Sylvia Greiffenhagen, Oliver N. Buck-Werner: Tiere als Therapie
Rezensiert von Ulrike Koch, 13.11.2014

Sylvia Greiffenhagen, Oliver N. Buck-Werner: Tiere als Therapie. Neue Wege in Erziehung und Heilung. Kynos Verlag (Mürlenbach/Eifel) 2012. 4. Auflage. 336 Seiten. ISBN 978-3-933228-24-6. D: 21,00 EUR, A: 21,60 EUR, CH: 36,90 sFr.
Thema
Theorie und Praxis der Einbindung von Tieren in therapeutische und pädagogische Szenarien mit dem Schwerpunkt auf der Mensch-Tier-Beziehung. Das Buch soll a) einen Einblick in die Praxis in In- und Ausland geben und b) den aktuellen Stand der Forschung aufzeigen (S. 15).
Autorin und Autor
Dr. Sylvia Greiffenhagen ist Sozialwissenschaftlerin und Psychologin. Sie ist Professorin an der Evangelischen Fachhochschule Nürnberg, im Fachbereich Sozialwesen. Die Autorin befasst sich seit vielen Jahren mit dem Thema Mensch-Tier-Beziehung.
Oliver N. Buck-Werner ist Veteränar und praktiziert in Bochum. Er arbeitet seit 1995 mit Dr. Sylvia Greiffenhagen am Thema Behindertenbegleithunde. Er referiert am Institut für soziales Lernen mit Tieren in Wedemark (bei Hannover), im Schwerpunkt zum Thema Euthanasie und Trauerarbeit.
Entstehungshintergrund
Primer handelt es sich bei dem vorliegenden Buch um eine Wiederauflage aus dem Jahr 1991. Neu ist der Verlag und diejenigen Inhalte, die der „[…] Weiterentwicklung des Arbeitsfeldes ausreichend Rechnung […]“ tragen soll (S. 10).
Aufbau und Inhalt
Nach dem Vorwort und der Einleitung (S. 10ff.) folgen elf unterschiedlich lange Kapitel.
Leben mit Tieren (S. 13 – 29). Zunächst (S. 13 – 17) widmen sich Sylvia Greifenhagen und Oliver N. Buck-Werner dem Wandel der Idee einer tiergestützten und dem Wandel der kulturgeschichtlichen Mensch-Tierbeziehung (S. 17 – 20). Es folgen Erläuterungen zur Domestikation (S. 20 – 22) und zur Beziehung zwischen Mensch und Tier – in der das Tier als Individuum, als ein Begleiter durch das eigene Leben – anerkannt wird (S. 22 – 25). Auch erste Beispiele aus der Praxis finden sich an dieser Stelle (S. 25 – 26). Das Kapitel endet mit einer philosophischen Betrachtung des Themas (S. 26 – 29).
Freude mit Tieren (S. 30 – 67). Neben statistischen Daten und einer Kritik, es mangele an Forschung zum Thema Symbiose zwischen Mensch und Tier (S. 30f.) führen Sylvia Greiffenhagen und Oliver N. Buck-Werner Beispiele für die Wirkung von Tieren auf die menschliche Physis, Psyche und auf Verhalten an (S. 32 – 50). Beachtung finden darüber hinaus auch pathologische Verhaltensweisen des Menschen gegenüber (S. 51 – 54). Kurz skizziert wird zudem die Situation der Tierhaltung in Städten (S. 55ff.). Im Weiteren geht es um Zeiten der Trauer, wenn ein Tier verstorben ist (S. 57 – 63). Das Kapitel schließt (S. 63 – 67) mit Worten über maßgebliche „[…] Forschungsmethoden […]“ (S. 63).
Großwerden mit Tieren (S. 68 – 95). Einleitend wird auf die Lebensbedingungen von Kindern und ihren Familien, mit Blick auf den Sinn, den Nutzen und der Rolle von Heimtieren, eingegangen. Zentrale Aspekte sind Freude, Gesundheit (S. 71f.), Verhalten (S. 73f.) und Freundschaft (S. 75). Im Weiteren geht es um die Bedeutung von Tieren für Kinder und Jugendliche entlang ihrer Entwicklungsphasen (S. 75 – 83 und von Tieren in von Kindern besetzten Lebenswelten (83 – 95).
