Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Lothar Schmidt-Atzert, Martin Peper et al.: Emotionspsychologie

Rezensiert von Prof. Dr. Bettina Schuhrke, 12.12.2014

Cover Lothar Schmidt-Atzert, Martin Peper et al.: Emotionspsychologie ISBN 978-3-17-020595-6

Lothar Schmidt-Atzert, Martin Peper, Gerhard Stemmler: Emotionspsychologie. Ein Lehrbuch. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2014. 2., vollst. überarb. und erweiterte Auflage. 373 Seiten. ISBN 978-3-17-020595-6. 54,90 EUR.
Reihe: Standards Psychologie.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand
Kaufen beim Verlag

Thema

Bei dem Buch handelt es sich um eines der seltenen deutschsprachigen Lehrbücher zur Emotionspsychologie, das eine Gesamtschau der Forschung aus der Perspektive verschiedener psychologischer Teildisziplinen anstrebt.

Autoren und Entstehungshintergrund

Die drei Autoren legen mit diesem Buch die zweite, vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage eines Lehrbuches vor, das erstmals 1996 erschienen ist und damals von Lothar Schmidt-Atzert verfasst wurde. Wie bereits im Vorwort der ersten Auflage festgestellt, kann man sich dem Thema Emotion in der Psychologie aus verschiedenen Perspektiven nähern. Das Buch spiegelt vor allem, aber nicht ausschließlich die Ausrichtung der drei Autoren, allesamt Professoren im Bereich Psychologie an der Philips-Universität Marburg, die insgesamt der quantitativen Forschung verpflichtet sind. Schmidt-Atzert und Stemmler sind Mitglieder der Arbeitsgruppe der Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik und nähern sich dem Thema Emotion aus einer diagnostischen bzw. psychophysiologischen Perspektive; Martin Peper hat einen Schwerpunkt im Bereich der Neuropsychologie.

Die emotionspsychologische Forschung ist seit dem Erscheinen der ersten Auflage sehr stark angewachsen: eine damalige Recherche für die Jahre 1860(?) bis 1995 ergab gerade einmal 40% der im Jahr 2013 verfügbaren Quellen. So wurde eine umfassende Neusichtung der Literatur notwendig.

Zielgruppe

Das Buch richtet sich primär an Studierende der Psychologie im Bachelor-Bereich. Im Hinblick auf die Neuropsychologie, die einen neuen Schwerpunkt in der Emotionsforschung und in diesem Lehrbuch darstellt, wird auch an Master-Studierende gedacht. Verständnisprobleme wurden erfolgreich durch den Einbezug von Studierenden bei der Korrektur der fertigen Texte ausgeräumt.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist in sechs Kapitel untergliedert, umfasst 316 Textseiten, die neben dem Inhaltsverzeichnis durch ein Stichwort- und ein Personenverzeichnis erschlossen werden. Jedes Kapitel wird durch eine kurze Übersicht eingeleitet und durch Zusammenfassungen und Schlussfolgerungen und Angaben zu weiterführender Literatur abgerundet. Abbildungen, Fotos, Tabellen und Textboxen mit besonderen Inhalten (z.B. Vertiefungen, Definitionen, mögliche Anwendungsaspekte) sind in Grau- und Blautönen gestaltet. Der Text ist übersichtlich zweispaltig gesetzt.

Das erste Kapitel ist mit „Das Konzept der Emotion“ überschrieben. Hier wird auf die historische Entwicklung der Emotionspsychologie eingegangen und festgestellt, dass ein echter wissenschaftlicher Konsens fehlt über das, was man unter „Emotion“ verstehen soll und so wird ‚nur‘ eine Arbeitsdefinition gegeben. Es folgt eine Klärung des Verhältnisses zu verwandten Konzepten und eine Zusammenstellung zentraler Fragen der Emotionspsychologie. Dieses Kapitel gibt einen schnellen und gelungenen Überblick über aktuelle Diskussionslinien des Feldes.

Der Umfang des zweiten Kapitels „Methoden der Emotionsforschung“ trägt der im Vorwort geäußerten Überzeugung Rechnung, dass „(…) in der Forschung alle Ergebnisse von den Methoden abhängen, mit denen sie gewonnen wurden, (…)“ (S. 7). Dieser Teil macht annähernd 30% der Textseiten aus und umfasst Methoden zur Erfassung von Emotionen bzw. Emotionsauslösern in der alltäglichen Umwelt von Personen, die Erzeugung von Emotionen unter Laborbedingungen und die Eignung von speziellen Messmethoden für verschiedene Komponenten der Emotion.

