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Martin Schölkopf, Holger Pressel: Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich

Rezensiert von Diplomökonom Univ. Uwe Huchler, 23.09.2014

Cover Martin Schölkopf, Holger Pressel: Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich ISBN 978-3-95466-101-5

Martin Schölkopf, Holger Pressel: Das Gesundheitswesen im internationalen Vergleich. Gesundheitssystemvergleich und europäische Gesundheitspolitik. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (Berlin) 2014. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. 290 Seiten. ISBN 978-3-95466-101-5. D: 69,95 EUR, A: 72,05 EUR, CH: 86,00 sFr.

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Thema

Es gibt kaum einen anderen Bereich unserer Gesellschaft, der so häufig im Mittelpunkt der Diskussion steht. Sei es in öffentlichen und politischen Diskussionen, aber auch überall im privaten Bereich wird über das Gesundheitswesen diskutiert. Eine Reform jagt die andere – fast in jeder Wahlperiode steht eine Gesundheitsreform auf der politischen Agenda. Und wer gerne über unser Gesundheitssystem diskutiert und/oder anstehende Reformen auf den Weg bringen und umsetzen will, ist gut beraten über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Ländervergleiche können zeigen, welche Erfahrungen mit Reformvorschlägen andernorts bereits gemacht worden sind. Und sie zeigen, wie ausgabenträchtig, wie patientenfreundlich, wie effizient oder wie gerecht ein Gesundheitssystem tatsächlich ist

Dieses Buch widmet sich all diesen Themen und Herausforderungen und stellt eine Einführung in die Gesundheitssysteme zahlreicher Länder und in die Gesundheitspolitik der EU dar.

Autoren

Dr. rer. soc. Martin Schölkopf ist seit 2013 Leiter der Unterabteilung ‚Pflegeversicherung‘ im Bundesministerium für Gesundheit. Zuvor (ab 2000) war er Referent im Stabsbereich Politik der Deutschen Krankenhausgesellschaft, (ab 2004) Leiter des Referats ‚Finanzielle Grundsatzfragen der Sozialpolitik‘ im Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung, (ab 2006) Leiter des Referats ‚Grundsatzfragen der Gesundheitspolitik, gesamtwirtschaftliche Aspekte des Gesundheitswesens‘.

Dr. rer. soc. Holger Pressel ist seit 2011 Leiter des Referates ‚Politik‘ und stellv. Leiter der Stabsstelle ‚Unternehmenskommunikation/Politik‘ bei der AOK Baden Württemberg. Zuvor war er bei der Frauenhofer-Gesellschaft, Institut für Arbeitsschaft und Organisation (FhG-IAO)

Entstehungshintergrund, Ziele und Zielgruppe

Das Buch ist als 2. aktualisierte und erweiterte Auflage (vgl. auch die Rezension zur 1. Auflage) in der Reihe ‚Health Care Management: Gestalten, Entscheiden und Führen im Gesundheitswesen‘ erschienen. Diese Reihe richtet sich an Gestalter und Entscheider in Krankenversorgung, Gesundheitswirtschaft und Politik. Das Buch soll außerdem wichtige Hilfestellungen zur weiterführenden Recherche sowohl für Studierende als auch für Lehrende und Praktiker aus dem Gesundheitswesen bieten. Die zweite Auflage erweitert den Blick auf zusätzliche Länder und liefert damit einen Überblick über die Strukturen von 31 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bzw. der OECD. Verglichen werden Gesundheitsausgaben und Finanzierung, Strukturen der ambulanten und stationären Versorgung, Arzneimittelversorgung und Daten zur Effizienz, Qualität und Nutzerorientierung und somit zur Leistungsfähigkeit von Gesundheitssystemen.

Das Buch ist nach Angaben der Autoren als Einführung und Nachschlagewerk angelegt. Es kann und will ‚nicht sämtliche Aspekte‘ des Gesundheitssystemvergleiches in ihrer Tiefe und Breite darstellen.

Aufbau

Das Buch ist in neun Kapitel gegliedert.

  1. Die Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich: Typologie und Entstehungsprozess
  2. Die Gesundheitssysteme im internationalen Vergleich: Länderberichte
  3. Die Gesundheitsausgaben und Ihre Finanzierung
  4. Stationäre Versorgung
  5. Die ambulante ärztliche Versorgung
  6. Arzneimittelversorgung
  7. Die Leistungsfähigkeit von Gesundheitssystemen: Effizienz, Qualität und Nutzerorientierung
  8. Die europäische Gesundheitspolitik
  9. Weiterführende Informationen

Inhalt

Im ersten Kapitel wird in knapper Form dargestellt, welche unterschiedlichen Typen von Gesundheitssystemen im internationalen Vergleich vorkommen und welche historischen Wurzeln die Gesundheitssysteme haben.

