Kurt Gerwig: Aufsichtspflicht in KiGa und Hort
Rezensiert von Jutta Daum, 25.04.2017
Kurt Gerwig: Aufsichtspflicht in KiGa und Hort. Was pädagogisch nachvollziehbar begründet ist, kann keine Aufsichtspflichtverletzung sein.
AV1 Pädagogik-Filme
(Kaufungen) 2014.
29,00 EUR.
Fachliche Begleitung: Prof. Simon Hundmeyer. DVD. Zu beziehen über http://shop.paedagogikfilme.de.
Thema
Die vorliegende DVD greift mit „Aufsichtspflicht in KiGa und Hort“ ein zentrales Thema für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen in Betreuungseinrichtungen auf. Die gängige Aussage, als Erzieher stünde man immer mit einem halben Bein im Gefängnis, bringt die Unsicherheit, diesen Anforderungen gerecht zu werden, deutlich zum Ausdruck. Angst vor einer möglichen strafrechtlichen Verfolgung bei einer vermeintlichen Aufsichtspflichtverletzung führt daher nicht selten zu Einschränkungen im Handlungsfeld der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Dabei gilt es im pädagogischen Alltag, immer wieder abzuwägen, wann Kindern Freiraum gewährt werden soll, wann einzugreifen ist und wann Grenzen gesetzt werden müssen.
Der renommierte Rechtsexperte für den Bereich Kindertagesbetreuung, Prof. Simon Hundmeyer, erläutert an Hand von häufig gestellten Fragen die Rechtslage, wie der pädagogische Auftrag und die übertragene Aufsichtspflicht an pädagogische Fachkräfte in den Betreuungseinrichtungen in Einklang gebracht werden kann.
Herausgeber
Herausgeber ist die AV1 Pädagogik-Filme Kurt Gerwig (www.paedagogikfilme.de). Fachliche Begleitung: Prof. Simon Hundmeyer, Jurist und Professor für Recht, renommierter Rechtsexperte im Bereich des Rechts der Kindertagesbetreuung, verantwortlich als Träger einer Kindertagesstätte.
Aufbau und Inhalt
Die DVD ist in 35 Kapiteln unterteilt und gibt zu folgenden Aspekten eine detaillierte Auskunft:
Verhältnis von Aufsichtspflicht und pädagogischem Auftrag. Die Erziehungsziele wie Selbständigkeit oder Bewegung stehen gleichwertig neben den Anforderungen an die Aufsichtspflicht und sind daher miteinander in Einklang zu bringen. Jedes Handeln, das pädagogisch nachvollziehbar und begründbar ist, kann keine Aufsichtspflichtverletzung bedeuten. Dieses Verhältnis konkretisiert Hundmeyer am Beispiel des Baumkletterns.
Merkmale der Aufsichtspflicht. Wie die Aufsicht durchgeführt wird, ist abhängig vom Kind und den jeweiligen Umständen und Gegebenheiten (wie z.B. im Gruppenraum, Außenbereich, Schwimmbad). Dabei ist der pädagogische Auftrag ausschlaggebend wie die Aufsicht zu führen ist. Grundlage der Aufsichtspflicht ist der Betreuungsvertrag zwischen Kita und Eltern. Die Aufsichtspflicht ist gekennzeichnet durch eine
- Informationspflicht
- Überwachungspflicht
- Eingreifspflicht
Folgen der Aufsichtspflichtverletzung können sein
- arbeitsrechtlich ( als Dienstpflicht ist eine (Ab-)Mahnung möglich)
- strafrechtlich (nicht die Aufsichtsrechtsverletzung, sondern deren Folgen ist an sich strafbar, die Staatsanwaltschaft hat hierzu einen entsprechenden Beurteilungsspielraum und die Beweislast, ob die Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt wurde. Dabei spielen die nachvollziehbaren und begründbaren Erziehungsziele eine maßgebliche Rolle. In diesem Sinne seien Erzieherinnen bisher strafrechtlich noch nie verurteilt worden.
- zivilrechtlich (Haftungsfolge)
Schutz vor Haftungsfolgen sind geregelt durch
- Versicherungen der Betriebshaftpflicht des Träger wie
- der gesetzlichen Unfallversicherung der Kinder
Versicherungsinhalte wie auch Abgrenzungen werden erläutert.
Beginn und Ende der Aufsichtspflicht in Tageseinrichtungen. Die Aufsichtspflicht für die Tageseinrichtung beginnt mit der Übergabe; dazu sollte der Betreuungsvertrag bzw. die Kitaordnung eine entsprechende Vereinbarung festhalten. Entschuldigungen spielen hier eine wichtige Rolle, besonders dann, wenn Kinder vereinbarungsgemäß alleine kommen dürfen. Die Aufsichtspflicht endet mit dem Abholen. Sollte das Kind nicht rechtzeitig bzw. durch Geschwisterkinder abgeholt werden oder alleine nach Hause gehen, sind in Abstimmung mit dem Träger Wege für die verantwortungsgemäße Übergabe zu regeln.
Aufsichtspflicht bei Besonderheiten wird mit Beispiele bei alkoholisierten Personen, bei Trennungen oder gleichzeitiger Anwesenheit von Eltern und Erzieherinnen auf einem Sommerfest erläutert.
Delegation der Aufsichtspflicht. Als delegierbare Verpflichtung ist die Aufsichtspflicht auf jede Person übertragbar, die nicht überfordert ist, über die nötigen geistigen und körperlichen Ressourcen und Erfahrungen verfügt, mit Kindern zu Recht zu kommen (wie z.B. Langzeitpraktikanten, Ehrenamtliche).
Informationen der Unfallkasse werden zum Umgang mit Risiken und Gefahren in Kinderbetreuungseinrichtungen gegeben. Die Bewegungsentwicklung und das motorische Ausprobieren von Handlungsmöglichkeiten gehören notwendigerweise in den pädagogischen Alltag.
Diskussion
Die vorliegende DVD verdeutlicht sehr plausibel, dass pädagogisches Handeln und Aufsichtspflicht keinen Widerspruch darstellen. Es gehört zu einem wichtigen Erziehungsziel von Tageseinrichtungen, Kinder in ihrem Entdecker -und Bewegungsdrang zu fördern und den Umgang mit Risiken und Gefahren zu lernen. Folgen die Fachkräfte in den Einrichtungen einem pädagogisch nachvollziehbar und begründbar Handeln, bei dem die Erziehungsziele klar erkennbar sind, so werden sie ihre Aufsichtspflicht nicht verletzen. Diese DVD stärkt die Fachkräfte darin, die Angebote und Erfahrungsmöglichkeiten für Kinder, an deren Bedürfnissen auszurichten und sich durch eine begründbare Pädagogik nicht mehr von ihren Bedenken und möglichen Ängsten leiten zu lassen.
Fazit
Diese DVD informiert sehr verständlich, veranschaulicht mit vielen Beispielen, über den komplexen juristisch-pädagogischen Sachverhalt der Aufsichtspflicht. Sie ist in hervorragender Weise gut einsetzbar bei Trägern und Fachkräften von Einrichtungen, in der Aus- und Fortbildung sowie auch der Fach-und Dienstaufsicht.
Rezension von
Jutta Daum
Erziehungswissenschaftlerin (M.A.), Gießen
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