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Bernd Schmid (Hrsg.): Systemische Organisationsentwicklung

Rezensiert von Prof. Dr. Wolfgang Klug, 13.05.2014

Cover Bernd Schmid (Hrsg.): Systemische Organisationsentwicklung ISBN 978-3-7910-3281-8

Bernd Schmid (Hrsg.): Systemische Organisationsentwicklung. Organisationskultur und Change gemeinsam gestalten. Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH (Stuttgart) 2014. 278 Seiten. ISBN 978-3-7910-3281-8. D: 49,95 EUR, A: 51,40 EUR, CH: 67,00 sFr.
Reihe: systemisches Management.

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Thema

„Wie schafft man es, Veränderungen langfristig in Unternehmen zu verankern? Wie werden alle Mitarbeiter zu aktiven Gestaltern? Indem man Veränderungen nicht einfach von außen implementiert, sondern alle mit ins Boot holt, um der Organisation eine neue Richtung zu geben, die sowohl dem Unternehmen als auch den in ihr arbeitenden Menschen entspricht. Das leistet die systemische Organisationsentwicklung: ein durch Erleben entstandenes und im Handeln verankertes Verständnis dessen, worauf es in der Organisation ankommt. Der Autor beleuchtet die relevanten Grundlagen, Methoden und Arbeitsweisen und veranschaulicht sie mit Fallbeispielen renommierter Unternehmen. Das Buch liefert Beratern, Coaches, Trainern, aber auch internen Personalentwicklern, Organisationsentwicklern und Führungskräften eine kraftvolle methodische Basis und beispielhafte Vorgehensweisen für komplexe Organisationsentwicklungsprojekte.“ (Klappentext)

Herausgeber und Autoren

Dr. Bernd Schmid ist Gründer und Leitfigur des Instituts für systemische Beratung (isb) in Wiesloch. Der Verlag stellt ihn vor als Ehrenvorsitzender des Präsidiums des Deutschen Bundesverbands Coaching DBVC, als Ehrenmitglied der Systemischen Gesellschaft SG sowie als Preisträger internationaler Gesellschaften und als einer der Vordenker systemischer Ansätze. Zahlreiche Publikationen (Bücher, Audios, Videos) zum Thema. Bernd Schmid ist Preisträger 2014 des „Life Achievement Awards“, u. a. verliehen vom Dachverband der Weiterbildungsorganisationen.

Fast alle im Buch vertretenen Autoren sind Lehrtrainer oder sonst verbunden mit dem isb Wiesloch.

Aufbau

Das Buch umfasst drei Teile.

Zu Teil 1: OE als Entwicklung menschlicher Systeme

1. Der ISB-Ansatz zur Organisationsentwicklung (Autor: Bernd Schmid). Im ersten Abschnitt werden fünf Positionen des Instituts für systemische Beratung im Überblick dargestellt und anschließend erläutert. Kerngedanke dieser Positionen: Organisationsentwicklung (OE) darf nicht bei den Inhalten beginnen, sondern muss primär die Lernkultur der Organisation in den Blick nehmen. Leitthemen hierfür sind:

  • Welche Bilder von OE gibt es?
  • Welcher Kompetenzerwerb wird fokussiert (Rollen, Strukturen, Prozesse …)?
  • Dienst ist Dienst (Thema: das „Zusammensein“ in einer Organisation)
  • Wesensentwicklung von Organisationen
  • Bewährte isb-Konzepte und Prinzipien (z. B. Rahmenklärungen und Kontrakte, realistisch getimtes und umsichtiges Vorgehen, kristallisierendes Vorgehen und Probeinszenierungen, multiplikationsfähige Anlage, komplexitätskontrollierendes Vorgehen, Transferprobleme minimierendes Vorgehen u. a.)
  • Kultur-Prinzipien in allen Teilprozessen sichern
  • Dialogisches und exemplarisches Vorgehen (Dialog der Führungskräfte als „Verantwortungsgemeinschaft“)
  • Vertikale Teamentwicklung
  • Werkstätten als Medium des OE-Lernens

Diese Themen werden alle sehr kurz abgehandelt (S. 7 bis S. 23).