Altwerden mit Tieren (S. 96 – 118). Das Kapitel beginnt mit einer Annäherung an das Thema ´Krisen des Alters’ (S. 97) mit einem Einblick in erste Experimente für dieses soziale Arbeitsfeld (S. 98 ff.). Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen steht die Bedeutung des Miteinanders zwischen älteren Menschen und Tieren (S. 101 f.) – dies insbesondere in Bezug auf den Aspekt ´Selbstbestimmung’ (S. 102 – 106). Sylvia Greiffenhagen und Oliver N. Buck-Werner führen auch hier erste Versuche darüber an, Tiere in den Alltag stationärer Einrichtungen zu etablieren (S. 106 – 118).
Behinderungen ertragen mit Tieren (S. 119 – 150). Nach einigen Beispielen aus dem Alltag von Assistenztieren (S. 119f.) folgen Ausführungen zum Wandel der Bewertung von Behinderungen (S. 120ff.) und zur Lebenssituation behinderter Menschen (S. 123ff.). Aufbauend werden die Ziele und Leitlinien der Behindertenhilfe in Deutschland skizziert (S.125ff.). Auf die Leistungen der Tiere für Menschen mit Behinderungen wird ausführlich eingegangen (S. 127 – 150).
Gesundwerden mit Tieren (S. 151 – 186). Einleitend stellen die Autorin und der Autor verschiedene wissenschaftliche Konzepte – von dem, was unter Gesundheit verstanden wird – vor. Hieran schließen sie mit einem Einblick in soziale Einrichtungen an, in denen Tiere Einfluss auf die Gesundheit von Menschen nehmen: Tiere in Krankenhäusern (S. 155ff.) sowie im psychiatrischen und psychotherapeutischen Bereich (S. 159 – 172). Es folgen Erläuterungen zu unterschiedlichen Erklärungen und Theorien (S. 172 – 186).
In die Gesellschaft zurückfinden mit Tieren (S. 187 – 208). Die emotionale Beziehung zwischen (Heim-)Kindern und Tieren und Projekte mit Tieren im Umgang mit jugendlichen Straftätern stehen im Mittelpunkt dieses Kapitels. In der Einleitung zum Bereich der Erziehungshilfe werden schwierige Situationen in den Familien als auch maßgebliche Aspekte der Fremdunterbringung dargestellt (S. 187 – 191). Vertiefend zeichnen die Autorin und der Autor einige Fallbeispiele nach (S. 192 – 196). Nachfolgend geht um tiergestützte Arbeit mit jugendlichen Straftätern (S. 198 – 208).
Hygiene und andere Bedenken (S. 209 – 232). Ob Infektionsrisiken, Allergien oder die Gefahr, von einem Tier gebissen zu werden, es wird nach einer kurzen Einleitung (S. 209f.) ausführlich auf verschiedene Formen von Zoonosen und mögliche Gefahren eingegangen.
Dem Tierschutzgedanken Rechnung tragen (S. 233 – 244).Das Wohlergehen der Tiere, die als sogenannte Co-Therapeuten eingesetzt werden – auch vor dem Hintergrund des gesetzlichen Rahmems – ist das zentrale Thema dieses Kapitels. Neben Verhaltensauffälligkeiten (S. 236 – 241) findet auch die Prophylaxe (Krankheiten und Stress) Beachtung.
Der Weg zum Behindertenbegleithund (S. 245 – 252). Die folgenden Ausführungen geben Einblick in die Ausbildung eines Behindertenbegleithundes. Von der Begutachtung und der ersten Zeit mit den Wurfgeschwistern (S. 245f.), über die Bedürfnisse und die Prägung (S. 246 – 249) und der Zeit bei einer sogenannten Patenfamilie (S. 249f.) beschreiben Sylvia Greiffenhagen und Oliver N. Buck-Werner darüber hinaus die einzelnen Schritte der Ausbildung (S. 250f.). Beachtung finden auch die Anforderungen an die Halter (S. 251) und Trainer (S. 252).
