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vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (Hrsg.): Psychische Belastungen und Burnout beim Bildungspersonal

Rezensiert von Prof. Dr. phil. Barbara Wedler, 12.11.2014

Cover  vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (Hrsg.): Psychische Belastungen und Burnout beim Bildungspersonal ISBN 978-3-8309-3085-3

vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (Hrsg.): Psychische Belastungen und Burnout beim Bildungspersonal. Empfehlungen zur Kompetenz- und Organisationsentwicklung. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2014. 208 Seiten. ISBN 978-3-8309-3085-3. D: 16,90 EUR, A: 17,40 EUR, CH: 24,50 sFr.

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Thema

Psychische Belastungen und Burnout beim Bildungspersonal. Empfehlungen zur Kompetenz- und Organisationsentwicklung. Gutachten

Herausgeber

Im Jahr 2005 rief die Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft e.V. (vbw) den Aktionsrat Bildung ins Leben. Der Aktionsrat Bildung steht maßgeblich für Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung des Bildungssystems bundesweit.

Aufbau

Nach dem Vorwort und der Einleitung folgen:

Zentrale Empfehlungen des AKTIONSRATSBILDUNG

  1. Burnout im Bildungswesen: Anlass und Ziele des Gutachtens
  2. Burnout: Was ist das?
  3. Prävalenzraten von Burnout und anderen psychischen Erkrankungen
  4. Risiko- und Schutzfaktoren für Gesundheit und qualitätsvolle Arbeit bei Beschäftigten im Bildungssystem
  5. Handlungsempfehlungen

Die Veröffentlichung schließt ab mit der Literatur, dem Abbildungsverzeichnis, dem Tabellenverzeichnis, dem Verzeichnis der Mitglieder des AKTIONSRATSBILDUNG sowie dem Koautor.

Inhalt

Im Vorwort begründet der Präsident des vbw die Notwendigkeit eines leistungsfähigen Bildungsfaktors als Basis für die Zukunft des Landes. Voraussetzung für die hohe Bildungsqualität sind Motivation, Engagement sowie die (psychische) Gesundheit der Beschäftigten im Bildungsbereich. Doch Prävention psychischer Belastungen setzt eine sachliche Diskussion um die psychischen Belastungen voraus, die wiederum in wissenschaftlich begründeten Handlungsempfehlungen münden. Mit diesem Gutachten leitet der Aktionsrat einen Formatwechsel in seiner Arbeit ein und stößt dazu eine „breite Diskussion in Politik und Verwaltung“ (S. 10) an.

Einleitend arbeitet vor dem Hintergrund persönlicher Dramatik sowie der volkswirtschaftlichen Schäden der AKTIONSRATBILDUNG mit diesem Gutachten die Burnout-Thematik im Bildungsbereich auf. Im Ergebnis werden Handlungsempfehlungen zur Burnout-Prävention gegeben, die sowohl auf der individuellen als auch gesellschaftlichen sowie organisatorischen Ebene liegen.

Zur Gesundheitsförderung und Prävention psychischer Erkrankungen sowie Burnout beim Bildungspersonal legt der Aktionsrat Bildung Zentrale Empfehlungen vor, die die Ebenen Studium, Kompetenzförderung, Organisationsentwicklung und betriebliches Gesundheitsmanagement umfassen.

Anlass und Ziele des Gutachtens werden im 1. Kapitel dargestellt. Aus Anlass der ansteigenden Zahlen psychischer Erkrankungen soll dieses Gutachten Häufigkeit sowie Gründe für die Diagnose Burnout aufzeigen. Im Focus stehen die Beschäftigten im Bildungsbereich und speziell die Lehrenden an allgemeinbildenden Schulen, weil diese die zahlenmäßig größte Beschäftigungsgruppe im Bildungswesen ausmachen. Am Ende stehen Handlungsempfehlungen, die der primären Prävention, der Verhaltens- und Verhältnisprävention, dienen.

Beim Versuch, die Frage “Burnout: Was ist das? (S. 23)“ zu beantworten, greifen die Gutachter auf Definitionen sowie Konstrukte u.a. von Freudenberger, Schaufeli/ Enzmann sowie Burisch zurück. Wobei aktuell kein verbindliches Regelsystem existiert, wonach die Diagnose Burnout zugewiesen werden kann. Genauso wenig existiert aktuell ein allgemeingültiges Instrumentarium zur Diagnostik von Burnout. Bezogen auf das Gutachten wird Burnout als arbeitswissenschaftliches Konstrukt beschrieben wird.

Im Kapitel 3 wird der Frage nachgegangen, ob Burnout tatsächlich an Häufigkeit bei Beschäftigten im Bildungswesen zugenommen hat. Obwohl epidemiologische Daten keine aussagekräftigen Antworten geben, belegen diese zwei grundsätzliche Tendenzen. Das Gutachten bezieht sich auf den Bundes-Gesundheitssurvey (1997-1999) sowie der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (2008-2012) und kann keinen bedeutsamen Anstieg der Prävalenzraten für psychische Erkrankungen nachweisen. Allerdings haben die Konsultationen von Neurologen sowie Psychiatern zugenommen. Ebenfalls konnte die Gutachter den Berufsgruppenvergleichen entnehmen, dass für Beschäftigte im Bildungswesen die Prävalenzraten für die Diagnose Burnout deutlich höher liegen. Überdurchschnittlich ist die Erkrankungsrate unter den Mitarbeitern in vorschulischen Einrichtungen. Die Tatsache, dass Beschäftigte mit chronischen Beeinträchtigungen seit der Jahrtausendwende bis zum regulären Renteneintrittsalter im Schuldienst verbleiben, lässt Spekulationen über die Quantität sowie Qualität ihrer Arbeit zu.