2. Reifegrade von Professionellen und Organisationen (Autor: Bernd Schmid). Das Thema dieses Kapitels wird auf Seite 27 folgendermaßen dargestellt: „Gerade unrealistische Vorhaben sind oft von unreflektierten Ambitionen oder Ängsten diktiert. Kritische Begutachtungen können hier Kränkungen oder gar Verzweiflung auslösen. (…) Dabei ist eine realistische Einschätzung von Reifegraden der Organisation, des Umfeldes und der wichtigen Individuen eigentlich die Voraussetzung dafür, schädliche Wagnisse zu vermeiden und sinnvolle Vorhaben zum Erfolg zu führen.“ (S. 27)

Zur Reifegradbestimmung wird ein „Praxis-Kasten Reifegradeinschätzung“ vorgelegt (S. 29/30). Mit dem Thema „Didaktische Herausforderung im Umgang mit Reifegraden“ und einer „Orchester-Metapher“ endet das Kapitel auf S. 33.

3. Wie und wozu soll Kultur gestaltet werden? (Autor: Bernd Schmid). „Gestaltet die Anfänge!“ heißt es hier programmatisch und beginnt mit einem Praxis-Beispiel zur Kulturveränderung, in dem eine (interne) Führungskraft mit systemischen Fragen einen Workshop gegen die Wand fährt, während der (externe) Berater den Prozess geschickt rettet.

Wir lernen das isb-Kulturverständnis kennen („Kultur ist ein Sammelbegriff dafür, wie Wirklichkeit bewusst und unbewusst, gewohnheitsmäßig oder kreativ gemeinsam gestaltet wird.“, S. 38), erfahren etwas über den isb-Slogan („letztlich entsteht Kultur durch Kultur und Beispiele machen Schule“, S. 39), über „Kulturentwicklung als Medium der Organisationsentwicklung“, während dann unerwartet und etwas quer zum Duktus das Kapitel „Kultur wird hipp“ (Unterkapitel: Professionskulturen, Verbandskultur und Unternehmertum, Lernkulturen, die isb-Lernkultur) eingefügt wird. Es folgen ebenfalls sehr kurz: Systemintelligenz und Kultur, internationale Kulturbegegnung sowie Persönlichkeit und Kultur. Das Kapitel wird beendet mit der schönen „Wieslocher Kompetenzformel“: persönliche Kompetenz im Beruf = Rollenkompetenz mal Kontextkompetenz mal Sinn/Passung. Der Leser befindet sich auf S. 49.

4. OE-KE-bezogenes Coaching (Autoren: Marc Minor und Bernd Schmid). Nach dem Stakkato der ersten 50 Seiten ist das Konzept der Einbettung von Coaching in Organisationsvorhaben etwas ausführlicher dargestellt. Es ist ein spannendes Kapitel, in dem es darum geht, „Reifegrade von Teamplayern“ festzustellen und „daraus Konsequenzen für das Vorhaben und Maßnahmen für organisationales Lernen abzuleiten“ (S. 54). In dieser nicht ganz unproblematischen Form des Coachings entwickelt jeder Player „sein Reifegrad-Profil bezogen auf das Vorhaben“ (S. 55), dabei wird offen unter den Teilnehmern diskutiert, wie die kompetenteren Player die weniger kompetenten fördern können. Wem das nicht gefällt, kann es selbstverständlich auch sein lassen. Aber: „Wer das Scanning nicht mitmachen mag, kann auch keine wesentliche Funktion wahrnehmen, also zum Pool derer gehören, die wesentliche Gestaltungsrollen wahrnehmen.“ (S. 55) So ist wohl das zu verstehen, was die Autoren „freiwilliges Pflicht-Coaching“ nennen (S. 52).