Der neue Tierarzt (S. 253 – 259). Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die (aktuelle) Situation von Studentinnen und Studenten im Rahmen ihrer tiermedizinischen Ausbildung. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Aufgaben eines praktizierenden Tierarztes, vor allem im Hinblick auf die Mensch-Tier-Beziehung bzw. im Hinblick auf die Rolle des Tieres im Leben seiner Besitzer.
Anmerkungen (S. 260 – 278).Die Anmerkungen betreffen die zitierten Personen und genannten Stellen.
Literaturverzeichnis (S. 279 – 331)
Angaben über die Autorin und den Autoren (S. 332)
Diskussion
Das Buch will im Schwerpunkt einen Einblick in die Praxis und darüber hinaus eine – durchaus auch kritische – Annäherung an das „Forschungsfeld tiergestützter Menschenbehandlung“ (S. 16) ermöglichen. Allen Kapiteln gleich ist, dass immer wieder auf maßgebliche Studien verwiesen wird und eine Vielzahl findet sich als Beleg zu den einzelnen Themen- und Fachbereichen. Vertiefend geht es zudem um den Wandel der Sicht auf das soziale Miteinander von Mensch und Tier. Mit der, an das Ende des ersten Kapitels gestellten, philosophischen Betrachtung erhält der Einstieg in das Thema Tiere als Therapie eine Form von Aufforderung, sich näher mit dem „[…] Prinzip der Gegenseitigkeit (Reziprozität) […]“ in der Mensch-Tier-Beziehung (S. 29) auseinander zu setzen.
Im zweiten Kapitel folgen Sylvia Greiffenhagen und Oliver N. Buck-Werner diesem Prinzip der Reziprozität in soweit, als das sie die Wirkung von Tieren aus dem Miteinander zwischen Mensch und Tier heraus dar stellen. Dies gilt im Übrigen auch für die fünf folgenden Kapitel.
Dem Prinzip der Reziprozität entsprechend, wird durchgängig auch das Verhalten des Menschen beleuchtet. Ein Beispiel ist, die Auseinandersetzung mit der Trauer um ein Tier. Neben der einzelnen Phasen gehen Sylvia Greiffenhagen und Oliver N. Bück-Werner auch auf die Aufgaben des Menschen während der Trauer ein (S. 60ff.).
Der nachfolgend verstärkte Blick in die Praxis beginnt mit Ausführungen zur Beziehung von Kindern und Tieren. Zentral geht es um die Bedeutung von Tieren für die Entwicklung von Kindern. Insbesondere die Rollen der Tiere in Bezug auf das Wohlergehen von Kindern findet hier Beachtung. Neben der Bedeutung der Altersphasen (S. 57 – 80) werden auch die von Kindern besetzten Lebenswelten (S. 83 – 95) berücksichtigt.
Das Alter(n) und die Rolle von Tieren für ältere Menschen stehen im Fokus der weiteren Ausführungen. Im Sinne von Reziprozität betonen die Autorin und der Autor den Wunsch der älteren Menschen nach Selbstbestimmung und Selbständigkeit – vor allem im Hinblick auf den Faktor ´Wohnen im Alter’. An dieser Stelle geben Sylvia Greiffenhagen und Oliver N. Buck-Werner auch Einblick in die aktuelle Situation von Heimen und Pflegeeinrichtungen für ältere Menschen im In- und Ausland (S. 102 – 106). „Immer mehr Heime versuchen, dem Wunsch ihrer alten Bewohner nach Tieren entgegen zu kommen, […].“ (S. 106) Mit diesem Satz beginnt der Einstieg in die Darstellung früherer Versuche, Tiere in stationären Einrichtungen zu etablieren (S. 106 – 110) und in die therapeutische Arbeit mit dementen und depressiven Patienten (S. 110 – 115). Beschrieben werden auch Programme „[…] der Mensch-Tier-Begegnung in Heimen […]“ (S. 115).