In Kapitel 2 folgen jeweils kurze Länderdarstellungen, die Auskunft über die wesentlichen Grundcharakteristika der einzelnen Gesundheitssysteme enthalten. Dort finden sich auch Hinweise, wo detaillierte Informationen der jeweiligen Länder erhältlich sind (Literatur und Internetseiten).

Die folgenden Kapitel beschäftigen sich dann mit den Querschnittsvergleichen dieser Gesundheitssysteme.

Das dritte Kapitel befasst sich mit der Höhe der Gesundheitsausgaben und ihrer Finanzierung. Neben quantitativen Vergleichen werden dort auch die unterschiedlichen Finanzierungsstrukturen der einzelnen Gesundheitssysteme dargestellt.

Im vierten Kapitel geht es um die stationäre Versorgung. Hier finden sich international vergleichende Daten zu den Ausgaben, Versorgungskapazitäten und Leistungen der Krankenhausversorgung, aber auch Informationen über Organisation und Struktur von Krankenhausplanung, Investitionskostenfinanzierung und Vergütung der Krankenhäuser der untersuchten Länder.

Kapitel 5 beschäftigt sich mit der ambulanten ärztlichen Versorgung. Zunächst wird eine vergleichende Perspektive über die Ausgaben für diesen Sektor, die vorhandenen Kapazitäten und die Inanspruchnahme durch die Patienten informiert, um dann auf die Organisation der Leistungserbringung sowie die Vergütungsstrukturen und das Einkommen der Ärzte einzugehen.

Das sechste Kapitel widmet sich der Arzneimittelversorgung. Ausgehend von der Kostenentwicklung bei den Pharmazeutika werden in diesem Kapitel die zentralen institutionellen Rahmenbedingungen erläutert, die die Zulassung, die Preissetzung und die Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln in den verschiedenen Gesundheitssystemen regelt.

In Kapitel 7 wird die Leistungsfähigkeit von Gesundheitssystemen vergleichend untersucht. Wie effizient ist die Gesundheitsversorgung jeweils organisiert, welche Unterscheide gibt es bei der Qualität der Leistungserbringung und wie patientenfreundlich ist die Gesundheitsversorgung jeweils.

In Kapitel 8 beschreibt die Gesundheitspolitik der Europäischen Union und ihre Folgen für Deutschlands Gesundheitspolitik.

Kapitel 9 mit den weiterführenden Informationen gibt zahlreiche Hinweise und Tipps sowie für die eigene, weiterführende Recherche.

Diskussion

Schölkopf/Pressel stellen mit diesem Buch ein hervorragendes Werk zur Verfügung. Das Buch dient in jeglicher Hinsicht dazu, die Diskussion zum Gesundheitswesen und zur Gesundheitspolitik zu versachlichen und liefert den Lesern sehr wertvolle Hinweise zu viel diskutierten Themen und einen hervorragenden Überblick zu den verschiedenen Gesundheitssystemen.

Die Einführung zu Typologie und Entstehungsgeschichte ist nicht nur für Hochschule und Studierende sehr lesenswert und gliedert die Gesundheitssyteme nach unterschiedlichen Kriterien.

Kapitel 2 liefert einen sehr umfangreichen Überblick über die verschiedenen Systeme. Dieses ist so gut aufgebaut, dass es sich hervorragend als Nachschlagewerk eignet. Am Ende jedes Länderberichtes sind weiterführende Informationen zu Behörden und zur vertiefenden Literatur gegeben.

Im weiteren werden sachlich einige Thesen dargestellt und gleichsam wiederlegt. Beispiele: Trotz der sicherlich hohen Ausgaben im Gesundheitswesen kann von einer ‚Kostenexplosion‘ zumindest im Vergleich zu andern Länder nicht gesprochen werden.

Kapitel 3 stellt dazu ausführlich Informationen zusammen und widerlegt auch die oftmals angebrachte These dazu. Interessant ist auch der Hinweis, das seit erst der Wiedervereinigung ein Anstieg der Ausgabenquote bzw. der Gesundheitsausgaben am BIP zugenommen hat und nicht Folge einer Kostenexplosion ist, sondern bei gleich hohen Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in West- und Ostdeutschland das ostdeutsche BIP deutlich geringer ausfiel (und nach wie vor geringer ausfällt). Der festgestellte Anstieg ist damit nicht Resultat explodierender Kosten, sondern das Ergebnis eines Zurückbleibens des gesamtdeutschen BIPs. Auch hier analysieren die Autoren sachlich und stellen umfangreiches und nachprüfbares Zahlenmaterial zusammen. In einer Weiteren spannenden und aufschlussreichen Darstellung werden die Verwaltungskosten betrachtet. In der gesundheitspolitischen Debatte wird nur allzu gefordert, dass die angeblich sehr hohen Verwaltungskosten zu reduzieren sind, um den Beitragssatz der Gesetzlichen Krankenversicherung senken zu können. Auch hier gewinnt der Leser an Erkenntnis durch die Darstellung des Anteiles der Verwaltungsausgaben prozentual und im internationalen Vergleich. Die Autoren widerlegen auch die angebliche Überlegenheit privater Systeme im Hinblick auf die administrativen Kosten.