Zu Teil 2: OE-Praxis heute und morgen

1. Organisationsentwicklung heute (Autor: Markus Schwemmle). Markus Schwemmle geht OE noch einmal ganz grundsätzlich an: „Was will Organisationsentwicklung?“ fragt er sich und uns und arbeitet zentrale Problemfelder der OE heraus. Da ist zum einen der „Umgang mit Komplexität in der Organisationsentwicklung“, was zu zwei Extremen führen kann: Entweder man beantwortet die Komplexität mit dem Versuch, alles zu erfassen, und überfordert sich (und andere), oder man simplifiziert („simplify“), was zu unterkomplexen Lösungen führt. Seine Lösung: „Es geht wahrscheinlich dann um die gute Wahl wirkungsvoller Perspektiven und um die Ehrlichkeit des Beraters, im Auftreten nicht zu vermitteln, dass jede Heuristik die vollkommene Wahrheit sei.“ (S. 64) Mit dem „Dreieck der Organisationsentwicklung“ wird ein „Klassiker“ der OE kurz referiert, während das Kapitel „Kampagnen/Campaigns“ von Veränderung durch mitreißende Inszenierung und Kulturentwicklung durch Missionierung der Organisation handelt. Im Abschnitt über „Multiplikatorbasierte Ansätze“ wiederum werden u. a. folgende Themen angerissen:

  • Überzeugte Schlüsselpersonen helfen anderen (Frage der Wirkung von Multiplikatoren)
  • Spannung zwischen Linienorganisation und Change-Organisation (Parallelorganisation durch Change-Agenten)
  • Multiplikatoren als standardisierte Veränderer
  • Veränderung im Schneeballsystem

Der Abschnitt „Change by Consulting – ich sage Dir, wie es besser geht“ behandelt eine Reihe von „Missverständnissen“ (z. B. „Es geht ohne Personenqualifizierung“, „Wer nicht mitmacht, wird ersetzt“, „Fertig ohne Umsetzung“, „Retterdynamik im Krisenfall“). Der Artikel beinhaltet auf den nächsten zehn Seiten noch zwölf weitere Kapitel (Change by Toolbox, Toolfabriken überschwemmen die Organisation, Trugschluss der Geschwindigkeit durch zentrales Handeln, Vorgaben von Finanzkennzahlen, Kotter´s 8-Step Change Model, ein Beispiel für Versuch und Irrtum, Vorgaben von neuen Fähigkeiten/Fertigkeiten/Skills, Kompetenzmanagement steuert die Skills der Mitarbeiter, Einführung Kompetenzmanagement im Großkonzern, Vorgaben neuer Strukturen, Restrukturierung, Zusammenschluss von Einheiten oder Organisation).

2. Heuristiken erfahrener Organisationsentwickler (Autor: Markus Schwemmle). In diesem Kapitel geht es um „Heuristiken“, womit der Autor „Vorgehensmomente, mentale Modelle oder Landkarten“ meint, „die auf ihre Art nicht so sehr wissenschaftliche Gesichtspunkte erfüllen (…), sondern vor allem praktisch und wirksam sind.“ (S. 87). Dazu werden drei Interviews geführt: mit Rudi Wimmer – Leadership Task Fields, Alexander Exner – Unternehmens(Selbst)Steuerung, und Marianne Grobner – Angewandte Organisationsentwicklung.

3. OE- und KE-Lernen (Autor: Bernd Schmid). KE bedeutet Kulturentwicklung. „In diesem Kapitel werden einige Arbeitsformen für das mit jedem OE-Vorhaben einhergehende Lernen beschrieben.“ (S. 119) Nach den schon im ersten Kapitel häufigen Verweisen auf die isb-Verfahrensweisen werden einige konkrete Methoden dargestellt:

  • Design OE-Werkstatt
  • Übungen Reifegrade

Es folgen weitere Abschnitte, die überschrieben sind mit „Kompetenzklärung und Passungsdialoge“, „Verantwortungsdialoge“, „Wirklichkeitsverständnisse abgleichen“, „Spiegelung und innere Bilder“, „Rollenvereinbarung und Rollensicherheit“, „Integrationsorientierte Professionalisierung“.

