Daniel Franz (Hrsg.): [...] MitarbeiterInnen in wohnbezogenen Diensten der Behindertenhilfe
Rezensiert von Prof. Dr. Arnold Pracht, 24.06.2014
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Daniel Franz (Hrsg.): Anforderungen an MitarbeiterInnen in wohnbezogenen Diensten der Behindertenhilfe. Veränderungen des professionellen Handelns im Wandel von der institutionellen zur personalen Orientierung. Lebenshilfe-Verlag (Marburg) 2014. 280 Seiten. ISBN 978-3-88617-218-4. D: 25,00 EUR, A: 25,70 EUR, CH: 35,50 sFr.
Entstehungshintergrund und Thema
Das Buch ist Ausfluss einer Dissertationsschrift des Verfassers und will die Veränderungen in den Anforderungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzeigen, die sich vermeintlich in den letzten Jahren bei der pädagogischen Arbeit mit Menschen mit Behinderung im Lebensbereich Wohnen ergeben haben. Dabei wird ein qualitativer Ansatz verfolgt.
Aufbau und Inhalte
Bereits im Rahmen der Einleitung weist der Verfasser sich als profunder Kenner der Szene aus. Er konstatiert, dass der Spagat zwischen theoretisch diskutierten pädagogischen, rechtlichen, finanziellen und institutionellen Innovationen einerseits und der erlebten Praxis, andererseits, kaum größer sein könne als in der Sozialen Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Deutlich wird in diesem Rahmen ferner, dass der Verfasser sich auf die Mikroebene von Innovationen, also auf das Handeln von pädagogischen Fachkräften fokussieren will, ohne dabei etwa die Makroebene (z.B. Auswirkungen von Innovationen im rechtlichen und administrativen Bereich auf die Arbeit mit Menschen mit Behinderung) oder die Mesoebene (Innovationen im organisatorischen Bereich) gänzlich aus dem Blick zu verlieren. In diesem Sinne weist der Verfasser auch dezidiert darauf hin, dass er – seiner Fragestellung folgend – damit nicht die Lebenssituation der Menschen mit Behinderung erheben werde.
Im Rahmen des ersten Teils konzentriert er sich auf die theoretische Fundierung. Er beschreibt zunächst den Wandel von den Konzepten der Institutionalisierung hin zu denen einer personalen Orientierung. Dies wird gekoppelt mit den Prozessen der sogenannten Deinstitutionalisierung. In einem weiteren Schritt werden diese neuen Ansätze auf die organisatorische Ebene der Träger transformiert und von dort dann letztlich auf die pädagogische Handlungsebene.
Diese inhaltliche Schwerpunktsetzung der Untersuchung wird im Rahmend des zweiten Teils ergänzt um die methodologische. Hier beschreibt der Verfasser die infrage kommenden methodologischen Ansätze und Methoden und begründet diese jeweils. Er konzentriert sich dabei auf die Anwendung der Methode des teilstrukturierten Interviews bei seinem qualitativen Forschungsansatz und beschreibt diesen sehr detailliert in allen Prozessen, von der Planungsphase, über die konkrete Erhebungsphase bis hin zur Phase der Auswertung.
Im dritten Teil schließlich geht der Verfasser ganz konkret auf seine empirische Analyse ein. Hier werden zunächst die Kategorien genannt, bevor der Verfasser dann die Ergebnisse der Auswertung im Einzelnen vorstellt und diskutiert. Diese Ergebnisse zeigen beispielhaft, dass die Prozesse der Ambulantisierung in hohem Maße gekoppelt sind mit einer steigenden „Berufszufriedenheit“ des pädagogischen Personals. Allerdings werden auf der anderen Seite von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern häufig die zunehmenden Flexibilisierungserfordernisse, die zunehmende Verantwortung und die damit verbunden Belastungen, ausgelöst durch die eher ambulanten Betreuungsformen, beklagt.
Fazit
Daniel Franz hat mit dem Lebenshilfe-Verlag eine angemessene Form gefunden, seine Dissertation zu veröffentlichen. Diese geht zum großen Teil weit über ein qualitatives Mindestmaß, das man für eine solche wissenschaftliche Arbeit erwarten darf, hinaus. Das Buch ist in hohem Maße aktuell, da es die Folgen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im pädagogischen Dienst eruiert, indem die Umsetzung von Inklusionskonzepten im Lebensbereich „Wohnen“ für Menschen mit einer vornehmlich geistigen Behinderung fokussiert werden. Das Buch stellt damit einen wichtigen Erkenntnisfortschritt für die Soziale Arbeit und die freien Träger im Bereich der Hilfe für Menschen mit Behinderung dar. Es lohnt sich für den Praktiker bzw. die Praktikerin vielleicht nicht immer jedes Detail in der Theorie, der Methodik sowie der Diskussion der Erhebungsaden zu lesen, aber es ist dennoch auch und gerade für die Praxis gut zu wissen, dass die Ergebnisse in hohem Maße seriös und wissenschaftlich fundiert hergeleitet wurden. Dieses Buch ist insgesamt für alle Zielgruppen in Wissenschaft, Praxis und Lehre sehr empfehlenswert. Wenn es hierbei überhaupt etwas zu kritisieren gilt, dann ist es – vermeintlich – die etwas eigenwillige Gliederungssystematik und die schon im Titel erkennbare Art, den Erfordernisse des Gender Mainstreaming durch die Zuhilfenahme des „großen I“ genüge zu leisten. Aber auch hierzu werden durchaus unterschiedliche Standpunkte in der Fachwelt vertreten.
Rezension von
Prof. Dr. Arnold Pracht
Hochschule Esslingen
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