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Denkwerk Demokratie (Hrsg.): Sprache. Macht. Denken

Rezensiert von Prof. Dr. Frank Überall, 29.10.2014

Cover  Denkwerk Demokratie (Hrsg.): Sprache. Macht. Denken ISBN 978-3-593-50072-0

Denkwerk Demokratie (Hrsg.): Sprache. Macht. Denken. Politische Diskurse verstehen und führen. Campus Verlag (Frankfurt) 2014. 308 Seiten. ISBN 978-3-593-50072-0. 19,90 EUR.

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Thema

Wie beeinflusst Sprache die Politik? Dieser Frage gehen verschiedene Autoren nach. Die Struktur von Diskursen in Deutschland wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln geschildert und analysiert.

Herausgeber

Das Denkwerk Demokratie ist ein gemeinnütziger Verein, der sich nach eigenen Angaben für eine „soziale, ökologische und demokratische Zukunftsgestaltung einsetzt“. Ihm gehören vor allem Politiker, Publizisten und Praktiker aus dem rot-grünen Spektrum an; www.denkwerk-demokratie.de

Entstehungshintergrund

Das Buch ist im Rahmen eines Projekts entstanden. Es dokumentiert die verschiedenen Beiträge der Teilnehmer. Überwiegend handelt es sich um Aufsätze, in einzelnen Fällen aber auch um Interviews.

Aufbau

Nach einer Einführung gibt es zwei große Bereiche mit jeweils mehreren Kapiteln:

  1. „Politische Diskurse verstehen“ und
  2. „Politische Diskurse führen“.

Ergänzt wird das Buch durch eine Einleitung und ein Fallbeispiel.

Inhalt

Ausgehend von einer gründlichen wissenschaftlich-theoretischen Analyse von Diskurswelten entwerfen die Autorinnen und Autoren ein gedankliches Gerüst zur Beurteilung politischer Debatten und Entscheidungen. „Politisches Denken vermittelt sich zu allererst über Sprache, die wiederum unser politisches Bewusstsein prägt“, stellen Benjamin Mikfeld und Jan Turowski in ihrer Einführung fest. In mehreren Beiträgen wird zum Mittel der Inhaltsanalyse gegriffen, um Debatten nachvollziehbar und damit analysierbar zu machen. Das entsprechende wissenschaftliche „Handwerkszeug“ wird fundiert dargestellt.

Martin Nonhoff beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit das Gemeinwohl durch Diskurse gefördert oder blockiert werden kann. Dabei werden nicht nur Worte in den Fokus genommen, sondern die Gesamtsituation einer Wahrnehmung. Ein besonderes Augenmerk legt der Autor auf „strategische Interventionen“, die zu Umbrüchen in der (öffentlichen) Meinung führen können. Andere Autoren beschäftigen sich mit den verschiedenen Logiken in der Politik, dem Aushandlungssystem und der Rolle von Gefühlen und Emitionen. Mit dem Konzept des „Dispositivs“ wird nach Foucault ein umfassendes Analysekonzept erläutert.

Thymian Bussemer beschreibt, inwiefern vor dem Hintergrund der „cultural studies“ Texte als „soziales Produkt der Auseinandersetzung um ihre Inhalte“ zu sehen sind. Hans Hönigsberger setzt sich kritisch mit der Debattenkultur im Internet auseinander und plädiert dafür, die dort geäußerten Meinungen auf der politischen Bühne verstärkt zur Kenntnis zu nehmen. Beachtenswert ist ein Beitrag von Elisabeth Wehling, die Begrifflichkeiten im Diskurs der Steuerpolitik entlarvt: „Begriffen wie Steuerbelastung, Steuerflucht und Steueroasen ist gemein, dass sie in den Köpfen der Menschen gedankliche Deutungsrahmen aktivieren, die Steuern als Bedrohung individuellen Wohlergehens definieren.“ Sprache verändere das Denken langfristig, was im Fall der Steuerdiskussion zu einer problematischen Situation für das Gemeinwesen werden könne.

Carsten Brosda führt in seinem Beitrag die Rolle der Journalisten als Diskursanwälte aus. Die Selektionslogik politischer Berichterstattung skizziert er in einem Wandel, der zunehmend einer modernen „narrativen Logik“ unterliege, wenn die entsprechenden Texte wirkungsvoll sein sollen. Dazu gehöre ein Trend zu „personalisierbaren, emotionalisierbaren und visualisierbaren Informationen“.

Peter Stiller erläutert die Rolle von Manifesten in der politischen Öffentlichkeit, und Uwe Pörksen beklagt ein „Verschwinden der argumentierenden Entscheidungsrede und Debattenkultur“. Gemeinsam mit Christian Kellermann untersucht Mikfeld abschließend die dominierenden Diskurse des Bundestagswahlkampfs 2013.

Diskussion

Die Beiträge des Bandes sind äußerst unterschiedlich. Deutlich theorielastige Ausführungen werden ergänzt um empirische Fall-Schilderungen und bloße Interviews. Die Texte sind unterschiedlich angelegt, und nicht immer frei von eigenen Interessen. Die politische Ausrichtung des rot-grün zu verortenden Denkwerks Demokratie schimmert an einigen Stellen allzu deutlich durch und mindert damit die allgemeine Aussagekraft der Feststellungen. Mancher Beitrag von Praktikern liest sich auch mehr als Werbung für das eigene Produkt, beispielsweise bei Hönigsberger, der sein (Verkaufs-)Konzept professioneller Politikberatung anpreist. Die meisten Texte aber geben spannende Denkimpulse.

Fazit

Der doppeldeutige Titel „Sprache. Macht. Denken“ wird in theoretischer wie praktischer Hinsicht dem Sammelband gerecht. Wer sich mit der Wirkungsweise von Begriffen, Argumentationen und Rahmenbedingungen in politischen wie medialen Diskursen beschäftigt, wird um dieses Werk nicht herum kommen.

Rezension von
Prof. Dr. Frank Überall
Medien- und Politikwissenschaftler an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft; www.politikinstitut.de
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Es gibt 24 Rezensionen von Frank Überall.

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Zitiervorschlag
Frank Überall. Rezension vom 29.10.2014 zu: Denkwerk Demokratie (Hrsg.): Sprache. Macht. Denken. Politische Diskurse verstehen und führen. Campus Verlag (Frankfurt) 2014. ISBN 978-3-593-50072-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16981.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.


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