Fritz B. Simon: Einführung in die (System-)Theorie der Beratung
Rezensiert von Dr. Thomas Damberger, 23.06.2014
Fritz B. Simon: Einführung in die (System-)Theorie der Beratung.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2014.
128 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0031-7.
D: 13,95 EUR,
A: 14,40 EUR,
CH: 20,50 sFr.
Reihe: Compact.
Thema
Der vorliegende Band führt in die Theorie der Beratung ein. Beratung wird dabei als ein kommunikativer Prozess verstanden, der unterschiedliche Sinndimensionen umfasst. Simons „Einführung in die (System-)Theorie der Beratung“ will sowohl Beratern als auch Ratsuchenden eine Orientierung bieten und „eine gewisse Ordnung in den chaotisch anmutenden Markt der Beratung und der Beratungsmethoden bringen“ (9).
Autor
Fritz B. Simon ist promovierter Mediziner. Er habilitierte 1987 im Bereich Psychosomatik und Psychotherapie, ist Gründer der Carl-Auer-Systeme Verlags-GmbH, Mitbegründer der Management Zentrum Witten GmbH und der Simon, Weber and Friends, Systemische Organisationsberatung GmbH. Simon ist neben seiner Tätigkeit als Autor zahlreicher Fachbücher als Systemischer Organisationsberater, Psychiater, Psychoanalytiker und systemischer Familientherapeut tätig.
Aufbau und Inhalt
In insgesamt acht Kapitel führt der Autor in die Beziehung zwischen Berater und Klient bzw. Kunden ein und analysiert aus einer systemtheoretischen Perspektive die Logik des Beratungsprozesses. Beratung ist, so Simon, im Wesentlichen ein Kommunikationsprozess, der aus drei Sinndimensionen besteht: Sach-, Sozial-, und Zeitdimension.
Kapitel 1 („Der Berater und sein Klient/Kunde als Beobachter“) untersucht neben dem Moment der Kommunikation drei grundliegende Aspekte der Wirklichkeitskonstruktion. Es handelt sich dabei um das Beschreiben, das Erklären und das Bewerten von Phänomenen. Die genannten Aspekte sind dabei keineswegs hierarchisch geordnet, sondern stehen mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander, „das heißt, das Bewerten eines Beobachters beeinflusst, welche Phänomene er wahrnimmt und wie er sie erklärt; die Kausalitäten, die er konstruiert, bestimmen, auf welche Phänomene er seine Aufmerksamkeit fokussiert und wie er sie affektiv oder sachbezogen bewertet; und die Selektion der Phänomene, die in seine Wahrnehmung treten oder gebracht werden, bestimmen, wie er bewertet und erklärt“ (20).
In Kapitel 2 („Themen der Beratung“) widmet sich Simon der Fach- und Prozessberatung. Die Fachberatung zeichnet sich dabei durch „Asymmetrie und Komplementarität“ (25) aus. Der Berater tritt als Experte auf, der Zu-Beratende als Nicht-Wissender, der die Fachkompetenz der Beraters für sich beansprucht. Wenngleich die Sachdimension hier im Fokus steht, verläuft auch die Fachberatung nur über eine kommunikative Beziehung zwischen Berater und Kunde, womit die Sozialdimension auch im Rahmen dieser Beratungssituation wieder eingeholt wird. Bei der Prozessberatung steht die Sozialdimension eindeutig im Mittelpunkt. Im Kern geht es hierbei um das „Design und die Steuerung von Kommunikationsprozessen“ (30). Ein dritter Modus der Beratung, der neben der Fach- und Prozessberatung besteht, versucht sowohl die Sach- als auch die Sozialdimension im Beratungsprozess zu berücksichtigen und verzichtet damit auf eine Fokussierung auf (nur) eine der Dimensionen (vgl. 35).
Um die Beziehung zwischen autopoietischen Systemen zu ihrer Umwelt geht es im 3. Kapitel („Kundensysteme und Beratungssysteme“). Mit Blick auf Maturana und Luhmann verdeutlicht Simon, dass sowohl der einzelne Mensch als auch soziale Systeme und Organisationen als autopoietische Systeme verstanden werden können. Diese Systeme sind in der Lage, sich in ihren autonomen Verhaltensweisen gegenseitig zu begrenzen und zu stören (41). Bezeichnend für derlei Systeme ist, dass wir es nicht mit einem kausalen Verhältnis zu tun haben. Die Einwirkung des Beraters führt daher nicht „automatisch“ zu einer Reaktion, sondern zu einer Anregung, die etwas im System bewirken kann. Der Berater hat keine Einsicht in den Kunden bzw. Klienten. So kann das Verhalten des Kunden zwar als Ausdruck interner psychischer Prozesse verstanden werden, aber dieses Verstehen bleibt im Kern notwendig eine Zuschreibung und damit eine Konstruktion, die der Berater vornimmt (45). Im Anschluss an eine genauere Analyse der Einzelberatung erläutert der Autor personen- und aufgabenorientierte Systeme.