Risiko- und Schutzfaktoren für die Gesundheit der Beschäftigten im Bildungswesen stehen im Focus des 4. Kapitels. Der Erklärungswert der Stresstheorien und Risikofaktoren liegt jeweils in den Merkmalen des Arbeitsplatzes und der Person. Ausgehend von Studienergebnissen werden die Merkmale der Arbeitsplätze im Bildungswesen diskutiert. Zu den organisationsbezogenen Schutz- und Risikofaktoren in Schulen gehört u.a. auch die räumliche Ausstattung. Auch die nicht vorhandene Trennung von Privat- und Berufsleben durch die häuslichen Arbeitsmöglichkeiten bildet ein hohes Risiko für psychische Belastungen. Die rezipierten Ergebnisse des STEGE-Projektes bescheinigen den vorschulischen Einrichtungen bedeutende Ressourcen in den Organisations- und Managementqualitäten. Auf 1,5 Seiten wird im Gutachten ebenfalls auf „Organisationsbezogene Risiko- und Schutzfaktoren in Hochschulen (S. 110 f.)“ eingegangen. Ebenso wie beim Lehrerberuf wird das gesunkene Prestige des Berufes des Professors als Reduktion der Ressourcen interpretiert. Die personenbezogenen Schutz- und Risikofaktoren beziehen sich u.a. auf die Motive und Vorkenntnisse zur Berufswahl. Am Ende des Kapitels befindet sich eine Zusammenstellung „der empirisch untersuchten Risiko- und Schutzfaktoren für psychische Beeinträchtigungen und Burnout beim Bildungspersonal“ (S. 126 f.).

Weil das erklärte Ziel des AKTIONSRATSBILDUNG ist, sowohl Maßnahmen zur Stärkung von Ressourcen als auch zur Minimierung von Risiken für die psychische Gesundheit der Beschäftigten im Bildungswesen zu fördern (vgl. S. 130), schlägt der Aktionsrat ausführlich Maßnahmen auf den Ebenen der Institutionen sowie auf der Ebene der Person vor. Die Handlungsempfehlungen zielen entsprechend auf die Senkung des Risikos von Burnout-Erkrankungen sowie die Verbesserung der Qualität der Arbeit der Beschäftigten im Bildungswesen. Als Meilensteine benennt das Gutachten Maßnahmen zur Förderung berufsfeldspezifischer Kompetenzen, Stärkung individueller Ressourcen, besseren Aufklärung über die beruflichen Anforderungen, die Integration früher Praxiserfahrungen in die Ausbildung, Stärkung bzw. spezielle Qualifizierung des Leitungspersonals, die zielgerichtete Verknüpfung individueller mit organisatorischen Ressourcen sowie die Nutzung von „Good Practice„-Ansätzen (S. 164 ff.).

Diskussion

Dieses Gutachten, diese Veröffentlichung hat deshalb einen derart hohen Stellenwert, weil die Analyse verdeutlicht, dass letztendlich die Qualität der Bildung sowie Lehre abbaut, wenn die Belastungen des Bildungspersonals auf dem aktuellen Niveau stagnieren bzw. weiterhin steigen. Sehr detailliert werden die Schutz- und Risikofaktoren für psychische Beeinträchtigungen sowie Burnout des Bildungspersonals dokumentiert. Der Erklärungswert vorhandener Stresstheorien und Konzepte zum Burnout werden auf ihren Erklärungswert für die nachweisbaren Entwicklungen überprüft und Empfehlungen zur Verbesserung der aktuellen Situation der Beschäftigten im Bildungswesen gegeben. Rahmung und gleichzeitig roter Faden dieses Gutachtens ist die Verbindung von individuellen Besonderheiten mit gesamtgesellschaftlichen Folgen. Spätestens nach dem Lesen dieses Gutachtens sollte klar sein: die Zukunft beginnt bei der Stärkung der Individuen, der (zukünftigen) Lehrkräfte/ Erzieherinnen und setzt sich fort bei den organisatorischen Bedingungen der Arbeit. So detailliert dieses Gutachten auch ist, so weitreichend, zukunftsweisend sind seine Aussagen, Empfehlungen. Und damit steht dieses Gutachten für eine generelle Problematik und deren Lösung. Der AKTIONSRATBILDUNG ist beispielgebend viele Berufsfelder und -gruppen.

Fazit

Ein wirklich exzellent recherchiertes und wissenschaftlich aufgearbeitetes Gutachten. Das Phänomen Burnout unter dem Bildungspersonal wird tiefgründig und ganzheitlich analysiert. Das Ergebnis ist dieses sachliche Gutachten mit seinen umsetzbaren Handlungsempfehlungen. Theoriegeleitet, epidemiologisch begründet und praxisorientiert: eine Veröffentlichung, die nicht in den Bücherschrank sondern als Arbeitsbuch auf den Schreibtisch aller gehört, die (in)direkt mit Bildungspersonal arbeiten bzw. selbst zu diese Berufsgruppe gehören.

Rezension von
Prof. Dr. phil. Barbara Wedler
Professur für klinische Sozialarbeit und Gesundheitswissenschaften
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Es gibt 81 Rezensionen von Barbara Wedler.

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ISSN 2190-9245