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Knut Dahlgaard, Peter Stratmeyer: Fallsteuerung im Krankenhaus

Rezensiert von Prof. Andreas Faßler, 04.07.2014

Cover Knut Dahlgaard, Peter Stratmeyer: Fallsteuerung im Krankenhaus ISBN 978-3-17-022617-3

Knut Dahlgaard, Peter Stratmeyer: Fallsteuerung im Krankenhaus. Effizienz durch Case-Management und Prozessmanagement. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2014. 161 Seiten. ISBN 978-3-17-022617-3. 36,90 EUR.

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Thema

Sowohl Fallsteuerung als auch Systemsteuerung werden für den Praxisort Krankenhaus als Themen bearbeitet, indem dafür die Konzepte Case Management und die aus der Organisationslehre stammenden Konzepte Prozessorganisation und Prozessmanagement verglichen und in Verbindung gebracht werden. Im Zentrum der Darstellung stehen fünf verschiedene Anwendungen dieser Konzepte in großen Krankenhäusern, deren unterschiedliche konzeptionelle Ausrichtungen, Implementierungsprozesse und Ergebnisse für die Entwicklung der Organisation Krankenhaus und ihrer Prozesse präsentiert und diskutiert werden.

Autoren

Prof. Dr. Knut Dahlgaard und Prof. Dr. Peter Stratmeyer lehren an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und forschen am „Forschungs- und Transferzentrum kooperatives Prozessmanagement im Gesundheitswesen“ der HAW.

Entstehungshintergrund

Mit der Publikation werden die Ergebnisse einer Expertentagung von 2011 zusammengefasst. Anlass für die Expertentagung war der stetig steigende Kostendruck, dem versucht wird, mit mehr Effizienz in den Arbeitsabläufen von Krankenhäusern zu begegnen. Ziel der Expertentagung und der Verschriftlichung war die Darstellung der auf dieser Tagung vorgestellten fünf Modellansätze zur verbesserten Fallsteuerung.

Aufbau

Das Werk umfasst 156 Seiten und ist in drei Kapitel gegliedert.

  1. Das einleitende Kapitel stellt die Motive und Hintergründe zur Einführung von Fallmanagement in Krankenhäusern dar, insbesondere die ökonomische Situation aber auch das Motiv der bedarfsgerechten Versorgung.
  2. Das zweite Kapitel gibt eine prägnante Einführung in die Basiskonzepte Prozessmanagement, Prozessorganisation und Case Management und vergleicht diese systematisch.
  3. Damit sind die Grundlagen gelegt, dass im dritten und zentralen Kapitel fünf verschiedene Modellansätze aus der konkreten Erfahrung der praktischen Umsetzung in Krankenhäusern vorgestellt, analysiert und evaluiert werden können. Vorträge von Einrichtungsvertretern über unterschiedliche Modellansätze werden dazu jeweils in ein einheitliches, vergleichbareres Format gebracht und diskutiert.

Inhalt

In Kapitel 1 werden die Beweggründe für gezieltere Fallsteuerung erläutert. Dazu werden die wirtschaftliche Situation und Qualitätsdefizite in Krankenhäusern als Anlässe für Reformen genannt. Bedarfsgerechtigkeit, Versorgungsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit werden als Zielpunkte markiert, Fehl- Unter- und Überversorgung als fehlerhafte Zustände definiert. Das bestehende Spannungsfeld wird als aufgefächert zwischen Patienten- und Gemeinwohl und zwischen fachlich-professionellen und Organisationsinteressen entfaltet. Die Dynamik von Patientenbedürfnissen und Patientenwünschen, sowie des Organisationsumfeldes mit der Einführung von Diagnosis Related Groups (DRG) und damit einhergehenden kürzeren Liegezeiten ergeben Zielkonflikte im Zieldreieck von Kosten, Qualität und Zeit und begründen sowohl die Erfordernis der Steuerung des Kernprozesses Patientenbehandlung von Aufnahme bis Entlassung aus einer Hand, als auch die der entsprechenden Organisationsgestaltung und Systemsteuerung. Hier wird dann bereits deutlich, dass Fallsteuerung Befugnisse verlangt, die auch etablierte Rechte beschneiden kann und dass die Möglichkeiten der organisatorischen Gestaltung abhängig sind von der vorhandenen Reife der Prozessorganisation (z.B. von Prozessregeln oder Behandlungspfaden).

