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Michael Kobbeloer: Lernen im Kühlschrank

Rezensiert von Dr. Kirsten Oleimeulen, 12.01.2015

Cover Michael Kobbeloer: Lernen im Kühlschrank ISBN 978-3-7322-9890-7

Michael Kobbeloer: Lernen im Kühlschrank. Wie wir die Lerntemperatur unseres Bildungssystems mit Emotionen erhöhen können. Books on Demand GmbH (Norderstedt) 2014. 258 Seiten. ISBN 978-3-7322-9890-7. D: 16,90 EUR, A: 17,40 EUR, CH: 24,50 sFr.

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Grundlagen von Emotionen

Ob eine Emotion ausgelöst wird und, wenn ja, welche und wie stark, ist teilweise das Ergebnis eines kognitiven Prozesses, nämlich der subjektiven Bewertung der Situation (appraisal) durch das Individuum. Während vergleichbare Bewertungen einer Situation zu vergleichbaren Emotionen führen (Reisenzein, 2000; Roseman, Antoniou & Jose, 1996; Scherer, 1997, 1999), können sich die Bewertungen unterscheiden, und zwar abhängig beispielsweise, wie im Fall des Ärgers, von spezifischen ‚Selbst‘-Konzepten und Zuschreibungsschemata für personale Verursachung und Verantwortung (Ellsworth, 1994).

Das deutsche Bildungssystem

Die internationalen Vergleichsstudien wie TIMSS, IGLU und PISA haben einen erschreckenden Tatbestand empirisch in aller Deutlichkeit belegt: In allen Gesellschaften hängen die Schulleistungen und die damit verknüpften Bildungschancen von der sozialen Herkunft der Schüler ab, aber Deutschland gehört zu denjenigen Ländern der entwickelten Welt, in denen diese Unterschiede zwischen Schülern von Oben und Unten besonders weit auseinander klaffen. Die schichtspezifische Bildungsungleichheit ist in Deutschland besonders stark ausgeprägt und die Zahl der Bildungsverlierer aus den sozial schwachen Schichten besonders hoch – eine deutsche Bildungsaltlast, die den wenigen Bildungsforschern, die sich auch in der Prä-PISA-Ära mit dem Thema soziale Ungleichheit der Bildungschancen befasst haben, geläufig war. Interventionen in die Bildungsprozesse mit der Absicht, diese Altlast abzutragen, setzen möglichst genaue Kenntnisse über die Ursachen der Bildungsungleichheit voraus. Allerdings ist das hoch komplexe Geflecht von Faktoren, die an der Genese der enormen Chancenungleichheit in Deutschland beteiligt sind, bisher nur bruchstückhaft empirisch-theoretisch aufgehellt.

Autor

Michael Kobbeloer ist Autor, Vortragsredner, Trainer und Fachjournalist (DFJV). Er erlebte das Bildungssystem aus allen Perspektiven: als Schüler, Schulversager, Schulverweigerer, Hausmeister, Erzieher, Student, Lehrbeauftragter an einer Universität, Studienreferendar, in Arbeitsgruppen des Kultusministeriums, als Studiendirektor und Leiter einer Fachschule sowie als Vater dreier schulpflichtiger Kinder.

Aufbau und Inhalt

Das Buch „Lernen im Kühlschrank“ von Michael Kobbeloer beschäftigt sich mit zehn Thesen. Ganzheitliche Bildung muss den ganzen Menschen berücksichtigen, mit seinen Emotionen. Im Informationszeitalter müssen emotionale Bildung und emotionales Lernen zwischen Kopf, Herz und Verstand integriert werden. Wir wissen auch ohne die Hirnforschung, dass wir besonders leistungsfähig sind, wenn wir uns wohlfühlen, uns in einem emotional positiven Zustand befinden. Es ist nun an uns, diese Erkenntnisse anzuwenden.

These 1: Die gefühlte Temperatur des Bildungssystems ist eisig. Der Neuseeländer John Hattie verfasste fast 15 Jahre mit Hilfe von 50.000 Einzelstudien eine Bildungsstudie. Nach seinen Erkenntnissen ist das Lernklima einer der entscheidenden Lernfaktoren des Lernerfolges. Eine Haltung, die von Wärme, Respekt, Wertschätzung, Empathie, Verständnis und Engagement geprägt ist. Ein grundlegendes Instrument zur Verwirklichung eines guten Lernklimas ist seiner Meinung dabei Evaluation und Feedback.

These 2: Emotionen erhöhen die Lerntemperatur. Emotionen sind die Wärme im Denkprozess. Sie spielen eine zentrale und entscheidende Rolle beim Lernen. Weil der Mensch ein Gemeinschaftswesen ist, sind Kommunikation und Interaktion wichtige Verstärker der Lernprozesse. Neurochemisch werden dadurch körpereigene Substanzen wie z.B. Dopamin, Oxytocin und endogene Opioide (Wohlfühlhormone) ausgeschüttet.

These 3: Lernende verursachen den Lernkurzschluss im Kühlschrank. Sich wohlfühlen ist ein menschliches Empfinden, dass in der Schule oft nicht möglich ist. Das schlechte sozial-gesellschaftliche Klima, ein schlechtes Familienklima, ein schlechtes Klassen- und Schulklima verdichten sich zu Klimakatastrophen. Wir Erwachsene müssen die Schule den Lernenden anpassen. Und zwar mit jeder Generation auf´s Neue.