4. Interner Workshop OE-KE-Lernen – Verantwortungsdialoge (Autorin: Irmina Zunker). Die Autorin ist Lehrtrainerin am isb und beschreibt die „Lernphilosophie“ des isb Wiesloch. Sie macht dies am Praxisbeispiel eines „internen OE-Lern-Workshops“ deutlich.

5. Coachingbasierte Organisationskulturentwicklung (Autor: Marc Minor). Hier findet sich ein sehr anschauliches Beispiel einer OE-Maßnahme von der Anfrage des Unternehmens über den Start-Workshop und dem Vier-Augen-Interview mit den Geschäftsführern im Plenum bis hin zum Fazit aus dem Workshop. Sehr konkret werden an diesem Beispiel die Wirkungsweisen deutlich, die der Autor „Verantwortungsdialog“ nennt.

6. Kulturentwicklung komplex und konkret – aus der Praxis eines globalen Mittelstandsunternehmens (Autor: Volker Köhninger). Die Frage des Autors lautet: „Wie kann großflächige Kulturentwicklung in einem Unternehmen mit 10.000 Mitarbeitern sichtbar überhaupt gelingen? (…) Welche beraterischen Fähigkeiten und Konzepte braucht es, um eine auf Jahre angelegte KE zu initiieren und erfolgreich zu unterstützen?“ (S. 163) Der Autor schildert einen Projektverlauf. Die einzelnen Stationen der Projektdarstellung:

  • Der Kunde
  • Unser Einstieg im Kunden-Unternehmen
  • Eine Vision soll „verkündet“ werden
  • Eine dialogische Großgruppen-Veranstaltung
  • Auftrag zur Kulturveränderung
  • Unsere Kernkompetenz: Architektur- und Design-Arbeit
  • Phase 1: Kulturerhebung mit Bildern
  • Phase 2: Definition einer Soll-Kultur
  • Phase 3: Implementierung der Soll-Kultur

Zu Teil 3: Weitergehende Betrachtungen

1. Zum Thema System (Autor: Bernd Schmid). „In diesem Kapitel werden System und systemisch und verschiedene Verständnisse von System unterscheiden (sic!). Hierzu ist eine Metabetrachtung notwendig, die den Betrachter ins Bild holt.“ (S. 193) Hier wird eine etwas eigenwillige Definition von „System“ vorgelegt („System ist kein Ding an sich, sondern ein Ding aus der Sicht eines Betrachters“, S. 193).

Es folgen Erläuterungen zu den Themen „System und Umwelt“ sowie drei Arten von Systembeschreibungen (Struktursystem, Funktionssysteme, menschliche Systeme).

Im Abschnitt „Systemverständnisse und OE-Ansätze“ findet sich der prägnante Satz: „Und da neue Kulturkomponenten nur selbstragend und wirksam werden, wenn die Menschen sich in ihrem Sinn- und Kulturverständnis angesprochen fühlen, gehört dieses ins Blickfeld. Wie in Kap. 4 bereits erläutert, stabilisiert sich Kultur nur dann, wenn sie in vielfältiger Weise gegenseitig aktiviert und eingeübt wird. Daher macht es Sinn, wenn dies in OE und KE mit den Akteuren und zunächst mit den Schlüsselfiguren eingeübt wird.“ (S. 197)

2. Wie viel Mensch? Wie viel Organisation? – die beiden Perspektiven bei der OE (Autor: Bernd Schmid). Dieser Artikel beantwortet die Frage, ob OE Menschen aus Organisationssicht oder Organisationen aus Menschensicht betrachten soll.

Als „Beitrag zu einem wissenschaftlichen Diskurs“ bezeichnet der Autor einen Brief, den er einem befreundeten Organisationsberater nach dessen Vortrag mit Diskussion geschrieben hat.

