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Saskia Erbring: Inklusion ressourcenorientiert umsetzen

Rezensiert von Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap, 04.08.2014

Cover Saskia Erbring: Inklusion ressourcenorientiert umsetzen ISBN 978-3-8497-0022-5

Saskia Erbring: Inklusion ressourcenorientiert umsetzen. Carl-Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2014. 124 Seiten. ISBN 978-3-8497-0022-5. 9,95 EUR.

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Thema

In dem Büchlein werden Fragen zum Thema Inklusion in der Schule beantwortet, wo unter dieser Zielperspektive die konkrete, reale, „eigene“ Schule weiterentwickelt werden soll und will. Dies erfolgt – teils beispielhaft belegt – mit Anregungen aus der Praxis sowie im Kontext systemischen Denkens. Die Lesenden werden „aus der Problemtrance in die Lösungsorientierung“ geführt – so die Autorin (S. 117). Bisher ungenutzte Ressourcen werden sichtbar gemacht. Die Gesundheit aller Agierenden hat dabei einen besonderen Stellenwert.

Autorin

Dr. Saskia Erbring war Lehrerin an einer Gesamtschule und (bis 2012) Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität zu Köln sowie Lehrbeauftragte für Pädagogische Psychologie und Gesundheitspsychologie an der Hochschule Fresenius Köln. Heute ist sie selbstständig in eigener Praxis tätig: u. a. Kommunikation und Teamentwicklung, inklusive Schulentwicklung.

Entstehungshintergrund

dieses in der Reihe „Spickzettel für Lehrer“ erschienenen Büchleins (92 x 143 x 7 mm) ist der breite Erfahrungs- und Tätigkeitsbereich der Autorin, (auch) in der Schule Inklusion umzusetzen, und zwar wissenschaftlich begründet und adressatenbezogen.

Aufbau und Inhalt

Im umfangreichsten 1. Kapitel „Inklusion: Systemische Kommentare zur aktuellen Praxis“ (15 ff.) werden unter Bezugnahme auf Lehreräußerungen die aktuelle schulische Situation mit „Ressourcenblick“ beschrieben und wissenschaftliche Grundlagen zur Inklusion erläutert. Differenziert arbeitet die Autorin die Mehrgliedrigkeit und Segregation des deutschen allgemeinen und des Förderschulsystems heraus (19 ff.). „Kritikpunkt an der bisherigen Praxis ist, dass mit der Ausweitung sonderpädagogischen Förderbedarfs dem Kind nicht nur zusätzlicher Förderbedarf zugestanden wird, sondern es mit einer defizitorientierten Etikettierung versehen wird“ (21). Die Autorin folgt dem aktuellen Vorschlag von Wissenschaftlern, schulische Bildung generell zu überdenken und neu zu ordnen, wobei allerdings „Desegregation“ der Kinder an bestehende Routinen und Regelungen der allgemeinen Schule überwunden werden muss (26). Eltern (z. B. in Nordrhein-Westfalen) fordern vor allem mehr Mitgestaltung und Engagement der Lehrkräfte bei der inklusiven Schulentwicklung (33). Denn sie erfordert besonders kollegiale Zusammenarbeit (35). Es gilt aber auch, ein „inneres Team“ zur Inklusion zu bilden, weil wir bei wichtigen Themen (oft) „mehrere Stimmen in uns haben“ (40). Im nächsten Abschnitt setzt sich die Autorin mit der Furcht vieler Lehrkräfte auseinander: „Inklusion macht uns Lehrer krank“ (50 ff.). Sieben wichtige Gesundheitsressourcen für Lehrkräfte werden hervorgehoben (59 ff.) – wie zum Beispiel: Selbstwirksamkeit, Distanzierungsfähigkeit. Im „Fazit: Inklusion als Übergang oder als Ressource“ (61 ff.) sollen die Lesenden kriterienbezogen ihre persönliche Selbsteinschätzung dazu bilanzieren.

Im 2. Kapitel „Inklusion als U-Prozess“ (71 ff.) macht die Autorin anhand dieses Modells deutlich, „welche Schritte im Schulentwicklungsprozess notwendig sind und wo Ressourcen für inklusive Schulentwicklung verborgen sind“ (14) – dies mit Arbeitsmaterialien und praktischen Übungen (auch für das gesamte Kollegium) und Verweisungen auf die Kapitel 1 und 3.