Sogenannte Service- oder Assistenzhunde sind die Protagonisten im Kapitel über das Miteinander von Menschen mit Behinderungen und – speziell ausgebildeten – Tiere. Auch hier steht der Wunsch nach Selbständigkeit und Selbstbestimmung als zentrales Thema (S. 124) im Fokus der Ausführungen. Bezogen auf die unterschiedlichen Bedarfe – je nach der Art der Behinderung – der behinderten Menschen stellen die Autorin und der Autor die Aufgaben und Rollen der Tiere dar. In einem weiteren Unterpunkt gehen Sylvia Greiffenhagen und Oliver N. Buck-Werner auf die besondere Situation von behinderten Kindern ein (S. 135 – 141). Beachtung findet auch der Einsatz von Tieren in der Arbeit mit chronisch kranken Menschen (S. 149f.).
Anschließend und aufbauend geht es um den Einsatz von Tieren in einem Genesungsprozess. Die Ausführungen zentrieren sich um die Wirkungen, die Rollen und Aufgaben von Tieren in Krankenhäusern (S. 155 – 159), im psychiatrischen und psychotherapeutischen Bereich (S. 159 – 172). Nachfolgend führen die Autorin und der Autor eine Vielzahl von Erklärungen und Theorien zu den Wirkungen von Tieren in „[…] Behandlungs- und Heilungsprozessen […]“ (S. 172).
Zentrales Thema des folgenden Kapitels sind Kinder und Jugendliche, die ein Fall der Erziehungshilfe sind (S. 187 – 196) oder bereits mit dem Jugendstrafgesetz(S. 196 – 208) zu tun hatten. Neben den Zielen der tiergestützten Arbeit finden sich hier auch einige Fallbeispiele aus dem Bereich der Erziehungshilfen.
In gleicher Weise gehen Sylvia Greiffenhagen und Oliver N. Buck-Werner beim Thema jugendliche Straftäter vor. Beachtung finden sowohl maßgebliche.
In den folgenden zwei Kapiteln stehen das Wohlergehen und der Schutz von Mensch und Tier im Mittelpunkt.
Zielgruppe
Das Buch gilt als Standardwerk mit einem breiten Einblick in die verschiedenen Arbeitsbereiche von Therapie und Pädagogik. Es richtet sich an: Pädagoginnen und Pädagogen, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, an Fachkräfte aus dem Sozialwesen, Psychologie, Psychotherapie, Psychiatrie und auch an Fachkräfte, die für die medizinische Versorgung verantwortlich sind. Auch Studierende, aus den genannten Wissenschaften und Fachbereichen, sollten sich angesprochen fühlen. Da es sich um eine Wiederauflage mit neuen Aspekten und Erkenntnissen handelt, richten sich die Autorin und der Autor auch an Fachkräfte, die bereits im Bereich tiergestützte Therapie und -Pädagogik tätig sind.
Fazit
Dr. Sylvia Greiffenhagen gilt seit vielen Jahren als die Expertin und bereits die erste Auflage trug dazu bei, dem Thema Tiere als Therapie mehr Bedeutung zukommen zu lassen. Insbesondere durch die praxisnahe Darstellung bekommen die Leserinnen und Leser Einblick in die tiergestützte Arbeit mit Kindern sowie mit älteren und behinderten Menschen. Ich als Pädagogin und Sozialpädagogin war besonders beeindruckt von dem Kapitel über die tiergestützte Arbeit mit Kindern aus dem Bereich der Erziehungshilfen und mit straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen (S. 187 – 208). Auch die Berücksichtigung von Hygiene (S. 209 – 232) und dem Wohlergehen von Mensch und Tier (S. 233 – 244) muss ich hier hervorheben. Gewünscht hätte ich mir, ein Kapitel zur Grundausbildung in der Arbeit mit Therapiebegleithunden. Das Buch ist auf jeden Fall zu empfehlen und sollte in jedem Bücherregal von Fachkräften stehen und in jeder Universitätsbibliothek ausleihbar sein.
Rezension von
Ulrike Koch
M.A., Zusatzqualifikationen als Systemische Beraterin und Kulturpädagogin. Zwischen 2009 und 2018 tätig in den Bereichen Jugendarbeit, Schulsozialarbeit, Beratung von Familien, vertiefende Berufsorientierung, Jobcoaching und zum Schluss als Sozialarbeiterin im Kinderschutz.
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