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Wolfram Weiße, Katajun Amirpur u.a. (Hrsg.): Religion und Dialog in modernen Gesellschaften

Rezensiert von Peter Schreiner, 28.07.2014

Cover Wolfram Weiße, Katajun Amirpur u.a. (Hrsg.): Religion und Dialog in modernen Gesellschaften ISBN 978-3-8309-3098-3

Wolfram Weiße, Katajun Amirpur, Anna Körs, Dörthe Vieregge (Hrsg.): Religion und Dialog in modernen Gesellschaften. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2014. 64 Seiten. ISBN 978-3-8309-3098-3. D: 14,90 EUR, A: 15,40 EUR, CH: 21,90 sFr.
Dokumentation der öffentlichen Auftaktveranstaltung eines internationalen Forschungsprojektes.

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Thema

Der Dialog zwischen den Religionen gewinnt für das Zusammenleben der Menschen durch die zunehmende religiöse Vielfalt moderner Gesellschaften entscheidend an Bedeutung. Möglichkeiten und Grenzen des Dialogs bedürfen einer gründlichen Erforschung. Dieser Aufgabe widmet sich ein neues Projekt, das Materialien und Ergebnisse in einer eigenen Dokumentationsreihe beim Waxmann-Verlag Münster veröffentlicht.

Herausgeber und Herausgeberinnen

Der Band wird herausgegeben von der Projektleitung des internationalen Forschungsprojekts „Religion und Dialog in modernen Gesellschaften“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird und an der Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg angesiedelt ist.

Entstehungshintergrund

Die vorliegende Publikation dokumentiert die öffentliche Auftaktveranstaltung des internationalen Forschungsprojektes „Religion und Dialog in modernen Gesellschaften“, die am 6. Februar 2014 an der Universität Hamburg stattfand.

Aufbau

Nach einer Einleitung der Projektleitung folgen Beiträge von Prof. Dr. Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg, von Prof. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Dorothee Stapelfeldt, Senatorin für Wissenschaft und Forschung in Hamburg und von Prof. Dr. Eva Arnold, Dekanin der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg. Der zentrale Text dokumentiert den Hauptvortrag zum interreligiösen Dialog von Prof. Dr. Paul F. Knitter, Union Theological Seminary, New York.

Ein Anhang mit Presseberichten zur Veranstaltung rundet den Band ab.

Inhalt

„Wir stellen uns einer sehr anspruchsvollen Aufgabe, nämlich den interreligiösen Dialog in unseren Gesellschaften grundlegend zu erforschen, dabei international vergleichend vorzugehen und interdisziplinär anzusetzen.“ (S. 19) Die Einleitung der Projektleitung skizziert die Relevanz und den Ansatz des Forschungsprojektes sowie seine konzeptionelle Einbindung in die Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg. Deutlich wird, dass an den Dialog der Religionen hohe gesellschaftliche Erwartungen gerichtet werden für die Gestaltung des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlichen religiösen und kulturellen Hintergrunds.

Das Forschungsprojekt fokussiert sich auf zwei verschiedene Ebenen, zum einen der „Dialogischen Theologie“ und zum anderen der „Dialogischen Praxis“. Es soll ein Beitrag zur Entwicklung einer dialogisch ausgerichteten Theologie geleistet werden. Dabei wird angenommen, „dass es im theologischen Grundbestand aller Religionen Kernelemente gibt, die sowohl den Dialog als auch die Akzeptanz und die Anerkennung von Menschen anderer religiöser und kultureller Zugehörigkeit begründen“ (S. 8). In einem „Forschungslabor“ sollen Konzeptionen einer Dialogischen Theologie entwickelt werden. Dazu dient das interdisziplinär wie interreligiös zusammen gesetztes Team von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen an der Akademie der Weltreligionen. Der Bezug zur Realität gelebter Religion soll im Bereich der „Dialogischen Praxis“ erforscht werden, damit theologische Neuansätze „nicht im Elfenbeinturm oder im luftleeren Raum“ (S. 9) entwickelt werden, „sondern mit religiösem Denken und Handeln von Menschen unterschiedlicher religiöser Zugehörigkeit“ verbunden werden können. Das Projekt richtet seinen Fokus auf den Dialog zwischen Menschen verschiedener Religionen, bezieht aber explizit auch den Dialog innerhalb von Religionen und den religiös-säkularen Dialog mit ein. Wechselwirkungen werden untersucht. Zum Dialog in der Praxis gehören aktive Formen auch mit anderen gesellschaftlichen Akteuren – im akademischen wie auch im nicht-akademischen Feld. Beispiele bieten die Kooperation zwischen der Universität und den Religionsgemeinschaften in Hamburg, der „interreligiöse Expertenkreis“ der Akademie der Weltreligionen oder die mit der Hamburger Bürgerschaft ausgerichtete Vortrags- und Diskussionsveranstaltung in der Reihe „Religion und Dialog in Hamburg“. Die Grußworte sind freundlich und unterstützend, das ist von den Geldgebern (BMFW, Bundesministerin Johanna Wanka), der Stadt Hamburg und auch der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät nicht anders zu erwarten.