Im 4. Kapitel („Die Funktion der Beratung/ des Beraters“) geht Simon u.a. auf die kompensatorische Funktion ein, die der Berater innerhalb eines Beratungsprozesses mit zu übernehmen hat. Er verdeutlicht dies jeweils am Beispiel der Sach-, der Sozial- und der Zeitdimension, um anschließend die Bedeutung der Parteilichkeit und Neutralität des Beraters zu durchdenken.
Kapitel 5 („Die Steuerung von Beratungsprozessen“) hat das Moment der Intervention zum Thema. Frei nach Watzlawicks These, dass der Mensch nicht nicht kommunizieren kann, ist es dem Berater nicht möglich, den Beratungsprozess nicht zu steuern. Allein die von ihm vorzunehmende Agenda impliziert eine Form der Intervention (91). Ob eine Beratung anschließend als positiv bewertet wird, bemisst sich am Vorher-Nachher-Vergleich, der je nach Zielorientierung unterschiedlich ausfallen kann. So geht eine problemorientierte Beratung zwar von einem definierten Ist-Zustand aus, hat aber keinen klar formulierbaren Soll-Zustand (92), umgekehrt verhält es sich bei einem lösungsorientierten Ansatz. Die Bedeutung und Funktion von Architektur und Design, also das, was man als Beratungssetting bezeichnen könnte, wird von Simon pointiert dargelegt.
Zu berücksichtigende Aspekte der Intervention rücken im 6. Kapitel („Interventionen“) ins Zentrum. Ausgangspunkt für die hier dargelegten Ausführungen ist die folgende Erkenntnis: „Damit Menschen, die ja autonom […] handeln, überhaupt miteinander kommunizieren können, müssen sie die von ihnen beobachteten Ereignisse auf ähnliche Weise interpretieren.“ (102). Die dafür erforderlichen Deutungsschemata werden als Medien bezeichnet. Es handelt sich dabei im Einzelnen um Informationen, Sätze, Sprechakt, Interaktionsepisode, Beziehung, Geschichten und kulturelle Muster. Die handwerkliche Aufgabe des Beraters besteht nun darin, klug zu bestimmen, worauf mithilfe welcher Interventionen Bezug genommen werden soll, um dem Ziel der Beratung näher zu kommen (105).
Kapitel 7 („Beratung vs. Therapie“) reflektiert Hintergründe für denkbare, mögliche aber auch fragwürdige Abgrenzungen von therapeutischen und beraterischen Situationen, um daran anknüpfend die Haltung des Beraters in den Blick zu nehmen.
Das 8. Kapitel („Statt einer Zusammenfassung eine Geschichte vom Pferd“) zeichnet kurz und knapp auf einer Seite mit Hilfe einer Analogie den Kerngedanke dessen nach, worum es wesentlich bei einer Beratung geht.
Diskussion und Fazit
Simon legt mit seiner kompakten Einführung einen informativen Ein- und Überblick in die Systemtheorie der Beratung vor. Theoretische Grundlagen werden kurz, aber in der Kürze auch für den interessierten Laien gut verständlich nachgezeichnet. Als ausgesprochen hilfreich erweist sich dabei die Vorgehensweise des Autors, die darin besteht, dass jedes Kapitel nicht nur aus einem Theorieteil, sondern auch aus einem Teil besteht, der explizit auf die praktischen Konsequenzen eingeht. Ob im Anschluss an die Lektüre der Leser in der Lage ist, für sich „eine gewisse Ordnung in den chaotisch anmutenden Markt der Beratung und der Beratungsmethoden zu bringen“ (9), scheint allerdings fragwürdig. Dafür bietet Simons Einführung zu wenige Informationen über andere, nicht-systemische Beratungsansätze. Das Buch richtet sich daher an Leser, die ohne Vorwissen Interesse an den Hintergründen einer speziell systemischen Beratung haben, sei es als angehende Berater oder als solche, die sich aus anderen Gründen mit dieser Form der Beratung näher beschäftigen wollen.
Rezension von
Dr. Thomas Damberger
Professur für Bildungs- und Erziehungswissenschaften im Kontext der Digitalisierung an der Freien Hochschule Stuttgart
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Zitiervorschlag
Thomas Damberger. Rezension vom 23.06.2014 zu:
Fritz B. Simon: Einführung in die (System-)Theorie der Beratung. Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2014.
ISBN 978-3-8497-0031-7.
Reihe: Compact.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16717.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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