Andreas Gadatsch: IT-gestütztes Prozessmanagement im Gesundheitswesen
Rezensiert von Diplomökonom Univ. Uwe Huchler, 04.07.2014
Andreas Gadatsch: IT-gestütztes Prozessmanagement im Gesundheitswesen. Methoden und Werkzeuge für Studierende und Praktiker.
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
(Wiesbaden) 2013.
113 Seiten.
ISBN 978-3-658-01165-9.
24,99 EUR.
Reihe: Lehrbuch.
Thema
Kaum eine Branche steht vor solchen Herausforderungen wie die Gesundheitsbranche. Sie ist gekennzeichnet durch ein Verlangen nach besserer Qualität, wirtschaftlichem Handel und verbessertem Service. Der immense Kostendruck führt zu einem Spagat zwischen Qualität und Wirtschaftlichkeit, den die Verantwortlichen täglich leisten müssen. Nach Meinung vieler gibt es eine ganze Menge an ‚Sand im Getriebe‘ – oder auch ineffiziente Arbeitsprozesse, zumindest aus der Sicht der IT. Medienbrüche, unvollständige oder fehlende Informationen, Redundanzen, Zeitverzögerungen, die ganze Bandbreite an möglichen Schwachstellen, die bei einer Schwachstellenanalyse identifiziert werden können oder könnten.
Effizienzverbesserungen können insbesondere durch den Einsatz von Informationstechnologie vorangebracht werden. Gesundheitswesen und IT – zwei Zukunftsbranchen treffen hier aufeinander. Das Lehrbuch zum ‚IT-gestützten Prozessmanagement im Gesundheitswesen‘ widmet sich diesem brisanten und zukunftsorientierten Thema.
Autor
Prof. Dr. Andreas Gadatsch ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in St. Augustin. Zuvor war er Professor an der FH Köln für Betriebswirtschaftslehre, insb. Organisation und Datenverarbeitung. Er ist u.a.
- Mitveranstalter der jährlichen Sankt Augustiner Controlling-Fachtagungen
- Mitveranstalter des Praxisforums BPM&ERP und des IT Radars für BMP&ERP
- Mitherausgeber der wissenschaftlichen Zeitschrift Wirtschaftsinformatik und
- Autor von weit über 200 Publikationen.
Entstehungshintergrund und Ziele
Das Buch ist als Lehrbuch geschrieben und erscheint in erster Auflage 2013. Es möchte insbesondere Studierenden der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Gesundheitsmanagement, Studierenden der Gesundheitswirtschaft aber auch an betriebswirtschaftlichen Fragestellungen interessierten berufstätigen Mitarbeitern der Gesundheitsbranche wie Medizin-Controllern, Qualitätsbeauftragten, Ärzten, Pflegern, Case-Managern und vergleichbaren Berufsgruppen einen Einblick in die Methoden des IT-gestützten Prozessmanagements geben, die für das Gesundheitswesen prinzipiell geeignet sind.
Aufbau
Das Lehrbuch ist in fünf Kapitel gegliedert.
- Grundlagen
- Geschäftsprozessmanagement im Gesundheitswesen
- Modellierung und Analyse von Geschäftsprozessen im Gesundheitswesen
- Softwareeinsatz im Gesundheitswesen
- Spezielle Fragestellungen, z.B. IT-Governance, Big Data, Cloud Computing
Es schließt mit einem Abkürzungsverzeichnis mit Glossar und einem umfangreichen Sachverzeichnis.
Inhalt
Im ersten Kapitel geht es um die Grundlagen, wobei hier eine kurze Übersicht über das Gesundheitswesen in Deutschland gegeben wird. Anhand einer tabellarischen Auflistung der zentralen Gesundheitsreformen von 1977 – 2009 wird der „Dynamik der Veränderungen in dieser Branche“ Rechnung getragen. Erfreulicherweise wird bereits hier darauf hingewiesen, dass eine der Herausforderungen des Gesundheitswesens (oder besser der Gesundheitswirtschaft) darin besteht, „betriebswirtschaftliche Optimierungskonzepte mit den klassischen Prinzipien des Gesundheitswesens mit dem Solidarprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Einklang zu bringen“. Mit einem kurzen Vergleich der unterschiedlichen Prinzipien (z.B. Solidaritätsprinzip, einkommensabhängige Beiträge in der GKV versus Äquivalenzprinzip in der PKV (Private Krankenversicherung) schließt das erste Teilkapitel.
Unter ‚Lernen von der Industrie‘ wird ein kurzer Überblick über verschiedene Möglichkeiten der Absicherung der Gesundheitsrisiken gegebenen. Schließlich wird die aktuelle Situation in aller Kürze zu Patienten, Personal, Techologie und Markt angerissen.
