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Jane Gilliard, Mary Marshall et al. (Hrsg.): Naturgestützte Pflege von Menschen mit Demenz

Rezensiert von Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind, 03.12.2014

Cover Jane Gilliard, Mary Marshall et al. (Hrsg.): Naturgestützte Pflege von Menschen mit Demenz ISBN 978-3-456-85359-8

Jane Gilliard, Mary Marshall, Garuth Chalfont (Hrsg.): Naturgestützte Pflege von Menschen mit Demenz. Natürliche Umgebungen zur Förderung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz nutzen. Verlag Hans Huber (Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2014. 240 Seiten. ISBN 978-3-456-85359-8. D: 29,95 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 39,90 sFr.
Heide Börger (Übers.).

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Thema

Im Bereich der Pflege und Betreuung Demenzkranker sind in den letzten Jahrzehnten verschiedene neue Lebensbereiche als therapeutische Sphären erschlossen worden: tiergestützte Therapie, Gartentherapie und Demenzgärten. Es sind die Flora und die Fauna, die nun gezielt dieser Personengruppe mit dem Ziel einer Verbesserung der Lebensqualität angetragen werden. Von diesem verstärkten Naturbezug erhofft man sich Impulse und Potentiale, die den Betroffenen positive Stimulanzien im Sinne einer Aktivierung in dem oft langen und beschwerlichen Krankheitsverlauf vermitteln könnten. Die vorliegende Veröffentlichung enthält eine Reihe von Beispielen einer so genannten „naturgestützten“ Pflege aus verschiedenen europäischen Ländern. Es handelt sich um eine Übersetzung einer englischen Publikation aus dem Jahr 2012.

Herausgeber und Autoren

Die Herausgeberinnen Jane Gilliard und Mary Marshall sind Sozialarbeiterinnen, die jahrzehntlang in England und Schottland in Arbeitsfeldern der Demenzversorgung (Dementia Services Development Centres) tätig waren. Der Herausgeber der deutschen Ausgabe des Buches, Dr. Garuth Chalfont, wirkt laut Autorenverzeichnis als ein „führender Experte in der Kunst und Wissenschaft heilender Gärten, therapeutischer Räume und Demenzgärten“ (Seite 207) in Großbritannien. Insgesamt 28 Autoren aus England, Schottland, den Niederlanden, den USA, der Schweiz überwiegend aus den Bereichen der Pflege, Betreuung und Beratung haben Beiträge erstellt.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist neben einer Einführung und einem Schlusswort in die folgenden 16 Kapitel unterteilt:

  1. Demenz, Spiritualität und Natur (Seite 31 – 37)
  2. Sonnenlicht und Tageslicht (Seite 39 – 47)
  3. Mit Demenz den Wechsel der Jahreszeiten erleben (Seite 49 – 63)
  4. Das Forget Me Not Center – Das Vergissmeinnicht-Zentrum (Seite 65 – 77)
  5. Von der Demedikalisierung zur Renaturierung – Demenz im Einklang mit der Natur (Seite 79 – 96)
  6. Landwirtschaft im Dienste der Gesundheit – Wie Patienten mit Demenz in den Niederlanden von Green Care-Bauernhöfen profitieren (Seite 97 – 112)
  7. Kein Dach über den Kopf, nur den Himmel (Seite 113 – 118)
  8. Tiergestützte Aktivitäten für Menschen mit Demenz (Seite 119 – 129)
  9. Gartenarbeit und Demenz (Seite 131 – 137)
  10. Parzellen (Seite 139 – 148)
  11. Kreativität im Außenbereich (Seite 149 – 161)
  12. Der Berg mit therapeutischer Wirkung – das AlzheimUr CENTRE (Murcia, Spanien) (Seite 163 – 171)
  13. Drei Stimmen (Seite 173 – 174)
  14. Arne Nass – eine Betrachtung (Seite 175 – 178)
  15. Natur, spirituelle Begleitung und Demenz aus asiatischer Sicht (Seite 179 – 185)
  16. Naturgestützte Chronopflege bei schlafgestörten Menschen mit Demenz (Seite 187 – 202)

