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Stephan Lorenz: Mehr oder weniger?

Rezensiert von Dr. Maurice Schulze, 20.02.2015

Cover Stephan Lorenz: Mehr oder weniger? ISBN 978-3-8376-2776-3

Stephan Lorenz: Mehr oder weniger? Zur Soziologie ökologischer Wachstumskritik und nachhaltiger Entwicklung. transcript (Bielefeld) 2014. 138 Seiten. ISBN 978-3-8376-2776-3. D: 19,99 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 28,00 sFr.

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Autor

Stephan Lorenz, PD Dr. phil., lehrt und forscht am Institut für Soziologie der Universität Jena.

Entstehungshintergrund

Das Buch ging unter anderem aus einem Forschungsprojekt hervor, das sich aus umweltsoziologischer Perspektive dem sogenannten Bienensterben widmete.

Aufbau

  1. Wachstum und soziökologische Aufklärung
  2. Die grüne Seele der Wachstumskritik – Thoreaus Walden reloaded
  3. Sozioökologie der Industriegesellschaft
  4. Arbeit und Konsum in der Überflussgesellschaft
  5. Steigerungsdiagnosen und Wachstumskritik
  6. Eine Verfahrenswissenschaft nachhaltiger Entwicklung
  7. Mittel oder Zwecke? Analyseperspektiven ökologischer Wachstumskritik
  8. Mehr oder weniger?

Inhalt

„Mehr oder weniger?“ – Die Arbeit von Stephan Lorenz widmet sich nicht der Beantwortung dieser grundlegenden Frage moderner Gesellschaften, sondern widmet sich der Differenzierung innerhalb aktueller Auseinandersetzungen mit einem Beitrag „Zur Soziologie ökologischer Wachstumskritik und nachhaltiger Entwicklung“ (Untertitel). Die Verkürzung der Debatte auf ein eindimensionales „Weniger“ soll durch neue Konzepte nachhaltiger Entwicklung umgangen werden, welcher die Analyse von Mitteln und Zwecken ermöglichen soll. Darin ist die Aufgabe der Sozialwissenschaften zu verorten.

Stephan Lorenz sucht mit seinem Buch nach Möglichkeiten, sich den Problemen des Wachstumsthemas zu stellen und macht es sich einleitend zur Aufgabe die „Kernanliegen ökologischer Wachstumskritik herauszuarbeiten“ (10), um das Feld der ökonomischen Wachstumskritik „im Lichte soziologischer Analysen gesellschaftlicher Entwicklungsdynamiken reflektieren“ (11) und somit zu einem Thema der Soziologie überhaupt erst machen zu können. Es soll dadurch ermöglicht werden, die „soziologischen Analysen zur ökologischen Wachstumskritik an die Nachhaltigkeitsdebatte anzuschließen“ (11).

Lorenz macht deutlich, die „ökologische Wachstumskritik als eine spezifische Form der Kritik moderner Gesellschaften zu betrachten“ (12). Es stellt sich damit die Frage, was genau eine ökologische Kritik ausmacht. Um dies herauszustellen, grenzt Lorenz sie von anderen Kritikformen ab um dann festzustellen, dass sich ökologische Kritik auf das Verhältnis von Mensch zur Natur, bzw. von Gesellschaft zur Umwelt konzentriert. Dabei lässt sich die Differenzierung von Natur und Gesellschaft selbst problematisieren. „Eine Natur hier und Gesellschaft da gibt es so nicht“ (15).

Neben der Abgrenzung des Naturverständnisses gehören für Lorenz zu den zentralen Motiven ökologischer Wachstumskritik die „Wirtschafts- und Technikkritik“ (17) wie auch die „Konsumkritik“ (ebd.), die in direktem Zusammenhang mit dem Gesellschaftsverständnis steht, „das modernen Gesellschaften vor allem als Industriegesellschaften und als Konsumgesellschaften […] betrachtet“ (17). Die Antwort auf die Frage nach dem guten Leben wird auf spezielle Art und Weise innerhalb dieser Gesellschaftsformen beantwortet. Denn industriell hergestellte Konsumgüter beantworten die Nachfrage nach den Zwecken des guten Lebens, welche über die physischen Lebensbedingungen der Menschen hinausgehen.