Ein ‚Hingucker‘ oder ein Highlight ist schließlich der Vergleich der Grundcharakteristika der Beitragsfinanzierung, gerade hinsichtlich der vollzogenen Abkehr von der paritätischen Beitragsfinanzierung. Die dargestellten Tabellen und Ausführungen zeigen auch hier, dass dies im internationalen Vergleich nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme ist.

Auch sehr interessant und aufschlussreich sind die Ausführungen zur Diskussion der Belastung der Arbeitgeber durch Lohnnebenkosten. Es wird anhand zwei Studien mit dem Vorurteil aufgeräumt, dass insbesondere die hierzulande dominante Finanzierung über Sozialversicherungsbeiträge die Arbeitskosten verteuere und damit die Wirtschaft und Beschäftigung über die Maße belastet. Die Anhänger dieser These befürworten daher häufig, dass die Umstellung auf Kopfpauschalen oder Gesundheitsprämien zu einer Entlastung führt. Lesenswert sind dabei die Ausführungen und Zusammenfassungen zweier relevanter Studien dazu, die diese These widerlegen.

Der Hinweis, dass es ‚sogar wahrscheinlicher ist, dass eine Anstieg der Gesundheitsausgaben sogar zu einen positiven Beschäftigungseffekt führt‘, spaltet die Leserschaft sicherlich in zwei Lager angesichts der momentanen Austeritätspolitik.

Ein weiteres ‚Schmankerl‘ ist in und mit Kapitel 7 zu finden. Dort wird eine ganze Reihe von Studien zur Leistungsfähigkeit der verschiedenen Gesundheitssysteme auf Basis unterschiedlicher Methoden zusammengefasst und dargestellt. Effizienzmessungen im Gesundheitswesen sind sicherlich herausfordernd, so dass die u.a. dargestellten Studien zum Versorgungsniveau mit medizinischen Sachleistungen, zur Konsumentenfreundlichkeit und zum Grad der Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem auch hier erhellendes für die Diskussionen zum Gesundheitswesen ergeben.

Es wäre erstrebenswert, wenn sich mehr und mehr Personen oder Kritiker unseres Gesundheitssystems mit Informationen aus Büchern dieser Art versorgen, damit die Diskussion auf der sachlichen Ebene bleibt und im Verhältnis zu ‚dem Rest der Welt‘ betrachtet wird. Und wer es gelesen hat, kommt vielleicht zu dem Schluss, dass das deutsche Gesundheitssystem gar nicht so schlecht ist, oder vielleicht sogar eines der besten weltweit ist. Oftmals wird dies bei der häufig heftig formulierten Kritik am Gesundheitssystem – bei allem notwendigen Reformbedarf – außer Acht gelassen.

Fazit

Das Buch erfüllt in jeglicher Hinsicht seine selbst gestellten Ansprüche. Es stellt eine hervorragende Einführung in die verschiedenen Gesundheitssysteme dar und geht in vielen Bereichen sogar darüber hinaus. Dabei ist für alle etwas dabei: Für Praktiker aus dem Gesundheitswesen, die sich mit der Grundstruktur und Finanzierung beschäftigen wollen, für den Hochschulbereich als Grundlage und sehr guten Überblick für relevante Themenblöcke oder Lehrveranstaltungen sowie meine Erachtens auch für den privaten Leser, der sich detaillierter mit der Materie und dem Gesundheitswesen als System beschäftigen will. Und es ist für alle ein detailliertes Nachschlagewerk mit Hinweise zur Vertiefung durch Literaturhinweise und aktuelle Internetadressen. Damit ist das Buch ein unverzichtbares Standardwerk und grundlegende Lektüre für alle, die sich mit Gesundheitssystemen beschäftigen. Fazit: sehr empfehlenswert.

Rezension von
Diplomökonom Univ. Uwe Huchler
Analyse und Beratung in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft, externer Datenschutzbeauftragter bei diversen sozialen Einrichtungen und Bildungseinrichtungen, Chefredakteur von www.social-software.de. www.Kita-Datenschuz.info
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Es gibt 22 Rezensionen von Uwe Huchler.

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ISSN 2190-9245