Ulla Beushausen: Sicher und frei reden. Sprechängste erfolgreich abbauen
Rezensiert von Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap, 10.04.2014

Ulla Beushausen: Sicher und frei reden. Sprechängste erfolgreich abbauen.
Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2014.
3., durchges. Auflage.
140 Seiten.
ISBN 978-3-497-02452-0.
D: 19,90 EUR,
A: 20,50 EUR,
CH: 28,50 sFr.
Thema
Haben Sie als Schüler/in, Auszubildende/r, Student/in, Arbeitnehmer/in oder in bestimmten Situationen auch als Arbeitgeber/in oder Chef/in (z. B. einer Konferenzleitung) oder als Manager/in oder Sprecher/in im Medienbereich Angst, Fragen zu stellen oder spontan zu beantworten? Fällt es Ihnen schwer, in einem „Smalltalk“ ein unverbindliches Gespräch locker zu führen? Wie unterhalten Sie sich mit „Autoritätspersonen“? Können Sie einen strukturierten Vortrag oder längeren Redebeitrag in einer Gruppe oder gar der „Öffentlichkeit“ wirkungsvoll leisten? Wie kommunizieren Sie mit Ihrer Stimme und nonverbal durch Ihre Körpersprache? Wenn Sie diese Fragen verneinen bzw. sachlich begründet beantworten können, gibt Ihnen dieses Buch keine neuen Informationen. Anderenfalls lesen sie es, arbeiten es (mit den Trainingsbausteinen) durch und lernen, sicherer zu kommunizieren und zu leben. Das kann jeder (so die Autorin im Vorwort, S. 10).
AutorIn
Prof. Dr. phil. Ulla Beushausen, M. A., ist Professorin für Logopädie an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen.
Aufbau
Nach dem Vorwort und vor einem Schlusswort (138) sowie Literaturangaben (139 f.) ist das Buch wie folgt gegliedert (und drucktechnisch hervorgehoben untergliedert):
- Was ist Sprechangst (12 ff.)
- Angst vor der Angst (44 ff.)
- Erste-Hilfe-Kasten bei Sprechangst (60 ff.)
- Sicher reden – Was ist das? (66 ff.)
- So können Sie Ihre Sprechängste überwinden (73 ff.)
- Stolpersteine auf dem Weg (134 ff.)
Inhalt
Im 1. Kapitel wird theoretisch differenziert das Thema Sprechangst entfaltet und durch Beispiele erläutert. Sie ist die „am weitesten verbreitete Angst in der Bevölkerung“ (13) und wird psychologisch als leichte Form von Sozialangst, in ihrer krankhaften Form als Logophobie bezeichnet (14). Folgt man der behavioristischen Auffassung, dass Sprechangst ein erlerntes Verhaltensmuster ist (27), kann dieses Verhalten auch wieder verlernt werden (13). Andere Ursachen können innerpsychische Konflikte, das individuelle soziale Umfeld oder prägende Ereignisse im Laufe des Lebens sein (27 ff.). Allerdings ist nicht auszuschließen, dass es auch „eine Veranlagung zur Unsicherheit gibt“ (32). Mithilfe eines Fragebogens kann jeder/e Lesende seine/ihre individuelle Ursachenforschung betreiben (33 ff.) und in ein von der Autorin entwickeltes Entstehungsmodell von Sprechangst einordnen (41 ff.).
Der Frage „Angst vor der Angst?“ wird im 2. Kapitel nachgegangen. Jede(r) kann ihren/seinen Angstkreislauf, ja „Teufelskreis Angst“, erstellen (44 ff.), der an drei Stationen durchbrochen werden kann: auf der gedanklichen Ebene, bei körperlichen Symptomen und beim Sprechverhalten (48 ff.), was durch einen aussagestarken Test höchst persönlich analysiert werden kann. Die Lesenden werden anschaulich zum Erstellen ihrer Angsthierarchie geführt.
Eine mögliche Hilfe, die Sprechangst vielleicht kurzfristig (vor einer längeren Therapie) „in den Griff“ zu bekommen (60), ist ein im 3. Kapitel vorgestelltes „Notprogramm“ (64). Tipp 1 der „Zehn Tipps für Eilige“ (60 ff.) ist z. B.: „Als Erster sprechen“. Risiken und Nebenwirkungen werden aufgezeigt. Nicht dazu gehören: Alkohol, Koffein und Medikamente (64 f.).
Die Frage des 4. Kapitels (Titel s. o.) nach der sprecherischen Kompetenz wird wenig aussagestark definitorisch als „goldene Mitte zwischen den beiden Extremen Aggressivität und Selbstunsicherheit“ (68) beantwortet und für die verbale und nonverbale Ebene erläutert, wobei der vokalen Ebene (dem Klang der Stimme) große Bedeutung zugemessen wird. Kriterien selbstsicheren, unsicheren und aggressiven Verhaltens werden tabellarisch aufgezeigt (70) und erläutert.
