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Olaf Deinert, Felix Welti (Hrsg.): Behindertenrecht

Rezensiert von Prof. Dr. Gerhard Igl, 21.08.2014

Cover Olaf Deinert, Felix Welti (Hrsg.): Behindertenrecht ISBN 978-3-8329-7326-1

Olaf Deinert, Felix Welti (Hrsg.): Behindertenrecht. Arbeits- und Sozialrecht, öffentliches Recht, Zivilrecht ; alphabetische Gesamtdarstellung. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2014. 1046 Seiten. ISBN 978-3-8329-7326-1. D: 98,00 EUR, A: 100,80 EUR, CH: 139,00 sFr.

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Thema

Das Behindertenrecht findet sich nicht nur im Sozialgesetzbuch (SGB IX), sondern verzweigt über alle Bücher des Sozialgesetzbuchs. Auch außerhalb des Sozialgesetzbuchs finden sich zahlreiche Vorschriften, so im Arbeitsrecht, im Zivilrecht und im Öffentlichen Recht. Die vielfältigen Verzweigungen des Rechtsgebiets machen das Behindertenrecht zu einer ziemlich schwer überschaubaren Rechtsmaterie. Der vorliegende an Stichwörtern orientierte Kommentar hilft, den Überblick zu wahren und die richtigen Wege für die Rechtsfindung zu beschreiten.

Herausgeber, Autorinnen und Autoren

Die beiden Herausgeber, Olaf Deinert und Felix Welti, zählen zu den führenden rechtswissenschaftlichen Kennern der Materie des Behindertenrechts, Deinert für das Arbeitsrecht und das Zivilrecht, und Welti für das Sozialrecht und das Öffentliche Recht.

Zu diesen Herausgebern, die auch selbst als Autoren in diesem Werk tätig sind, treten 25 erfahrene Expertinnen und Experten vor allem aus der Wissenschaft, aber auch aus der Praxis (Isabell Amann, Minou Banafsche, Claudia Beetz, Renate Bieritz-Harder, Uwe Boysen, Dietrisch Braasch, Judith Brockmann, Wolfgang Däubler, Anna-Miria Fuerst, Christian Grube, Katharina Hilbig-Lugani, Daniel Hlava, Bernd Horstmann, Anja Jeschke, Gabriele Kuhn-Zuber, Christof Lawall, Steffen Luik, Christiane Möller, Hans-Günther Ritz, Marcus Schian, Thomas P. Stähler, Martin Theben, Peter Ulrich, Manuela Willig, Björn Winkler).

Entstehungshintergrund

Das Werk knüpft an an das von Olaf Deinert und Volker Neumann im gleichen Verlag herausgegebenen Handbuch SGB XI (2. Auflage 2009).

Der Grund für die Gestaltung dieses Handbuchs als ein auf Stichwörtern beruhendes Nachschlagewerk liegt, wie die Herausgeber im Vorwort ausführen, im Bedürfnis der Rechtspraxis, grundsätzliche Informationen nicht nur anhand von Paragraphen und Gesetzen, sondern auch nach Lebenssituationen und Bedarfslagen gegliedert zu erhalten. Allerdings ist zu sagen, dass die Stichwörter eher unter rechtlichen Gesichtspunkten konfiguriert sind und nicht nach Lebenssituationen und Bedarfslagen. Das ist aber unschädlich, denn das Werk soll kein Rechtsratgeber für Menschen mit Behinderung sein, sondern eine fachliche Hilfe für die Rechtspraxis.

Aufbau und Inhalt

In dem Werk werden 162 Stichwörter behandelt. Da die Behandlung dieser Stichwörter nicht im Einzelnen dargestellt werden kann, soll hier stellvertretend auf fünf Stichwörter eingegangen werden: Betreutes Wohnen, Betriebliches Eingliederungsmanagement, Heim, Persönliches Budget und Schule. Alle Kommentierungen folgen einen einheitlichen Schema: Literaturverzeichnis, Einführung, Einzeldarstellung.

Unter dem Stichwort Betreutes Wohnen (bearbeitet von Isabell Amann) wird zunächst auf die Begriffsvielfalt und das Fehlen einer einheitlichen Begrifflichkeit hingewiesen. Hierzu werden die verschiedenen offiziellen und offiziösen Verwendungen dargestellt. Da der Begriff des Betreuten Wohnens auch in der heimrechtlichen Gesetzgebung der Länder – wie auch früher unter dem Heimgesetz des Bundes – eine wichtige Rolle spielt, werden sämtliche Nachfolgegesetze der Länder unter diesem Gesichtspunkt aufgeführt. Da mittlerweile alle Bundesländer eigene Nachfolgegesetze haben (zuletzt Thüringen mit dem Thüringer Wohn- und Teilhabegesetz vom 10. Juni 2014), spielt das Heimgesetz nur noch eine Rolle für die in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen zur Abgrenzung von Betreutem Wohnen zur stationären Unterbringung. Die Nachfolgegesetze werden nach dem personellen Anwendungsbereich, dem Vorhandensein einer Definition des Betreuten Wohnens, der Anwendbarkeit des jeweiligen Gesetzes auf Betreutes Wohnen und nach speziellen Regelungen analysiert. Diese länderrechtsvergleichende Analyse ist vorbildhaft und erweist sich als äußerst hilfreich für denjenigen, der sich hier einen schnellen Überblick über die Rechtslage in den Bundesländern verschaffen will. Unter dem Stichwort wird auch noch kurz das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) in Hinblick auf die Anwendbarkeit für Verträge im Betreuten Wohnen erläutert.