Wie den Kapitelüberschriften teils in Ansätzen zu entnehmen ist, handelt es sich bei diesem Sammelband um eine Zusammenstellung von Beiträgen, die zwar überwiegend die Thematik Demenz und Demenzkranke hinsichtlich des Schwerpunktes Natur und außerhäusliche Betreuung zum Inhalt haben, die jedoch sonst recht heterogen sind:

  • Es sind Beiträge aus verschiedenen Ländern: Schottland, England, den Niederlanden, Schweiz, USA und Spanien.
  • Es sind Beiträge mit unterschiedlichen Themenstellungen: u. a. Gärten und Gartenarbeit, landwirtschaftliche Helferdienste, tiergestützte Aktivitäten, Wandern und Spaziergänge in der Natur, Sonnen- und Tageslicht im humanbiologischen Kontext, naturgestützte Chronopflege und ein Bericht über ein Alzheimerzentrum in Spanien.
  • Es sind Beiträge mit gravierend voneinander abweichenden Darstellungsweisen hinsichtlich der Erfassungstiefe, der Intention und des Anspruches: bloße Sachdarstellungen, Erfahrungsberichte, subjektiv emotionale Erlebnisse, theoretische Abhandlungen und Argumentationsweisen, spirituelle Überlegungen und mehrere Gedichte.
  • Es sind Beiträge von einer bunt gemischten Autorenschar: u. a. Demenzkranke, „Grün- und Weißberufe“ (Bauern, Gärtner, Pflegende, Ergotherapeuten, Ärzte und Sozialarbeiter), Architekten, ehrenamtliche Helfer und pflegende Angehörige.

Diskussion

Diese Veröffentlichung vermag nicht zu überzeugen. Seitens des Verlages wird sie als „Fachbuch“ klassifiziert, doch diese Sichtweise kann infrage gestellt werden, wenn z. B. Rationales und Esoterisches (Anthroposophie), Besinnliches und Sachliches, Visionäres und Alltägliches unvermittelt nebeneinander stehen. Hier muss dann folglich gefragt werden, welche Zielgruppen mit dieser Arbeit überhaupt erreicht werden sollen. Es darf des Weiteren kritisch gefragt werden, ob z. B. das Modell des Einsatzes Demenzkranker als Helfer in der Landwirtschaft ohne jegliche fachliche Begleitung (Niederlande) auch in Deutschland praktiziert werden soll. Und welchen Stellenwert man dieser „Green Care“ im Rahmen der Demenzversorgung einräumen sollte, fehlen doch wissenschaftlich belegte Wirksamkeitsnachweise. Die vorliegenden Beiträge bilden kleine Facetten und Mosaiksteinchen eines eher idealisierten und realitätsfern konstruierten Themenfeldes „Natur“ á la Rousseau, denn die „naturgestützte Pflege“ für Demenzkranke wird weder funktional noch strukturell im Sinne eines empirisch fundierten Handlungskonzeptes exponiert.

Es darf an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass Demenzgärten und andere beschützte Außenbereiche in Deutschland mittlerweile in vielen Einrichtungen vorhanden sind. Auch Fachbücher sind bereits zum Themenbereich Demenzgärten veröffentlicht worden, die praxisnahe Orientierung und konkrete Handlungsanweisungen enthalten:

Fazit

In der vorliegenden Publikation ist es nicht gelungen, den Nachweis für die Notwendigkeit einer „naturgestützten Pflege“ für Demenzkranke zu erbringen.

Rezension von
Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind
Gerontologische Beratung Haan
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Zitiervorschlag
Sven Lind. Rezension vom 03.12.2014 zu: Jane Gilliard, Mary Marshall, Garuth Chalfont (Hrsg.): Naturgestützte Pflege von Menschen mit Demenz. Natürliche Umgebungen zur Förderung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz nutzen. Verlag Hans Huber (Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2014. ISBN 978-3-456-85359-8. Heide Börger (Übers.). In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16912.php, Datum des Zugriffs 09.11.2024.


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