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Hans Peter Dreitzel, Brigitte Stelzer-Dreitzel: Reflexive Sinnlichkeit III: Lebenskunst und Lebenslust

Rezensiert von Prof. Dr. Roland Stein, 22.09.2014

Cover Hans Peter Dreitzel, Brigitte Stelzer-Dreitzel: Reflexive Sinnlichkeit III: Lebenskunst und Lebenslust ISBN 978-3-89797-052-6

Hans Peter Dreitzel, Brigitte Stelzer-Dreitzel: Reflexive Sinnlichkeit III: Lebenskunst und Lebenslust. Entwicklung und Reife aus gestalttherapeutischer und integraler Sicht. EHP – Verlag Andreas Kohlhage (Bergisch Gladbach) 2014. 330 Seiten. ISBN 978-3-89797-052-6. 29,99 EUR. CH: 52,00 sFr.
Lebenskunst und Lebenslust Teil 3.

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Thema

Mit dem vorliegenden Band versucht Hans Peter Dreitzel, bekannter Gestalttherapeut, von ihm identifizierte Lücken in der Gestalttheorie zu schließen. Ihm geht es vor allen Dingen um die Ausarbeitung einer gestalttherapeutischen Entwicklungstheorie sowie die Untersuchung der Frage, was das Projekt eines „guten Lebens“ ausmacht.

Autor

Hans Peter Dreitzel wurde zunächst an die New School of Social Research in New York berufen und war dann drei Jahrzehnte lang Professor für Soziologie an der Freien Universität Berlin. Als ausgebildeter Gestalttherapeut war er Mitbegründer des Gestaltzentrums Berlin (GZB) und zugleich in eigener psychotherapeutischer Praxis tätig. In verschiedenen Instituten fungierte er als Ausbilder für Gestalttherapie. Zugleich hat er eine ganze Reihe von Beiträgen und Büchern veröffentlicht; besonders bekannt und verbreitet dürfte „Emotionales Gewahrsein“ sein (1992/1998).

Das hier rezensierte Buch entstand in Zusammenarbeit mit Brigitte Stelzer-Dreitzel. Auch sie ist Gestalttherapeutin sowie Mitbegründerin des Ausbildungsinstituts für Klinische Lerntherapie (Iigel), Autorin von Lernspielen und Mitautorin verschiedener Bücher. Sie ist verheiratet mit Hans Peter Dreitzel.

Entstehungshintergrund

Dieses Buch ist als Band 3 einer grundlegenden Buchreihe von Hans Peter Dreitzel erschienen. Die ersten beiden Bände der Reihe „Reflexive Sinnlichkeit“ thematisieren „Emotionales Gewahrsein. Die Mensch-Umwelt-Beziehung aus gestalttherapeutischer Sicht“ sowie „Gestalt und Prozess. Eine psychotherapeutische Diagnostik oder: Der gesunde Mensch hat wenig Charakter“. Ursprüngliches Ziel der Reihe war es, Lücken in der allgemeinen Theorie der Gestalttherapie zu schließen: das Modell einer „Kontaktwelle“, die Ausarbeitung einer Phänomenologie der Gefühle, einer praxiskompatiblen Diagnostik der Neurosen – sowie einer gestalttherapeutischen Entwicklungstheorie. Letzteres – sowie die Frage eines „guten Lebens“ stehen im Fokus des hier betrachteten dritten Bandes. Wenn im Untertitel auch von „integraler“ Sicht die Rede ist, so bezieht sich dies auf die Orientierung an Ken Wilbers integrale Entwicklungstheorie. – Der Verfasser sieht mit dem nun vorgelegten dritten Band seine Vorhaben als „beendet, wenn auch nicht abgeschlossen“ (S. 8).

Aufbau und Inhalt

Das Buch beginnt mit der Erörterung einer einleitenden Frage, die das Buch durchzieht und gerade am Ende wieder aufgenommen wird: „Was ist ein gutes Leben?“ Dann ist es in drei Hauptteile gegliedert:

Teil I widmet sich der Frage des „Projekts eines guten Lebens“. Hier werden verschiedene Leitlinien entwickelt, die gestalttherapeutisch geprägt sind, indem sie vom „Hier und Jetzt“ und vom „Fluss“ des Lebens ausgehen, die Bewusstheit und Bewusstmachung von Bedürfnissen und Gefühlen in den Vordergrund stellen sowie auch Aspekte wie Lust und Maßhalten thematisieren.

Teil II enthält einen Entwurf von „Entwicklung und Reifung“ aus gestalttherapeutischer und integraler Perspektive. Hier wird besonderer Bezug auf das holografische Entwicklungs-Modell von Ken Wilber genommen. Thematisiert werden unter anderem Aspekte wie Konfluenz, Narzissmus, besondere Entwicklungs- und Lebensherausforderungen sowie Krisen – sowie die Frage der Reifung.