Unter dem Stichwort Betreutes Wohnen wird sachentsprechend auch auf das Stichwort Heim (bearbeitet von Gabriele Kuhn-Zuber) verwiesen. Auch hier werden länderrechtsvergleichend die Nachfolgegesetze zum Heimgesetz untersucht. Weiter wird auf die Eingliederungsleistungen im Heim und die Pflegeleistungen in stationären Einrichtungen, sogar auf Leistungen der häuslichen Pflege bei zeitweisem Aufenthalt in häuslicher Umgebung, eingegangen. Das gerade für behinderte Menschen virulente Problem der Finanzierung von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege wird ausführlich erläutert. Weiter werden prozessuale Hinweise gegeben, wobei unter diesem Abschnitt etwas unpassend auch die Fragen des sog. Pflege-TÜV thematisiert werden. Zum letzten Thema fehlt bei den Rechsprechungshinweisen allerdings die bisher einzige höchstrichterliche Entscheidung (BSG, Urt. v. 16.05.2013 – B 3 P 5/12 R). Ansonsten wird auch dieses Stichwort übersichtlich und fachkundig bearbeitet.

Unter dem Stichwort Betriebliches Eingliederungsmanagement (bearbeitet von Björn Winkler) erfährt man in klarer Darstellung so ziemlich alles, was man rechtlich an Hinweisen auf diesem Gebiet benötigt. Darüber hinaus – und hier sieht man, wie wichtig die praktische Rechtserfahrung ist – wird auch auf taktische Erwägungen im Präventionsverfahren eingegangen (Rn. 20).

Ein zentrales Thema des Behindertenrechts stellt das Persönliche Budget dar. Zu diesem Stichwort (bearbeitet von Felix Welti) werden zunächst in der Einführung alle Charakteristika beschrieben, bevor dann Fragen des Anspruchs, der Bedarfsfeststellung, des Verfahrens und der Zielvereinbarung erörtert werden. Auch bei diesem Stichwort erfährt man alles Notwendige in der gebotenen Klarheit.

Beim Stichwort Schule (bearbeitet von Anna-Miria Fuerst) ist ähnlich wie beim Betreuten Wohnen und beim Heimrecht die landesrechtliche Situation aufzunehmen. Zu erläutern sind bei diesem Themenkreis aber auch noch das Verfassungsrecht und die UN-Behindertenrechtskonvention und ihre Umsetzung im Landesrecht (s. hierzu jetzt die im Literaturverzeichnis zu diesem Stichwort noch nicht aufgenommene Dissertation von Dörte Dörschner, Die Rechtswirkungen der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland am Beispiel des Rechts auf inklusive Bildung, Berlin 2014). Leider findet man von den wenigen juristischen Monografien zu diesem Themenkomplex die einschlägige Dissertation von Johannes Reimann, Die Sicherstellung des Schulbesuchs behinderter Kinder mit Mitteln des Schul- nd Sozialrechts, Hamburg 2007, nicht im Literaturverzeichnis.

Diskussion

Wie schon in meiner Besprechung zum Werk von Björn Harich (Hrsg.), Handbuch der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ist auch hier zu sagen, dass das Kommentierungsformat „Handbuch mit Stichwörtern“ bzw. „Stichwortkommentar“ in Deutschland noch keine große Verbreitung gefunden hat. Marktbeherrschend sind die Kommentierungen anhand von Gesetzesmaterien und einzelnen Vorschriften. Gerade der vorliegende Stichwortkommentar zeigt, dass bei vielfältig verzweigten Rechtsgebieten wie dem Behindertenrecht die Zusammenfassung der Rechtsprobleme unter einem Stichwort sehr viel hilfreicher ist als die an Vorschriften orientierte Kommentierung. So findet man zu jedem behindertenrechtlich relevanten Thema eine zusammenschauende Sichtweise und eine verlässliche rechtliche Präsentation.

Allerdings stellt die Herausgabe eines solchen Werkes und die Koordinierungsarbeit, die in Richtung auf die Autoren zu leisten ist, eine besondere Herausforderung dar. So darf man etwas erstaunt sein, wenn zum Stichwort Pflegebedürftigkeit nur ein Steuerrechtskommentar und zum Stichwort Pflegeversicherung überhaupt keine Publikationen im Literaturverzeichnis aufgenommen worden sind (beide Stichwörter bearbeitet von Gabriele Kuhn-Zuber). Sehr umfangreiche Literaturhinweise enthalten dagegen beispielsweise das Stichwort Behindertenrechtskonvention (bearbeitet von Minou Banafsche) oder das Stichwort Datenschutz (bearbeitet von Marcus Schian).

Fazit

Das Behindertenrecht eignet sich hervorragend für eine an Stichwörtern orientierte Kommentierung. Der vorliegende Stichwortkommentar stellt dies mit seinen 162 Stichwörtern beeindruckend gültig unter Beweis. Man kann davon ausgehen, dass dieser Kommentar selbst für den im Behindertenrecht einigermaßen erfahrenen Juristen eine wertvolle Hilfe darstellt. Dies gilt gerade für die beratende Praxis, für die dieses Werk als erste Wahl für den Zugang zum Behindertenrecht und dessen Verständnis gelten kann.

Ein Überblick über alle Stichwörter findet sich unter www.nomos-shop.de.

Rezension von
Prof. Dr. Gerhard Igl
(Universitätsprofessor a.D., Universität Kiel)
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Es gibt 53 Rezensionen von Gerhard Igl.

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ISSN 2190-9245