Volker Lilienthal: Recherchieren
Rezensiert von Prof. Dr. Frank Überall, 05.12.2014
Volker Lilienthal: Recherchieren. UVK Verlagsgesellschaft mbH (Konstanz) 2014. 140 Seiten. ISBN 978-3-86764-217-0. D: 14,99 EUR, A: 15,50 EUR, CH: 21,90 sFr.
Thema
Volker Lilienthal gibt Tipps für die erfolgreiche Recherche im journalistischen Bereich.
Autor
Der Autor ist Professor für „Praxis des Qualitätsjournalismus“ an der Universität Hamburg und Mitherausgeber der Journalismus-Zeitschrift „Message“. Er war lange Jahre Redakteur des Branchendienstes „epd medien“.
Entstehungshintergrund
In der Reihe „Wegweiser Journalismus“ erscheinen praktische Ratgeber im handlichen Kleinformat. Die Reihe, die von Christoph Fasel herausgegeben wird, veröffentlicht nach Angaben des Verlags „Basiswissen für Einsteiger und Profis“.
Aufbau
Das Buch besteht aus neun Kapiteln, die in aller Kürze das Wichtigste zu den einzelnen Themenbereichen darstellen. Hinzu kommen Hinweise auf praktische Rechercheberichte, die zum Teil im Internet nachgelesen werden können. Links, Literaturangaben und eine Liste von Recherchestipendien runden das Werk ab.
Konkret gliedert sich das Werk in folgende Grund-Kapitel:
- Wozu Recherche gut ist
- Wie man eine Recherche planvoll anlegt
- Wie man Dokumente findet
- Wie man mit Informanten umgeht
- Wie man seine Auskunftsrechte wahrnimmt
- Wie man bei der Online-Recherche denÜberblick behält
- Investigative Recherche – was ist das eigentlich?
- Was gilt ethisch und rechtlich bei der Recherche?
- Wie man seine Recherche überprüft und publiziert
Inhalt
Dass man „alles, was man über die Welt wissen kann“ im Internet findet, ist ein Missverständnis. Diese Weisheit, die gerade für Journalistinnen und Journalisten gilt, stellt Volker Lilienthal an den Anfang seines Buches. Gleichwohl erläutert er, welche Vorteile das weltweite Netz bietet: Man kann mit Menschen virtuell ins Gespräch kommen und mit den richtigen Suchtechniken eine Menge herausfinden. Man muss nur alle Quellen stets auf Seriosität prüfen. Ganz pragmatisch werden Notwendigkeiten und Strategien der Recherche (on- und offline) ausgeführt. „Der recherchierende Journalist schlampt nie“, fordert Lilienthal den Berufsstand zur besonderen Sorgfalt auf. Eigenständige Fragestellungen und eine „gesunde Portion Skepsis“ machen demnach die Grundhaltung aus, die für einen recherchierenden Journalismus nötig ist.
In dem Kapitel „Wie man Dokumente findet“ beschreibt Lilienthal beispielsweise den besonderen Wert von „Akten, Sitzungsprotokollen und Gesprächsvermerken, die nicht zum Zweck der Veröffentlichung angelegt wurden“. Ergiebige Ergebnisse können demnach auch Presseartikel und Gespräche mit „Pressesprechern, Politikern oder anderen Informanten“ liefern. Man solle stets nachfragen, ob es zum Gegenstand der Recherche noch etwas Schriftliches gibt: „Hätten Sie sonst noch eine interessante ‚Unterlage‘ für mich?“ Besonders gewürdigt werden in dem Kapitel das Grundbuch , das Vereinsregister, die Handelsregister und Wirtschaftsauskunfteien. Wie man zudem Informationen über Personen sowie statistisches wie wissenschaftliches Hintergrundmaterial bekommt, wird ebenfalls erörtert.
Intensiv setzt sich der Autor mit verschiedenen Quellen und Fragetechniken auseinander. Was Auslöser einer Recherche sein kann, wen man dazu befragen sollte und wie man dabei konkret vorgeht, findet sich in diesem Nachschlagewerk. Besonders hervorgehoben wird die Praxis des „Pendelns“, bei dem die verschiedenen beteiligten „Lagern“ der Befürworter und Gegner eines Themas mehrfach gehört und dabei die jeweils behaupteten Fakten gegengecheckt werden.
Welche Aussagekraft welche Dokumente haben und wie man Informanten findet sowie schützt, beschreibt Volker Lilienthal ausführlich. Mit Beispielen aus der Praxis macht er es einfach, die Aussagen auf die berufliche Realität von Journalisten zu übertragen. Rechtliche Hinweise und selbstkritische Überlegungen zur Rolle investigativ tätiger Medienvertreter sind ebenfalls Bestandteil des Werkes.
Diskussion
Das kleine Büchlein ist eine gute Orientierung, es kann aber alleine wegen des begrenzten Umfangs inhaltlich nicht in die Tiefe gehen. Trotzdem gelingt es Volker Lilienthal, einen recht umfassenden Überblick über die wichtigsten Recherchetechniken zu geben. Seine Tipps aus der Praxis für die Praxis lassen sich gut merken und anwenden. An einigen Stellen gibt es sehr konkrete Hinweise, wie man Quellen findet und systematisch erschließt.
Problematisch kann man sehen, dass Lilienthal davon ausgeht, Journalismus habe in erster Linie die Aufgabe „chronische oder akute Funktionsschwächen im politischen, sozialen, wirtschaftlichen oder kulturellen System“ zu erkennen. Das mag für die investigative Herangehensweise gelten. Recherche ist aber auch in anderen, beispielsweise unterhaltenden, Genres nötig.
Fazit
Wer sich schnell fundiertes Faktenwissen über journalistische Recherche aneignen möchte, ist mit dem kleinen Buch von Volker Lilienthal gut bedient. Wer sich dagegen intensiver oder gar wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigen will, stößt schnell an Grenzen. Für die journalistische Praxis ist ein solches Werk aber eine lohnenswerte Lektüre – und auch für diejenigen, die zum Beispiel als Informant zum „Gegenstand“ einer solchen Recherche wird.
Rezension von
Prof. Dr. Frank Überall
Medien- und Politikwissenschaftler an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft; www.politikinstitut.de
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Es gibt 24 Rezensionen von Frank Überall.
Zitiervorschlag
Frank Überall. Rezension vom 05.12.2014 zu:
Volker Lilienthal: Recherchieren. UVK Verlagsgesellschaft mbH
(Konstanz) 2014.
ISBN 978-3-86764-217-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16942.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
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