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Wilhelm Urban: Evaluation des teritären Bildungssystems

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 18.05.2004

Cover Wilhelm Urban: Evaluation des teritären Bildungssystems ISBN 978-3-7065-1779-9

Wilhelm Urban: Evaluation des teritären Bildungssystems. Konzeption, Modellbildung und Durchführung. Studienverlag (Innsbruck, Wien, München, Bozen) 2004. 292 Seiten. ISBN 978-3-7065-1779-9. 32,00 EUR. CH: 55,60 sFr.

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Einführung in das Thema

Was die Innovation im erziehungswissenschaftlichen Bereich anbelangt, kommt aus Österreich immer wieder Interessantes, vor allem von den dortigen Hochschulen. Im Zeichen der verschiedenen internationalen Studien (TIMMS, PISA u.a.) wird auf dem tertiären Gebiet der Bildungssysteme, also den universitären und Hochschul-Einrichtungen, der Ruf nach der Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse und der Qualität der Bildungsangebote lauter; eine etwa in den USA seit Jahrzehnten selbstverständliche Evaluationsaufgabe, mit Anforderungen, die mit Begriffen wie Evaluationsprozesse, Qualitätssicherung, -management und -entwicklung, Allokationsentscheidungen und Schulqualität Eingang in den Diskurs gefunden haben. Während auch bei anderen wissenschaftlichen Disziplinen, wie z. B. in der Psychologie, die Überprüfung von Fragestellungen zur Lehre und Forschung gängige Praxis sind, nehmen die Erziehungswissenschaften im europäischen Raum die Fragen nach mehr Qualität und Leistung nur zögerlich auf. Diese Feststellung trifft in der hier vorgestellten Studie des wissenschaftlichen Leiters des Universitätslehrgangs zur Ausbildung von akademisch geprüften Lehrern für Gesundheitsberufe an der Medizinischen Universität Innsbruck, Dr. Wilhelm Urban. Der Autor mit Studium der Psychologie, Humanbiologie und Philosophie untersucht praxisorientierte Probleme der Evaluation an Hochschulen und pädagogischen Akademien in Österreich.

Entstehungshintergrund

Urban rekurriert in seiner umfangreichen Arbeit auf einen Bericht des Ausschusses für Hochschulbildung in der Europäischen Gemeinschaft von 1993 zum Thema "Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung im europäischen Hochschulwesen", aus dem deutlich wurde, dass zur damaligen Zeit "der größte Teil der westeuropäischen Länder über kein entwickeltes System der Qualitätssicherung verfügte"; Österreich, so die Feststellung, sei in diesem Zusammenhang also nicht als Nachzügler zu betrachten, sondern als Normalfall der unbefriedigenden Situation zu bezeichnen. Die seitdem, zeitgleich mit der in Deutschland einsetzende öffentliche Diskussion über den Zustand der österreichischen Hochschulen und Schuldzuschreibungen, wie "Chaos ist als Bezeichnung für österreichische Hochschulzustände zu einem normalen Begriff geworden", verbunden mit der interessanten Einschätzung, die Universitäten fürchteten die Fachhochschulen als Konkurrenten, der Fingerzeig auf die Bürokratie als Hauptschuldige an der Misere, und nicht zuletzt die diagnostizierte Politikverdrossenheit von vielen Hochschullehrern, hat die Arbeit veranlasst.

Ziele und Inhalte

Die Ziele der Arbeit formuliert er in fünf Punkten:

  1. Einführung in den Problemkreis "Evaluation" als Grundlage einer vertiefenden Auseinandersetzung mit der Fachliteratur.
  2. Die in Österreich geplante Überführung der Pädagogischen Akademien in Richtung Hochschule erfordert von den dort tätigen Lehrkräften eine intensive Beschäftigung mit der Thematik.
  3. Ein Evaluationsmodell - das Bereichsfunktions-Prozessmodell - wird zur Diskussion gestellt. Damit wird ein der Bildungssystem (in Österreich) konformes System zum praktischen Gebrauch angeboten.
  4. Die Entwicklung von Evaluationsinstrumenten wird anhand von drei Untersuchungen thematisiert. "Dabei wird erstmals im Rahmen der Evaluationsforschung eine ’Marketinganalyse’ zur Erforschung von Wünschen zur Gestaltung von vorgesehenen Unterrichtspassagen dargestellt".
  5. Schließlich wird mit der Arbeit der Anspruch erhoben, dem Leser Anregungen für eigenes Handeln auf dem Gebiet der Sozialforschung zu geben, um evaluative Maßnahmen selbst durchführen zu können.

Besonders das vom Autor, in Zusammenarbeit mit einer Expertengruppe aus dem Österreichischen Bildungs- und Wissenschaftsministerium (BMBWK), der Pädagogischen Akademien und Universitäten, erstellte Modell zur Evaluation des tertiären Bildungssystems, das "Bereichsfunktions-Prozessmodell" (BPM), verdient der Beachtung auch für die Evaluationsdiskussion an deutschen Hochschulen. Es nimmt Anregungen aus der niederländischen Evaluationspraxis auf, die bekanntermaßen in Europa als fortschrittlich bezeichnet werden kann. Das BPM sieht für den Evaluationsprozess insgesamt 11 Bereiche (Stationen) vor, mit Leitbild-, Prozessbeschreibungen und Variablen, die operationalisierbar, entwicklungsfähig und auf die je konkreten Situationen anpassbar sind.

Dieser eher theoretischen Arbeit fügt Urban im zweiten Teil einen Leitfaden für "Untersuchungen zur Qualität der Lehre" hinzu. Er wendet in diesem Praxisteil den gesamten Kanon der qualitativen Methoden, wie Datenerhebung, Befragungen, Beobachtungen und Auswertung an. Die Benutzung von Skalierungen und bivarianten, multiplen und multivarianten Analysen im Sinne einer summativen Evaluation (im Gegensatz zur formativen Evaluation) bedarf freilich von den Nutzern eine eingehende Vertrautheit mit der Methodik der Evaluationsforschung.

Gerade diese Qualifikationen will der Autor mit seiner Arbeit auch vermitteln. Es dürfte ihm damit gelingen, die Furcht, Scheu oder auch Skepsis gegenüber einer Evaluation im tertiären Bildungssystem abbauen zu helfen und Motivationen zu entwickeln, sich für eine Überprüfung der Arbeit in den Hochschulen, überall in Europa, zu engagieren. Seine "Prinzipien der Bescheidenheit", wie "Jedes Evaluationssystem ist unvollständig! - Jedes Evaluationssystem muss für jeden Forschungsansatz offen sein! - Jedes Evaluationssystem ist zur Veränderung verurteilt!", machen Mut zur Anwendung.

Fazit

Das Buch kann allen Lehrenden und Studierenden an Universitäten, Fachhochschulen und auch Theoretikern und Praktikern in ähnlichen Einrichtungen, bis hin zur beruflichen Bildung, empfohlen werden.

Hingewiesen zum Evaluationsdiskurs soll in diesem Zusammenhang auch auf die Arbeiten von Annette Scheunpflug von der Universität Nürnberg-Erlangen (vgl. dazu die Rezension im socialnet Rezensionsdienst).

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Es gibt 1575 Rezensionen von Jos Schnurer.

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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 18.05.2004 zu: Wilhelm Urban: Evaluation des teritären Bildungssystems. Konzeption, Modellbildung und Durchführung. Studienverlag (Innsbruck, Wien, München, Bozen) 2004. ISBN 978-3-7065-1779-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/1703.php, Datum des Zugriffs 22.03.2023.


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