neumünster) 2013.
ISBN 978-3-940636-30-0.
DVD. Idee, Kamera, Schnitt, Produktion: Andreschka Großmann
Ton: Albert Kittler
Laufzeit 64 Min., DVD, Bildformat: Vollbild SD 4:3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16584.php, Datum des Zugriffs 09.12.2024.
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