3. OE oder Changemanagement? (Autor: Bernd Schmid). „In diesem Kapitel werden die Begriffe Organisationsentwicklung und Changemanagement auf ihre Wortbedeutung untersucht und voneinander unterschieden.“ (S. 209)

Den Duktus dieses Artikels kann man der Gliederung entnehmen:

  1. Worum es geht (S. 209)
  2. Metabetrachtungen (S. 210)
  3. Organisationsentwicklung (S. 212)
    1. Organisation (S. 212)
    2. Entwicklung (S. 212)
    3. Organisationsentwicklung (S. 212)
  4. Changemanagement (S. 213)
    1. Change (S. 213)
    2. Management (S. 213)
    3. Changemanagement (S. 214)
  5. Changemanagement oder OE? (S. 214)
  6. Gedankenspiele anhand eines metaphorischen Beispiels (S. 215)

4. Die elastische Organisation (Autorin: Dagmar Wötzel). Nach Klären der Ausgangslage und vermuteter Faktoren für verbreitetes Scheitern werden Erfolgskriterien für strategische Projekte genannt. Die eigentliche These des Beitrages („Elastizität als strategisches Ziel“) wird nunmehr entfaltet. Bei „Elastizität“ geht es um die Anpassungsfähigkeit einer Organisation, die „erfolgreich ihre Routine schaffen und auch gut mit selbst erzeugter oder von außen geforderter Innovation oder Störung umgehen kann.“ (S. 222) Faktoren für eine elastische Organisation werden ebenso genannt wie die Dimensionen für Elastizitätsentwicklung (Belohnungssystem, Implementierung, Pflege einer „elastischen“ Kultur, Kooperation und Vertrauen, Elastizitätskurator/in). Der Artikel ist didaktisch aufgelockert mit einem fiktiven Fallbeispiel, das sich durch den ganzen Text zieht.

5. Die gesunde Organisation (Autor: Thorsten Veith). „Bei der Frage nach der Entwicklung von Organisationen als menschliche Systeme geraten Organisationen als humanes Arbeitsumfeld in den Blick. Gerade heute, wenn die Phänomene Burnout, innere Kündigung und die Zunahme seelischer Krankheiten auf den Titelblättern der Massenmedien und als Thema der öffentlichen Diskussion präsent sind, stellt sich die Frage nach krankheitsauslösenden und insbesondere nach gesundheitsfördernden Bedingungen gesunden Arbeitens und Leistens neu.“ (S. 233) In diesem Kapitel geht es also um den Zusammenhang von Organisation und Gesundheit, aber auch von Salutogenese und Pathogenese innerhalb einer Organisation. Gesundheit wird als Systemqualität wahrgenommen und die Rolle von Führungskräften als Kulturprotagonisten hervorgehoben.

Da – so die durchgängige These des Buches – für alles ein gewisser „Reifegrad“ nötig ist, wird auch hier der Reifegrad untersucht. In den Abschnitten „Arbeiten mit Reifegraden zum Thema Gesundheit – ein Diagnose- und Ressourcenmodell“ und „Reifegrad-Dimensionen zu Gesundheit“ wird ein Fragenkatalog angeboten, um die Reifegrade der Organisation (institutionelle Entwicklung) und der Person (persönlich-professionelle Entwicklung) zu erfassen.

6. Die vernetzte Organisation (Autoren: Martin Lindner und Lutz Berger). Ausgehend von dem, was die Autoren (laut Personenverzeichnis übrigens die beiden einzigen, die nichts mit dem isb Wiesloch zu tun haben) „digitalen Klimawandel“ nennen, beschreiben sie die Umwälzungen durch die Digitalisierung. Das hört sich dann so an: „Und so schreiben wir auch diesen Aufsatz gemeinsam auf einem Etherpad, einer Website, auf der man in Echtzeit gemeinsam Texte schreiben und bearbeiten kann. Das Konzept wurde in Skype-Audiokonferenzen erarbeitet, ergänzt durch Chat und Google. Nebenbei stellt Lutz Videos in seinen YouTube-Kanal, der inzwischen eine Million Abrufe erreicht hat. Martin diskutiert das Exposé eines Buchs (…) mit seiner gleichnamigen Netz-Community auf Google+, die in wenigen Monaten über 1000 Mitglieder erreicht hat. Und nebenher folgen beide den Twitter-Kurznachrichten aus ihrem Netzwerk, wo jeden Tag Hunderte von Impulse (sic) und Lebenszeichen von -zig (sic) verschiedenen Leuten aufblitzen, die in der Regel durch nichts vernetzt sind als durch gemeinsame Themen, Interessen und Tonfälle.“ (S. 247)

(Der Rezensent kommt sich gerade sehr einsam vor, so alleine vor seinem Uralt-PC ohne Skype, Twitter, Blog und ohne dass irgendeine Community aufblitzt …).