In Kapitel 2 wird als Ausgangslage eine mangelhafte Ausrichtung auf den Leistungserstellungsprozess dargestellt, der eine Betonung von Aufbauorganisation im Gegensatz zur Ablauforganisation zugrunde liegt. Zur Korrektur dieser Strukturkrise der Krankenhausorganisation, hin zu mehr Prozessorientierung, werden zwei dafür relevante Konzeptfelder, Prozessorganisation aus der Organisationslehre und Case Management aus der Sozialen Arbeit, zunächst in ihren begrifflichen Grundlagen geklärt. Obwohl in beiden Feldern eine ungenaue Verwendung dieser Begriffe vorherrschend ist, gelingt es den Autoren, eine für das folgende Anwendungskapitel ausreichende Verständnisgrundlage zu schaffen. Prozessorganisation ist zu verstehen als die Gestaltung und Rahmung aller Prozesse, die ergänzt wird von der situativen Steuerung durch Prozessmanagement. Parallel dazu bringen die Autoren das Case Management mit den Aspekten der Fallsteuerung und Systemsteuerung in die Vergleichsposition. Prozessorganisation wird auf 19 Seiten, Case Management auf 14 Seiten kurz zusammengefasst. Für das Case Management folgen die Autoren weitgehend den Standardwerken von Wendt und Ewers. In einem abschließenden Unterkapitel werden die beiden Konzepte anhand von mehreren Kriterien übersichtlich in sechs Tabellen verglichen. Für die Anwendung im Krankenhaus kommen die Autoren zum Schluss, dass die Konzepte getrennt aber auch sich synergetisch ergänzend eingesetzt werden können und zur verstärkten Patientenorientierung beitragen.

Für die praktische Anwendung stellen die Autoren im dritten Kapitel fünf Konzepte mit ihren jeweiligen Implementierungsprozessen dar, die sich auf einem Spektrum vom dezentralen Primary-Nursing-Modell bis zu einem zentralen Management erstrecken. Die konzeptionellen Regelungen umfassen so Unterschiedliches wie z.B. eine hauptverantwortliche Bezugspflege als Schnittstelle zu den kooperierenden Berufen oder ein teilautonomes, interdisziplinäres Behandlungsteam, die Einführung von weiteren Hierarchiestufen oder die Hierarchieverflachung, den Einsatz von Pflegewissenschaftlerinnen oder Case ManagerInnen mit Verantwortung für das Bettenmanagement und mit Zugang zum medizinischen Controlling oder zur zentralen Steuerung von Einweisung bis Entlassung, die Entwicklung von standardisierten Behandlungspfaden und die Trennung von pflegefachlicher Verantwortung von einer Prozessteuerung auf Organisationsebene. Für diese Maßnahmenbündel wird die jeweilige Ausgangslage der Krankenhäuser skizziert und ihre Implementierung beschrieben. Die Implementierungsergebnisse und die Besonderheiten der Ansätze werden einzeln diskutiert und eingeordnet. In der abschließenden Diskussion werden zentrale Themen der Umsetzung angesprochen, die bei den vorgestellten Ansätzen unterschiedlich gelöst wurden: die Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen, die Einbindung in Kommunikation und Entscheidung, die Standardisierung von Aufgaben in Kontrast zum eigenständigen Denken sowie die Klärung von Hierarchien innerhalb und zwischen den Berufsgruppen.