These 4: Lehrende sind in emotionaler Gefahr. Die Fehlinterpretation der Studie Hatties, es komme nur auf den Lehrer an, die strukturellen Rahmenbedingungen, die Organisation der Schule und die Schulpolitik hätten keine nachhaltige Bedeutung ist nicht haltbar. Auch selbstbewusste, emotional starke und kompetente Lehrer müssen von der Politik und der Schulorganisation geschätzt und unterstützt werden.

These 5: Das Tiefkühlfach Bildungsmanagement führt in emotionaler Kälte. Emotionale Qualität ist in Schulen notwendig, um eine Schule erfolgreich führen zu können. Bekannte Führungstrainer haben Emotionen schon lange als entscheidende Faktoren für erfolgreiche Führung entdeckt. Die Schule als gesamte Institution muss die Veränderung emotional erleben.

These 6: Eltern, wärmt Eure lernenden Kinder. Familie wirkt sich auf den Lernerfolg und das Lernverhalten von Schülern aus. Das, was die Lernenden dann in der Schule erfahren, wirkt aber auch wieder zurück auf oder in die Familie. Es geht also nicht zuerst um die „Bio-Brot-Box“, sondern um die emotionale Wärme, mit der ich das Kind in die Schule schicke. Das kostet nichts und ist dennoch nicht umsonst.

These 7: Lernräume sind kalt und emotionslos. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Gestaltung von Schulgebäuden erhebliche Bedeutung für das Wohlbefinden und damit für die emotionale Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Lernenden und Lehrenden hat. Künftige Schulbaugestaltung muss flexibel gestaltet sein. Deutlicher als bisher werden sich die Anzahl der Lernenden, die didaktischen Methoden und die Nutzung durch gesellschaftliche Gruppen verändern. Entwicklungen, an die sich Schulgebäude anpassen müssen.

These 8: Emotionale Kompetenz ist die „warmhaftige“ Schlüsselkompetenz. Um emotionale Kompetenz in Lernsituationen erfolgreich vermitteln zu können, brauchen Lehrkräfte selbst die Kompetenz und Wissen über die dazugehörigen Methoden. Die Forschung hat die Aufgabe adäquate Instrumente zu entwickeln, um emotionale Intelligenz und emotionale Kompetenz messen zu können.

These 9: Das Lernen von Anderen zu lernen – bedeutet den Stecker zu ziehen. Die Abweichungen von der Norm – Quer- und Anders-Denken – ermöglicht es, dass Innovation und Wachstum entstehen, auch im Bildungssystem, denn „die Zukunft steckt in den Köpfen von Menschen, die nicht so sind wie alle anderen“ (Förster & Kreuz)

These 10: Der Lern-Kühlschrank muss abgetaut werden. Ohne Emotionen ist hirngerechtes und nachhaltiges Lernen unmöglich. Emotionen verdeutlichen auch eine tiefe Menschlichkeit. Ein weitere Grund diesen Begriff in den Vordergrund zu stellen. Emotionale Didaktik geht über den Bezug von Hirnforschung zum Lernen hinaus. Sie hat als Grundlage eine ethisch moralische Haltung zum ganzheitlichen Menschen und bedingt ebenfalls Methoden, die den Erwerb von emotionaler Kompetenz stark in den Fokus rückt.

Zielgruppe

Das Buch „Lernen im Kühlschrank – wie wir die Lerntemperatur unseres Bildungssystems mit Emotionen erhöhen können“ richtet sich an alle Menschen, die in irgendeiner Form Kontakt zum deutschen Bildungssystem haben.

Fazit

Der Gegner der emotionalen Didaktik und einer neuen Schule ist immer das Alte. Wer etwas Neues erobern und Chancen entdecken will, muss Altes loslassen.

Das Buch „Lernen im Kühlschrank“ beschreibt keinen neuen Trend, der eine Zeit lang für Furore sorgt. Es basiert auf Erkenntnissen aus der Hirnforschung und der Lehrlernforschung. Michael Kobbeloer möchte den/die Lesenden aus dem Kompetenzgleichgewicht bringen, das die Fachliteratur uns vorgaukelt. Er unternimmt den Versuch, auch in der Schule Logik bewusst mit Gefühlen zu verbinden. Wider besseren Wissens halten wir die Regeln und Gesetze für emotionales Lernen nicht ein. So entstand ein Bildungssystem mit unzureichender Emotionalität bzw. Beachtung der Emotionen, die die Menschen in das Bildungssystem hinein tragen – eben ein unterkühltes Bildungssystem. Jeder, der einen wärmenden Beitrag dazu leisten möchte, sollte mit diesem Buch anfangen.

Rezension von
Dr. Kirsten Oleimeulen
Psychologin – Familienberaterin, akkreditierte Psychologin für Gesundheitspsychologie und Prävention (BDP), systemische Familientherapeutin und Supervisorin, online-Beraterin
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Es gibt 96 Rezensionen von Kirsten Oleimeulen.

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ISSN 2190-9245