Die Konsequenzen für die OE: vom Archiv zum Fluss, von der Linienorganisation zur vernetzten Organisation, „auf dem Weg zur Netzwerk-Organisation“.

7. Anhang: Abschlussberichte isb-Curricula

Diskussion

Im Laufe der vielen Jahre, in denen der Rezensent berufsmäßig Texte verarbeitet, haben sich zwei Typen von lesenswerten Büchern herauskristallisiert: Da sind zum einen wissenschaftlich fundierte Grundlagentexte, deren Stärke darin besteht, dass sie den Wissensstand eines Fachgebietes mit wissenschaftlicher Expertise zusammenfassen. Zum anderen gibt es gut gemachte Praxisbücher, die munter aus der eigenen Erfahrung berichten und den Leser einladen, einen Blick in die „Werkstatt“ des Autors zu werfen. An beiden Typen hat der Rezensent Gefallen gefunden. Wie ist das jetzt vorliegende Buch einzuordnen? Es ist jedenfalls kein wissenschaftliches Werk, vermutlich will es das auch nicht sein. Von den acht Seiten Literaturverzeichnis sind vier Seiten nur Werke des Herausgebers, was einerseits darauf hindeutet, dass er unglaublich viel und fleißig publiziert, zum anderen aber zeigt, dass zumindest in diesem Buch kein großer Wert auf „Fremdreferenz“ gelegt wird. Für diesen Befund spricht auch, dass Thesen meist mit Erfahrungswissen des isb Wiesloch begründet werden, nicht etwa mit wissenschaftlich abgesichertem Wissen. Besonders im ersten Teil ist von „bewährten isb-Ansätzen“, isb-Prinzipien, isb-Slogans, isb-Curricula etc. die Rede, der Leser des Buches wird auf Publikationen des Herausgebers verwiesen. Ob dort wissenschaftliche Quellen verarbeitet sind, entzieht sich dem Leser dieses Buches (aber nur um dieses kann es in unserer Rezension gehen). Wer sich also hauptsächlich auf sich selbst bezieht und gleichzeitig die wenigen verwerteten Studien (z. B. Ernst & Young, S. 69) zwar nennt, aber nicht zitiert, wo die Quelle zu finden ist, scheint nicht primär interessiert an einem wissenschaftlichen Diskurs. Er ist sich seiner Sache auch ohne Fremdreferenz sicher, positiv gesprochen: Er hat offenbar sicheres Erfahrungswissen.

Also ein Praxisbuch? Ja, zumindest im zweiten und auch teilweise im dritten Teil dürfen wir durchaus einen Blick in die „Küche“ des Organisationsberaters werfen. Der zweite Teil des Buches ist sicher dessen „Haben-Seite“, besonders gut fand der Rezensent den Artikel von Marc Minor, der anhand eines Fallbeispiels die Praxis der OE sehr gut charakterisieren konnte; auch Bernd Schmid zeigt hier anhand praktischer Beispiele seine „OE-Werkstatt“ sehr konkret und anschaulich. Was mit „sofort einsetzbaren Praxistools“ (Werbetext des Verlags) gemeint ist, ist nicht so recht auszumachen. Da wir aber die Skepsis gegen „Toolfabriken“ des Autors Markus Schwemmle („A fool with a tool is still a fool“) gut verstehen, erscheint das vertretbar (warum der Verlag „Tools“ in den Mittelpunkt der Werbung stellt, erschließt sich aus dem Inhalt des Buches nicht). Doch auch ohne viele Tools ist eine Reihe sicherlich brauchbarer Praxismethoden referiert, insbesondere ist die allen gemeinsame Philosophie der Organisationsveränderung durch Kulturveränderung in den praxisorientierten Kapiteln sehr gut nachvollziehbar. Authentische Erfahrungen sind für den Praktiker sicher ebenso wertvoll wie manche Theorie.