Diskussion

Obwohl nur die Effizienz im Untertitel mit auftaucht, bemühen sich die Autoren die Bedarfsgerechtigkeit als relevanten Anlass zur Organisationsentwicklung gleichberechtigt neben den ökonomischen Interessen darzustellen. Auch wenn die Problematik im Gesundheitswesen nicht allein mit Effizienzsteigerung zu lösen ist, darf diese praxisorientierte Darstellung natürlich einen Fokus auf anwendungsbezogene Lösungen legen. Eine weitergehende Diskussion der Problematik war nicht die Absicht.

Die zu dieser Problematik von Ökonomisierung und Defiziten in der Patientenorientierung zur Anwendung gebrachten Konzepte werden in aller Kürze, aber gründlich und genau vorgestellt. Die Darstellung ist sicherlich nicht als Grundlagenwerk gedacht und enthält auch keine wesentliche Kritik an den Konzepten, denn dazu wären umfangreichere Ausführungen nötig gewesen, aber die prägnante Besprechung der Konzepte ist jedoch sehr wertvoll für eine schnelle Durchdringung des Themas und geeignet, die Inhalte und die Relevanz der Konzepte zu verstehen. Ein Verdienst dieser Publikation ist es, die betriebswirtschaftliche Sichtweise auf Prozesse mitsamt Ihrer Terminologie in die Diskussion mit dem sozialarbeiterischen Konzept Case Management zu bringen. Beide Konzeptwelten können davon profitieren. Dadurch wird vor allem die Verzahnung von Fall- und Systemebene deutlich. Die Integration beider Konzeptwelten scheint vielversprechend und könnte durch eine detailliertere und kritische Besprechung weiter fortgesetzt werden. Insbesondere wird deutlich, dass es eines übergeordneten Modells bedarf, um Vergleich, Kriterienwahl und Terminologie zu ordnen. Auch der äußerst komplexe, multifaktorielle Vorgang der Veränderung von Organisationen bei der Implementierung dieser Konzepte bedarf weiterer Systematisierung.

Erkennbar wird, dass dem Problemdruck, der von den Kosten und dem Abrechnungsmodus (DRG) stammt, entsprochen wird und weder Qualitätsvorstellungen noch interaktionsorientierte Konzepte mit gleichem Stellenwert daneben gestellt werden.

Die Klärung der Schnittstelle zur Sozialen Arbeit oder zum Sozialdienst bleibt ungeklärt zugunsten der zwischen Pflege und Medizin. Die Referenzliteratur stammt entsprechend mehr aus Pflege und dem Gesundheitswesen und weniger aus der Sozialen Arbeit.

Fazit

Aufgrund des begrenzten Umfangs liegt kein Grundlagenwerk vor, sondern eine gelungene kurze und präzise Einführung und Klärung der relevanten Begriffe, ein wichtiger Beitrag, in der Praxis gewonnene Erfahrungen der Implementierung zu verschriftlichen und damit der Fachdiskussion sowie zur Orientierung bei der Einführung ähnlicher Ansätze zu dienen.

Geschrieben ist der schmale Band für Organisationsverantwortliche aus Medizin, Verwaltung und Pflege, die die Einführung derartiger Projekte gestalten. Auch Mitarbeiterinnen in Sozialdiensten, SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen, dürften die Darstellung mit Gewinn lesen, um den eigenen Einsatzort in seinen Verbindungen mit den anderen Prozessen am Arbeitsort Krankenhaus eingehender zu verstehen.

Rezension von
Prof. Andreas Faßler
Ph.D., Duale Hochschule Baden-Württemberg, Professor für Sozialarbeitswissenschaft und Methodenlehre
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Es gibt 2 Rezensionen von Andreas Faßler.

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Zitiervorschlag
Andreas Faßler. Rezension vom 04.07.2014 zu: Knut Dahlgaard, Peter Stratmeyer: Fallsteuerung im Krankenhaus. Effizienz durch Case-Management und Prozessmanagement. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2014. ISBN 978-3-17-022617-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16650.php, Datum des Zugriffs 09.10.2024.


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