Prof. Dr. Dieter Lenzen bekräftigt, dass das System Religion keine Ähnlichkeit mit dem Wissenschaftssysteme, ebenso wenig mit anderen gesellschaftlichen Subsystemen wie Wirtschaft, Erziehung oder Kunst hat, denn „Religiöse Überzeugungen, Weltanschauungen und transzendente Deutungsmuster haben (.) in der evidenzbasierten Untersuchung und Erklärung der natürlichen, sozialen oder kulturellen Welt nichts zu suchen.“ (S. 23) gerade deshalb scheint ihm der Ort einer Akademie der Weltreligionen geeignet, um die „Differenz zwischen verschiedenen Formen der Wirklichkeitsbeobachtung zu bekräftigen“ (S. 23).

Zentraler Beitrag in dem Band ist der Vortrag von Paul F. Knitter, einem der führenden Vertreter einer Theologie des Dialoges. Er spricht über „Veränderungen in unserem Verständnis religiöser Vielfalt“ (S. 39) und darüber, wie wir konkret damit umgehen (können). Die bestehenden Modelle des Umgangs der Religionsgemeinschaften streift er nur kurz:

  1. Exklusivismus: Nur eine einzige Religion ist Quelle der Wahrheit
  2. Inklusivismus: Wahrheit findet sich in vielen Religionen, doch die volle und endgültige Wahrheit gibt es nur in der eigenen Religion
  3. Partikularismus: Alle Religionen beanspruchen einen Wahrheitsanspruch, damit muss man leben
  4. Pluralismus: Wahrheit gibt es in vielen Religionen, keine von ihnen besitzt die volle und endgültige Wahrheit, deshalb haben Religionen voneinander zu lernen.

Zentral ist die Unterscheidung von zwei Interaktionsmustern, die Knitter als „Dialog guter Nachbarn“ und als „Dialog gemeinsamer Sucher“ benennt. Die Grundannahme der Strategie guter Nachbarn lautet: „Wir können dann am besten zusammenleben, wenn wir uns als gemeinsame Staatsbürger verstehen, die durch gemeinsame soziale Identitäten und Verantwortlichkeiten vereint sind, aber nicht etwa, wenn wir uns alle als Gläubige verstehen, die durch eine gemeinsame religiöse Identität und gemeinsame Glaubensüberzeugungen verbunden wären.“ (S. 41) In diesem Interaktionsmuster unterscheidet Knitter vier komplementäre Ausprägungen:

  1. Postmoderner Multikulturalismus
  2. Postkoloniale Befreiungstheorie
  3. Pragmatismus
  4. Supersessionismus oder „höfliche Exklusivisten“

Die „gemeinsamen Sucher“ wollen mehr. Sie streben danach, „in Toleranz und Respekt miteinander zu leben und gemeinsam an der Lösung der uns alle bedrängenden Probleme zu arbeiten“ (S. 47). Ihr Dialog hat auch einen spirituellen und theologischen Charakter. Knitter macht keinen Hehl daraus, dass er sich selbst zu den „kreativen Suchern“ zählt und illustriert dies in sehr persönlicher Weise durch die Schilderung seiner eigenen „buddhistisch-religiösen Doppelidentität“.

Diskussion

Es lässt sich fragen, ob eine Sammlung von Grußworten und ein Festvortrag es rechtfertigen, gleich eine Publikation daraus zu machen. Im vorliegenden Fall ist die anfängliche Skepsis des Rezensenten schnell der Faszination bei der Lektüre des Beitrages von Paul F. Knitter gewichen. Er bietet nicht nur eine grundlegende Einführung in den „Dialog der Religionen“, sondern auch eine systematische wie persönlich geprägte Hinführung in konstruktive Perspektiven, die auch Grundlagen der Arbeit in dem vorgestellten Forschungsprojekt „Religion und Dialog in modernen Gesellschaften“ in der Akademie der Weltreligionen sein können. Zu „Dialog“ gibt es eigentlich keine Alternative, auch wenn so komplexe Wahrheitsgebilde wie Religionen miteinander zu tun haben. Die Grußworte dokumentieren die unterschiedlichen Perspektiven, mit denen das Projekt zu tun hat. Da schimmert mitunter die Ambivalenz des wissenschaftlichen Blickes durch, wenn Religion ins Spiel kommt. Auch hier zeigt sich die Notwendigkeit des kritisch-konstruktiven Miteinanders unterschiedlicher gesellschaftlicher Subsysteme, zu denen eben auch Religion gehört.

Fazit

Der Band enthält eine Fülle von Anregungen und Perspektiven im Blick auf die Praxis und die Erforschung von „Religion und Dialog in modernen Gesellschaften“. Es bietet einen „Appetithappen“ auf das, was in dem dargestellten Forschungsprojekt in den nächsten Jahren erwartet werden kann.

Rezension von
Peter Schreiner
Wiss. Mitarbeiter Comenius-Institut. Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft e.V., Münster. Arbeitsbereich: Bildung in der Schule. Aufgaben: Aufgabenbereich Evangelische Bildungsverantwortung in Europa
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Es gibt 3 Rezensionen von Peter Schreiner.

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Zitiervorschlag
Peter Schreiner. Rezension vom 28.07.2014 zu: Wolfram Weiße, Katajun Amirpur, Anna Körs, Dörthe Vieregge (Hrsg.): Religion und Dialog in modernen Gesellschaften. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2014. ISBN 978-3-8309-3098-3. Dokumentation der öffentlichen Auftaktveranstaltung eines internationalen Forschungsprojektes. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/17033.php, Datum des Zugriffs 10.12.2023.


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