Einige Aspekte sollen nach Absicht der Autorin (14) im 3. Kapitel vertieft werden: „Anregungen für inklusive Schulentwicklung“ (89 ff.). Ohne weitere detaillierte vertiefende Literaturhinweise kommentiert sie Äußerungen und Fragen von Veranstaltungsteilnehmern und gibt nach einer realistischen Schilderung der derzeitigen realen Teamkultur an Schulen (95 f.) Anregungen zur Durchführung von schulinternen Lehrerfortbildungsveranstaltungen zur Inklusion (96 ff.). Wie Schulleitungen die Teamentwicklung an den Schulen unterstützten können, wird praxisbezogen erläutert.

Vielfach wird an Schulen versucht, den im 2. Kapitel geschilderten U-Prozess der Inklusion zu verkürzen, indem wichtige Schritte ausgelassen werden, „die später mühsam nachgeholt werden müssen“ (14). Davor warnt die Autorin im 4. Kapitel: „Vorsicht bei Abkürzungen!“ (111 ff.). Dies ist der Fall, wenn

  • nach der Situationsdiskussion unmittelbar ohne ausreichende Diskussion und Reflexion der vorhandenen Ressourcen eine Aufgabenzuweisung an die Beteiligten erfolgt (dann steigt das Belastungserleben);
  • von der Ist-Analyse ohne Teamentwicklung zum Soll-Konzept übergeleitet wird (verstärkt die bisherigen negativen Erfahrungen ohne Teamarbeit);
  • ohne Perspektivwechsel aller Beteiligten Leitgedanken sonderpädagogischer Förderung als „heimliche“ Leitgedanken in die allgemeine Schule überführt werden (116).

Erst „am Scheitelpunkt des U gelangen wir aus der Problemtrance in die Lösungsorientierung“ (s. o.: Thema). Im kurzen „Schluss und Ausblick“ lädt die Autorin mit dieser Zusammenfassung als 5. Kapitel nochmals konkret zu einer „lösungsorientierten Haltung“ ein (117 f.). Zusatzmaterialien sind im Internet zu finden (120), Literaturangaben abschließend (121 ff.).

Diskussion

  1. Wird den Lesenden bewusst (gemacht), dass sie auf der Grundlage dieses im 1. Kapitel dargestellten systemischen Anforderungs-Ressourcen-Modells nicht nur mit dem Ziel einer inklusiven Schulentwicklung arbeiten lernen, sondern grundsätzlich ihr eigenes Berufsverständnis reflektieren und weiterentwickeln sowie die allgemeine Zusammenarbeit im Kollegium fördern, um diese weniger als Belastung, sondern als vorhandene Ressource zu erleben?
  2. Wäre zu dieser Erkenntnisgewinnung eine ein wenig ausführlichere und noch theoretisch fundiertere Bearbeitung des Themas hilfreicher?
  3. Dieser Diskussionsaspekt führt zur generellen Frage, ob dieses wichtige und bedeutsame Thema für die Zukunft und nicht nur für „aktuelle Anlässe“ optimal als „Spickzettel“ präsentiert werden sollte?

Fazit

Hier wird nicht das Thema Inklusion an sich – in ihrer nationalen und internationalen Bedeutung, ihren Grundlagen und Auswirkungen generell – bearbeitet, sondern die Brücke zur Praxis geschlagen: Umsetzung der Inklusion in realen Schulen von dort agierenden Menschen, die dazu durchaus Ressourcen haben. Diese müssen ihnen bewusst gemacht und gefördert werden. Aus ihrer Tätigkeit als Lehrerin, Moderatorin und Fortbildnerin greift die Autorin auch auf umfangreiche eigene Praxiserfahrung und Sichtweisen zurück und verknüpft sie mit jenen, über die Veranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmer berichtet haben. So werden die Darstellung und die Anregungen lebendig und anschaulich. Die Themenbearbeitung erfolgt aber auch theoretisch begründet, wenn auch Literaturhinweise zum Teil nicht vollständig sind und auf Erfahrungen im Ausland ohne Konkretisierung nur verwiesen wird. Als „Spickzettel“ in dieser Reihe gibt das Büchlein hilfreiche Anregungen für eine reale inklusive Schulentwicklung, wirkt aber mit manchen Übungen auf die Lesenden und dann Mitwirkenden in den Schulen bei den Kommunikationsprozessen weit darüber hinaus auf deren Berufs- und Persönlichkeitsverständnis. Insofern ist es ein kleiner, aber inhaltsschwerer Begleiter und Helfer im Arbeitsalltag nicht nur in schwierigen Situationen bei inklusiven Schulentwicklungsprozessen.

Rezension von
Dipl.-Hdl. Dr. phil. Klaus Halfpap
Ltd. Regierungsschuldirektor a. D.

Es gibt 51 Rezensionen von Klaus Halfpap.

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ISSN 2190-9245