Was auffällt, ist die dauernde Referenz auf das isb Wiesloch. Da man als Leser von Volker Köhninger gelernt hat, dass man Gedanken auch mal in Metaphern und Bilder ausdrücken kann, sei das hier versucht: Dem Rezensenten erscheint es bisweilen so, als sei das Buch eine Art Familientreffen, wo der „Vater“ (genannt „Leitfigur“) von seinen eigenen reichhaltigen Erfahrungen spricht und diese in manch flipcharttaugliche Grafik und gelungenem Sinnspruch („Gas geben ist nur empfehlenswert, wenn die Spur stimmt …“, S. 17) verpackt. Die „Kinder“ (genannt „Lehrtrainer“) erzählen ihre eigenen Geschichten und zeigen, dass sie dem Geist der Familie verbunden sind. Deshalb ist es nicht nötig, die einzelnen Theorien ausführlich darzustellen, denn in der „Familie“ genügen Andeutungen, und alle wissen Bescheid. Als Nicht-„Familienmitglied“ steht man etwas außen vor, und als interessierter Leser hätte man gerne weniger Überschriften und mehr Hintergründe, insbesondere im ersten Teil.

Ganz im konstruktivistischen Sinne sei eine letzte Anmerkung erlaubt: Der Rezensent ist Wissenschaftler, und als solcher vermisst er die Außenreferenz, die nur ansatzweise vorhanden ist (z. B. im Artikel von Veith, der wissenschaftlich gut anschlussfähig erscheint), die drei Interviews nach den Heuristiken sind ein (wenn auch sehr „zahmer“) Versuch, für den man in diesem Buch dankbar ist. Ebenso freut man sich über die frische und unkonventionelle Art des Aufsatzes von Lindner/Berger, vor deren Welt man staunend steht. Mithilfe von Außenreferenz, mit der nach Luhmann das eigene System „irritiert“ (und damit verändert) werden kann, könnte auch die Frage geklärt werden, was denn an diesem Ansatz „systemisch“ ist, wenn Praktiker schon, wie auf der ersten Seite bekannt wird, nur mit „geistiger Verrenkung“ (S. 1) so denken können wie Luhmann. Wenn „systemisch“ nicht bloß, wie derzeit inflationär üblich, als Werbeikone benutzt wird oder die eigenen Ideen mit einem guten Label garnieren soll, braucht man sie halt doch, die gute, alte Theorie. Man muss darlegen, was die „scientific community“ dazu meint, seine eigene Position davon abgrenzen oder eingliedern in das, was andere zu diesem Thema schon geschrieben haben – jedenfalls würde sich das der Rezensent wünschen.

Ausstattung

Man nimmt das Buch gerne in die Hand, denn es ist gut ausgestattet: So sind Praxisbeispiele in Kästen abgesetzt, praktische Übungen sind optisch und grafisch gut, die Abbildungen ansprechend gestaltet. Man würde sich noch ein Stichwortverzeichnis wünschen, aber man kann ja nicht alles haben.

Fazit

Wir haben es mit einem ausgesprochen praxisorientierten Fachbuch zu tun, das denen zu empfehlen ist, die sich für Organisationsentwicklung unter dem besonderen Aspekt der Kulturentwicklung interessieren.

Rezension von
Prof. Dr. Wolfgang Klug
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Fakultät Soziale Arbeit
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Es gibt 56 Rezensionen von Wolfgang Klug.

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Zitiervorschlag
Wolfgang Klug. Rezension vom 13.05.2014 zu: Bernd Schmid (Hrsg.): Systemische Organisationsentwicklung. Organisationskultur und Change gemeinsam gestalten. Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH (Stuttgart) 2014. ISBN 978-3-7910-3281-8. Reihe: systemisches Management. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16709.php, Datum des Zugriffs 16.10.2024.


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