Kapitel 2 widmet sich entsprechend dem Titel des Lehrbuches ausführlich dem Geschäftsprozessmanagement im Gesundheitswesen. Zentrale Begriffe wie ‚Business Process Management‘, ‚Clinical Process Management‘ und Behandlungspfade werden eingeführt, ehe die Relevanz des Prozessmanagement beschrieben wird. Ausgehend von der Erläuterung des Geschäftsprozess-Managements und des darauf aufbauenden Workflow-Managements (als die Automatisierung von Geschäftsprozessen) wird eine Reihe von Beispielen von Krankenhausprozessen aufgeführt.
Beim Prozessmanagement spielen eine Vielzahl von Akteuren und Beteiligte ein ‚Rolle‘. Diese Rollen (Chief Process Owner, Prozessmanager, -experten, -berater bis zum Workflowmodellierer) werden kurz erläutert, ehe die Möglichkeit der organisatorischen Einbindung des Prozessmanagements beschrieben wird.
Als zentrales Thema in diesem Kapitel wird ausführlich darauf eingegangen, dass das Prozessdenken das Funktionsdenken verdrängt und zunehmend ersetzt. Die Workfloworientierung als zünftiger Maßstab wird ebenso thematisiert wie Blockaden durch noch bestehendes funktionales Denken in Kliniken. Bei den Möglichkeiten zur Optimierung werden die gängigen Optimierungsmöglichkeiten von Prozessen wie Weglassen, Auslagern, Zusammenfassen, Parallelisieren und Verlagern, Beschleunigen erläutert. Auch der wichtige Bereich des Einsatzes von Checklisten wird problematisiert und aufgegriffen. Abschließend wird ein Beispiel für eine Geschäftsprozessvereinbarungen erläutert.
Die Modellierung und Analyse von Geschäftsprozessen im Gesundheitswesen ist im Folgenden in Kapitel 3 ein wichtiger Bestandteil des Lehrbuches. Ausgehend von konkreten Beispielen einzelner Geschäftsprozesse im Gesundheitswesen sowie der Beschreibung der Zerlegung von Geschäftsprozessen wird die Methodik der Prozessmodellierung dargestellt und gegliedert in folgende Bereiche:
- Modellierungsebenen;
- Life-Cycle-Modell der Modellierung;
- Modellierungsmethoden;
- Prozesslandkarten;
- Swimlane-Diagramme;
- Tabellarische Prozesserhebung;
- Business Process Model and Notation (BPMN),
- Modellierung klinischer Pfade,
- Modellierungswerkzeuge.
In Kapitel 4 geht es konkret um den Softwareeinsatz im Gesundheitswesen. Eine Betrachtung der historischen Entwicklung schließt an die Beschreibung der aktuellen Situation an. Beginnend mit dem Begriff Hospital Engineering werden nun eine Reihe von Grundbegriffen (und Anglizismen) eingeführt und erläutert, die auch oder gerade in der IT im Gesundheitswesen unvermeidlich sind. Der Kunstbegriff ‚Gesundheitstelematik‘ wird entsprechend seiner historischen Entwicklung aufgeschlüsselt, was er bedeutet und welche Synonyme darunter zu verstehen sind. E-Health wird als die heute gebräuchlichste Benennung ausführlich erläutert, mit vielen Beispielen, wie eArztbrief, eÜberweisung usw.
Mit dem Bereich Patientendatenmanagement werden die Unterschiede einer Elektronischen Patientenakte, einer Elektronischen Gesundheitsakte sowie der Abgrenzung zur Elektronischen Gesundheitskarte aufgezeigt sowie die Nutzung in der Praxis dargestellt. Mit der Beschreibung der Anforderungen an medizinische Informationssysteme wird übergeleitet zu den Bereichen der Allgemeinen und den Branchenspezifischen Informationssystemen, die nachfolgend aufgelistet und dem Anspruch entsprechend kurz beschrieben werden:
- KIS und ERP-Systeme
- Data-Warehouse-Systeme
- Workflow-Management-Systeme
- Arztpraxis-Informations-System (APIS)
- Apotheken-Informations-System (APOIS)
- Krankenhausinformationssysteme (KIS)
- Radiologie-Informationssysteme (RIS)
- Picture Archiving und Communication Systeme (PACS)
- Zuweiserportale
- Master Patient Index.
Schließlich werden in Kapitel 5 spezielle Fragestellungen zur IT Gesundheitswesen bzw. zum Prozessmanagement erläutert.
Zuerst geht der Autor hier auf die Besonderheiten des IT-Einsatzes im Gesundheitswesen ein. Geringes Budget – hohe Anforderungen an Krankenhausinformationssysteme werden erläutert. Allesamt Gründe, die eine IT-Abteilung im Krankenhaus überfordern kann, weil die Anforderungen von Fachabteilungen nicht mit dem zur Verfügung gestellten Budget geleistet werden kann. Begriffe wie IT-Governance und IT-Management werden ebenso erläutert wie der daraus resultierende IT-Gesamtplan.