Das dritte Kapitel fragt nach Erklärungsansätzen für das Entstehen von Emotionen. Es werden angeborene Reaktionsbereitschaften, kognitive Ansätze und die Rolle der Persönlichkeit diskutiert.

Neuropsychologische Erklärungsansätze, evolutionsbiologische Annahmen und die Beteiligung von Hirnarealen an der Entstehung und Regulation von Emotionen einschließlich des Erlebens und emotionsgesteuerten Handelns sind Inhalt des vierten Kapitels. Neuroanatomische Struktur- und Lagebezeichnungen von Hirnarealen, die an der emotionalen Verarbeitung beteiligt sind und neurale Netzwerke sind in Graphiken übersichtlich dargestellt.

Das fünfte Kapitel geht auf Auswirkungen von Emotionen auf verschiedene ausgewählte Bereiche ein. Verhaltensaspekte kommen in Bezug auf prosoziales und aggressives Verhalten und auf das Eingehen von Risiken zum Tragen. Kognitive Effekte werden im Hinblick auf Veränderungen der Wahrnehmung, die Beurteilung von Person und Umwelt, Gedächtnisprozesse und Problemlösen untersucht. Der letzte Teil des Kapitels fragt nach Zusammenhängen zwischen Emotionen und Gesundheit. Auswirkungen auf die Kommunikation werden nicht behandelt.

Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit der Entwicklung von Emotionen – mit der Entwicklung des Ausdrucks, der physiologischen Reaktionen und der Gefühle. Abschließend werden Erklärungsansätze für die Entwicklung besprochen. Die Befunde beziehen sich fast ausnahmslos auf Kindheit und Jugendalter. Im Zusammenhang mit der Frage nach angeborenen Komponenten der Emotionen sind hier und an anderer Stelle auch Ergebnisse zum Ausdrucksverhalten blinder Menschen von großem Interesse.

Diskussion

Emotionale Prozesse werden vor allem aus einem allgemein- und neuropsychologischen, differentiellen, sozialpsychologischen, klinischen und entwicklungspsychologischen Blickwinkel betrachtet. Querschnittsaspekte, die für sozialwissenschaftlich orientierte Leser und Leserinnen häufig von Bedeutung sind, werden im Rahmen verschiedener Kapitel teilweise berührt, stehen aber nicht explizit im Fokus dieser psychologischen Autoren und sind daher auch über das Stichwortverzeichnis nicht direkt zu finden: zu denken ist hier z.B. an Genderaspekte und Unterschiede von Personen verschiedener sozialer Milieus.

Obwohl in mehreren Kapiteln kulturvergleichende Studien geschildert werden und obwohl diese oft wesentliche Antworten auf Fragen zur Erklärung emotionaler Prozesse geben, wird der kulturvergleichende Aspekt nicht konsequent eingeführt. Für ein deutschsprachiges Lehrbuch, das sich nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich gegenüber englischsprachigen behaupten will, könnte es lohnend sein, Studien aus dem europäischen und deutschsprachigen Raum systematisch einzubeziehen und kenntlich zu machen und die Frage nach Unterschieden gegenüber den dominierenden US-amerikanischen Befunden zu stellen. Für das entwicklungspsychologische Kapitel hätte es hier Möglichkeiten gegeben.

Fazit

Das Buch informiert umfassend über die Psychologie der Emotionen aus der Perspektive verschiedener psychologischer Teildisziplinen. Es ist vor allem für die Zielgruppe der Psychologiestudierenden und andere Personen mit einem ausgeprägten Forschungsinteresse im Bereich der menschlichen Emotionen geeignet. Das ausführliche Methodenkapitel kann bei der Suche nach geeigneten Forschungsansätzen für eigene Studien unterstützen.

Rezension von
Prof. Dr. Bettina Schuhrke
Evangelische Hochschule Darmstadt, FB Sozialarbeit/Sozialpädagogik

Es gibt 4 Rezensionen von Bettina Schuhrke.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245