Teil III entwickelt eine „Praxis der reflexiven Sinnlichkeit“. Achtsamkeit auf das eigene Selbst wird hier in den Vordergrund gestellt. Ein entsprechendes Üben dient aus Dreitzels Sicht grundlegend der Möglichkeit einer konstruktiven Weiterentwicklung und Veränderung der Kultur. In einem breiten, stark buddhistisch orientierten Kapitel wird ausführlich das Üben von Bewusstheit anhand der „Weisungen des Atisha“ dargestellt – gefolgt von „Kinomichi und Kum Nye“ – dem Üben von Körper-Gewahrsein. Eine Reflexion zum „scheinbaren“ Gegensatz zwischen Ichhaftigkeit und Ichlosigkeit beschließt das Buch – hier geht es um das Verhältnis von Selbst, Bewusstsein, Bewusstheit, Transzendenz, Verantwortung – und wiederum Kultur.

Ein Nachwort von Thomas Rieger, Berater und Trainer, beschließt das Buch. Ergänzt wird es durch ein Themenregister sowie ein Literaturverzeichnis.

Diskussion

Hans Peter Dreitzel ist ein renommierter Autor im Feld der Humanistischen Psychologie, der mit „Emotionales Gewahrsein“ schon vor vielen Jahren ein Werk vorgelegt hat, an dem man nicht vorbeikommt, wenn man sich mit dieser Thematik beschäftigt. Das vorliegende Buch, Entwicklung und Reife thematisierend, zeugt selbst von großer Reife des Verfassers. Es vereint vertiefte Überlegungen zur Weiterentwicklung der hinter dem entsprechenden therapeutischen Ansatz stehenden Gestalttheorie, philosophische Ausflüge, gezielte Beiträge des Buddhismus und der Meditation und konzeptionelle Ergänzungen wie Ken Wilbers Ansatz – sowie eine Fülle gesellschaftstheoretischer Betrachtungen. Durchweg erweisen sich die Gedankengänge Dreitzels dabei als auf der Höhe der Zeit befindlich sowie über das Aktuelle hinausweisend – und zeugen von fundierter Kenntnis und kritischer Reflexion. Es entsteht ein Gesamtwerk zu „Lebenskunst und Lebenslust“, das zeigt, wie aktuell Gestalttheorie und Gestalttherapie, in den vergangenen Jahren mitunter etwas in den Hintergrund der Therapiediskussion geraten, auch heute sein können – und wie lebendig. Gestalttherapie, wie sie hier betrachtet wird, ist weit mehr als klassische therapeutische Arbeit. Wenn Verschiedenes, das Dreitzel erörtert, durchaus auch diskutierbar ist, so bietet das Buch in all seinen Kapiteln reichhaltige Anregungen zum Nachdenken über Psychotherapie, Gesellschaft und die ganz persönliche menschliche Entwicklung an.

Fazit

Hans Peter Dreitzels Buch stellt eine tiefreichende Reflexion dar, die sowohl Therapeuten und Wissenschaftler als auch einfach an ihrer eigenen Weiterentwicklung interessierte Leser ansprechen dürfte. Auf Basis der beruflichen Vita des Autors als Therapeut sowie Soziologe werden Gedankenführungen zwischen Individualität, Gemeinschaft und menschlicher Kultur aufgespannt. Der Text ist durchweg durch große Aktualität und weiten Blick gekennzeichnet – und zugleich durch eine vertiefte wissenschaftliche Orientierung, die zugleich verständlich und gedanklich klar aufgearbeitet wird. Es lässt sich kaum eine spezifische Zielgruppe beschreiben – das Buch sei sicher Therapeuten und auch Pädagogen, letztlich aber all jenen sehr empfohlen, die sich selbst weiterentwickeln wollen und denen es zugleich um ein konstruktives Vorankommen unserer Kultur in schwierigen, prospektiv auch stürmischen Zeiten geht – und um die Verantwortung hierfür.

Rezension von
Prof. Dr. Roland Stein
Universität Würzburg, Institut für Sonderpädagogik - Pädagogik bei Verhaltensstörungen
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Es gibt 32 Rezensionen von Roland Stein.

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Zitiervorschlag
Roland Stein. Rezension vom 22.09.2014 zu: Hans Peter Dreitzel, Brigitte Stelzer-Dreitzel: Reflexive Sinnlichkeit III: Lebenskunst und Lebenslust. Entwicklung und Reife aus gestalttherapeutischer und integraler Sicht. EHP – Verlag Andreas Kohlhage (Bergisch Gladbach) 2014. ISBN 978-3-89797-052-6. Lebenskunst und Lebenslust Teil 3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/17058.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.


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