Die Grundfrage nach dem guten Leben versuchte Henry David Thoreau auf seine eigene Weise zu beantworten, indem er „das Verhältnis von Mitteln und Zwecken“ (25) hinterfragt, was ihn für Lorenz zu einem Autor macht, der richtungsweisend in der Auseinandersetzung um ökologische Wachstumskritik auftritt. Eine Lebensweise, die sich an der Befriedigung entworfener Bedürfnisse befriedigt, stellt den Menschen in die Abhängigkeit von Kapital- und Besitzakkumulation. Obwohl die „physischen Lebensbedingungen der Menschen relativ einfach zu sichern“ (36) seien, ist die Gesellschaft von hoher „Geschäftigkeit und technischer Entwicklungsdynamik“ (ebd.) gekennzeichnet. Dies dient allerdings nicht dafür „das kulturelle leben der Menschen, ihre Muße, Unabhängigkeit und freie Entfaltung zu befördern“ (ebd.), verweist Lorenz auf die Kritik Throeaus.

Für die differenzierte Kritik ökologischen Wachstums ist klar Kapitalismuskritik, die sich vor allem gegen Kapitalakkumulation und den deutlichen Konflikt von Kapital und Arbeit stellt, von Industrialisierungskritik zu unterscheiden. Denn die ökologische Wachstumskritik „sensibilisiert dafür, inwiefern Technik und Konsum in modernen Gesellschaften die Begegnungen mit Menschen und Natur mehr verhindern als ermöglichen“ (62). Lorenz schlägt zur Beschreibung der derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnisse in diesem Bezug von einer „flexibilisierten Überflussgesellschaft“ (64) zu sprechen. Diese Form der Gesellschaft ist nicht mehr von Mangel geprägt, sondern es stellt sich die Frage, warum die permanente Steigerung des Wohlstandsniveaus nicht zu einer Sättigung oder einer Bedürfnisbefriedigung führt. Es kommt zu einer Optionenvielfalt, die „über die Befriedigung elementarer Bedürfnisse und Notwendigkeiten hinausreicht“ (65).

Aus dieser Verortung der ökologischen Wachstumskritik heraus ergibt sich die Feststellung, dass es sich hierbei um eine Modernekritik handelt. Als modern gilt dabei eine Gesellschaft, die nicht festgelegt und zukunftsoffen gestaltet ist. Moderne Gesellschaften „sind also per definitionem dynamisch“ (78). Dabei sieht Lorenz in der Beherrschung der Natur und im Wettbewerb, als „starker, oft selbstzweckhaft operierender Antrieb“ (81), wichtige Attribute moderner Gesellschaften.

Lorenz stellt die Abhängigkeit der „Lösungen für ökologische Probleme“ (97) von „gesellschaftlichen Problemdeutungen und politisch Gewolltem“ (ebd.) heraus. Seine Forderungen hierfür ist ein prozeduraler Forschungsansatz, der eine Analyse der Mittel-Zweck-Relationen ermöglicht. In der ungenügenden Erschließung dieser Zusammenhänge ist für ihn „das Hauptproblem im sozialen Verständnis und gesellschaftlichen Umgang mit den Technologien zu sehen“ (108). Mit der klassischen Verfahrensanalyse schlägt Lorenz Möglichkeiten vor, wie diese Lücke geschlossen werden kann. Wachstumskritik kann sich seiner Meinung nach nicht entweder mit den Forderungen nach „weniger“ oder mit „mehr“ beantwortet werden. Nur eine soziologische Analyse, insbesondere in Form einer „prozedurale[n] Analyseperspektive“ (126) kann den Forderungen nach einer Erschließung der Mittel-Zweck-Relationen, deren Ursachen und Folgen, sowie einer Demokratisierung der Ziele gerecht werden.

Fazit

Stephan Lorenz leistet mit seinem Buch einen theoretischen Einstieg in die Diskussion ökologischer Wachstumskritik. Dabei sind seine Differenzierung verschiedener Formen aktueller Debatten um Industrialisierungs- und Kapitalismuskritiken zielführend, um Ansätze nach der von ihm vorgeschlagenen Verfahrensanalyse zu formulieren.

Rezension von
Dr. Maurice Schulze
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Es gibt 15 Rezensionen von Maurice Schulze.

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ISSN 2190-9245