Bei den IT-Standards, die einen wesentlichen Teil dieses Kapitels ausmachen, wird im Rahmen der ‚Standardisierungsökonomie‘ die Wirkung von IT-Standards, aber auch von Standardisierungsfehler aufgezeigt. Ein kurzer Überblick über gängige Standards im Gesundheitswesen (z.B. HL7/, DICOM) mit teilweise kurzer Erläuterung vervollständigt diesen Teil. Interessanterweise werden hier die Gegensätze der ‚IT-Consumerization‘ versus Standards aufgezeigt. Die Informationstechnik wird zunehmend zum Bestandteil des allgemeinen Konsums, und auch im Gesundheitswesen wollen immer mehr Führungskräfte, Vorstände und Geschäftsführer ihre privaten Gerate wie Smartphones oder Tablett-PC so vollumfänglich im geschäftlichen Bereich mit dem gleichen Komfort benutzen können, wie sie es im privaten Bereich kennen. BYOD ist das Schlagwort und wird beschrieben (‚bring your own device‘).
Bei der Simulation von Prozessen im Gesundheitswesen werden insbesondere die drei wichtigen Bereiche ‚Überprüfung der Ablauffähigkeit‘, ‚Validierung der Realitätstreue‘ sowie der ‚Evaluation alternativer Prozessmodelle‘ strukturiert und systematisch dargestellt. Nicht fehlen darf schließlich die Sicht auf die Bereiche ‚Big Data‘ sowie der Nutzung von Cloud Computing im Gesundheitswesen und runden das Lehrbuch ab.
Diskussion
Das Lehrbuch bietet einen sehr guten Einblick in das IT-Prozessmanagement und den Einsatz von Software im Gesundheitswesen. Es ist vom Umfang her sehr gut für die Hochschullehre geeignet und konzentriert sich dabei aufs Wesentliche. Kapitel 1 als ‚grundlegendes Kapitel‘ ist ein wenig zu kurz geraten, z.B. zu den Grundlagen im Gesundheitswesen. Die weiteren Kapitel zum Prozessmanagement und zum Softwareeinsatz beschreiben dagegen ausführlich die jeweiligen Themen in der notwendigen Form für ein Lehrbuch.
Das vorliegende Buch ist im positiven Sinne ein Lehrbuch, d.h. notwendige Fachbegriffe werden an geeigneter Stelle erläutert und viele Aufzählungen und Zusammenfassungen erleichtern das Verstehen und Erlernen. Es ist klar strukturiert, verständlich geschrieben und auf die Zielgruppe ausgerichtet. In jedem Kapitel wird mit anschaulichen Praxisbeispielen das Verständnis zur Thematik verbessert. Ebenso fördert die übersichtliche grafische Darstellung einzelner Bereiche das Verständnis. Dazu tragen auch die Wiederholungsfragen am Ende jedes Kapitels bei, die als Lernzielkontrolle bestens geeignet sind. Teilweise gibt es Übungsaufgaben mit Zeitangaben, aber ohne Musterlösung. Ein umfangreiches Sachverzeichnis und Glossar machen es auch zu einem sehr guten Nachschlagewerk für Studierende und Praktiker.
Besonders hervorzuheben für Lehrende ist, dass der Autor alle im Buch verwendeten Grafiken und Abbildungen als Powerpoint-Präsentation auf Wunsch sehr unkompliziert zur Verfügung stellt.
Fazit
Insgesamt ist es ein sehr gutes Lehrbuch, das seinen selbst gestellten Ansprüchen auf alle Fälle gerecht wird. Für Studierende und Praktiker ist eine sehr gute Einführung und Beschreibung des IT-gestützten Prozessmanagements. Es bietet eine grundlegende Einführung in ausgewählte Methoden zur Analyse und Optimierung von Geschäftsprozessen im Gesundheitswesen mit den Zielen, die Transparenz zu erhöhen und die Effektivität und Effizienz zu steigern. Für Lehrende ist es eine hervorragende Grundlage und wertvolle Unterstützung in der Hochschullehre. Fazit: sehr empfehlenswert.
Rezension von
Diplomökonom Univ. Uwe Huchler
Analyse und Beratung in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft, externer Datenschutzbeauftragter bei diversen sozialen Einrichtungen und Bildungseinrichtungen, Chefredakteur von www.social-software.de. www.Kita-Datenschuz.info
Website
Es gibt 22 Rezensionen von Uwe Huchler.
Zitiervorschlag
Uwe Huchler. Rezension vom 04.07.2014 zu:
Andreas Gadatsch: IT-gestütztes Prozessmanagement im Gesundheitswesen. Methoden und Werkzeuge für Studierende und Praktiker. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
(Wiesbaden) 2013.
ISBN 978-3-658-01165-9.
Reihe: Lehrbuch.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16631.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
Urheberrecht
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