Das umfangreichste 5. Kapitel dient mit seinem Programm dem individuellen Training selbstsicheren Verhaltens der Lesenden und zur Überwindung ihrer Sprechängste und damit den aktiv „Mitarbeitenden“ mit diesem Buch. Die sechs Trainingsbausteine (73 ff.) sind in drei Blöcke gegliedert mit Techniken zur Kontrolle
- der körperlichen Aufgeregtheit: Atemtechnik und Entspannung,
- von besorgten Gedanken: innerer Film und Veränderung der Gedanken,
- des Verhaltens: Sprechfertigkeit und systematisches Training.
So gibt es Atemübungen zur Atemtechnik, zur Sprechatmung und zur Anti-Stress-Atmung. Auch durch Entspannungsübungen können „die körperlichen Symptome von Angst aktiv beeinflusst werden“ (80). Das können die Lesenden ausführlich trainieren, um zu erkennen, dass Angst und Entspannung nicht gleichzeitig auftreten können (87). „Mit der Technik des inneren Films können Sie sicheres Sprechverhalten Szene für Szene trainieren und sich positiv auf das Sprechen einstimmen“ (91). Da unsere Gedanken „oft erst die Ursache für unsere Gefühle“ und unser Verhalten sind (93) und häufig sogar die „Form eines Befehles“ annehmen (95), ist unsere Wahrnehmung nicht objektiv (100). Es gilt, das „Drehbuch“ zu ändern (108 f.). Im 5. Trainingsbaustein ist die Sprechfertigkeit zu trainieren (110 ff.), und zwar unter der Leitmaxime der Autorin, dass sicher zu reden bedeutet, die eigene „Persönlichkeit sicher äußern (zu) können: im Dialog, im Smalltalk, im Äußern von Forderungen oder Kritik sowie in der Körpersprache und Sprechstimmlage“. Abschließend erfolgt systematisches Training unter dem „Grundprinzip des Handelns“ (125 ff.). Denn: „Handeln ist die Voraussetzung zur Erlangung von mehr Sprechsicherheit“ (133).
Mit Stolpersteinen auf diesem Weg – als 6. Kapitel - beendet die Autorin ihre „Strategie der kleinen Schritte“ – auch mit Humor (134 ff.).
Diskussion
Die Autorin konstatiert abschließend, dass die Lesenden „nun viele wirksame Techniken kennen gelernt (haben), wie Sie ihre Angst besser analysieren und sich selbst positiv verändern und weiterentwickeln können“ (138). Diese Techniken gilt es „zu nutzen“! Dies ist wörtlich zu verstehen, was sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch zieht und im 6. Baustein des Trainingsprogramms zum Höhepunkt geführt wird (s. o.). Ist dies durch die Lektüre eines noch so anschaulich geschriebenen und gestalteten Buches erreichbar? Zumindest stellt es hohe Anforderungen an die Selbstdisziplin der lernenden Lesenden!
Fazit
Jede(r) – Beispiele aus vielen Lebens- und Arbeitsbereichen werden zahlreich genannt –, die/der bewusst kommuniziert und damit (vielleicht noch unbewusst) sich in seiner Persönlichkeit offenbart, ist durch dieses Buch angesprochen und „betroffen“. Denn: Angstsituationen – unterschiedlichster individueller Art – erlebt im kommunikativen sozialen Umgang mit Anderen jede(r). Dieses Lehr-, Lern- und Arbeitsbuch zum scheinbar formalen sicheren und „freien“ Reden durch das Abbauen von Sprechängsten geht also weit darüber hinaus und dringt in wesentliche Zusammenhänge der menschlichen Persönlichkeit und damit Individualität ein, entfaltet sie und leistet dabei einen Beitrag zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung sowie zum Bewusstmachen, dass auch (oder gerade?) durch das Sprechen die individuelle Persönlichkeit den Kommunikationspartnern offen gelegt wird. Wer dazu bereit ist, greife zu diesem interessanten, anschaulich geschriebenen und gestalteten Buch, dem leider ein Sachregister fehlt. Wie Berichte zeigen, hilft es erfolgreich, Sprechangst zu überwinden und die eigenen Sprechgewohnheiten zu verbessern. Die Autorin lüftet durch ihren interdisziplinären Ansatz den Schleier, der Sprechängste umhüllt, nicht nur „ein wenig“ (wie sie in ihrem Schlusswort betont), sondern weit durch diese „effektive Anleitung zur Selbsthilfe“ (wie es im Klappentext heißt).
Rezension von
Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap
Ltd. Regierungsschuldirektor a. D.
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Zitiervorschlag
Klaus Halfpap. Rezension vom 10.04.2014 zu:
Ulla Beushausen: Sicher und frei reden. Sprechängste erfolgreich abbauen. Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2014. 3., durchges. Auflage.
ISBN 978-3-497-02452-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16677.php, Datum des Zugriffs 16.05.2022.
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