Michael von Hauff (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung
Rezensiert von Dr. phil. Andreas Meusch, 06.11.2014

Michael von Hauff (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung. Aus der Perspektive verschiedener Disziplinen.
Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2014.
235 Seiten.
ISBN 978-3-8487-1584-8.
D: 42,00 EUR,
A: 43,20 EUR,
CH: 59,90 sFr.
Nachhaltige Entwicklung Band 6 herausgegeben von Prof. Dr. Michael von Hauff, Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Prof. Dr. Gerd Michelsen, Prof. Dr. Georg Müller-Christ, Prof. Dr. Klaus J. Zink.
Thema
Nachhaltige Entwicklung ist seit der Rio-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung (UNCED) von 1992 ein Leitbild, das auf dem Millenium-Gipfel der Vereinten Nationen im Jahr 2000 auf acht, bis 2015 zu erreichende Milleniums-Entwicklungsziele (engl. MDG) verdichtet wurde. Die bislang ernüchternden Ergebnisse haben dazu geführt, dass eine „Open Working Group“ den Auftrag hat, Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) für eine „post-2015-Agenda“ zu erarbeiten.
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Nachhaltigkeit ist Teil dieses Prozesses. Allerdings kommen diese in den Arbeiten der meisten wissenschaftlichen Disziplinen über ein „Nischendasein nicht hinaus“ (S. 9). Ganz selten kommt es zwischen den Vertretern wissenschaftlicher Disziplinen zu einem Austausch über den jeweiligen Zugang zu nachhaltiger Entwicklung, da die meisten Nachhaltigkeitsforscherinnen und -forscher mit wichtigen Fragestellungen bzw. Begründungszusammenhängen innerhalb der eigenen Disziplin beschäftigt sind. Um die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu verbessern, trafen sich im Frühjahr 2013 an der TU Kaiserslautern deutsche Forscher aus unterschiedlichen Disziplinen, um ihre Forschungsergebnisse vorzustellen und zu diskutieren. Die neun Beiträge von 13 Autoren werden in diesem Band dokumentiert.
Herausgeber
Prof. Dr. Michael von Hauff ist seit 1991 Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Technischen Universität Kaiserslautern. 2009 erhielt er von B.A.U.M. den Deutschen Umweltpreis für seine wissenschaftlichen Leistungen zu dem Forschungsgebiet „Nachhaltige Entwicklung“
Aufbau und Inhalt
Den neun Einzelbeträgen des Bandes ist eine einordnende Einführung vorangestellt, die die Heterogenität der Forschungsansätze deutlich macht. Im ersten Beitrag von Peter A. Wilderer von der TU München und Michael von Hauff geht es um die Frage, wie die Fähigkeit von Systemen, mit Störungen umzugehen, verbessert werden kann, um so eine nachhaltige Entwicklung zu befördern. Ausgangpunkt ist die Vorstellung, dass viele Prozesse z.B. in Ökosystemen, der Wirtschaft oder der Gesellschaft zyklisch verlaufen. In dem Konzept der Nachhaltigkeit, das versucht, Ökologie, Ökonomie und Soziales zu einem Gleichgewicht zusammenzuführen, wird der Versuch unternommen, die Fähigkeit der Ökosysteme zur Selbstregulation auf Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme zu übertragen und so die Resilienz des Gesamtsystems zu verbessern.
Klaus Dieter John, Professor für Wirtschaftspolitik an der TU Chemnitz, beschäftigt sich mit Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit aus systemdynamischer Perspektive. Trotz positiver empirischer Befunde – z.B.: ausländische Direktinvestitionen in Entwicklungsländern führen nicht zu einem Anstieg Luftverschmutzung, „diese gehen vielmehr sogar zurück“ (S. 58) – ist er nicht optimistisch, auf globaler Ebene Wirtschaftswachstum mit nachhaltiger Umweltentwicklung verbinden zu können. In der praktischen Umweltpolitik sollte deshalb „verstärkt auf monetäre Anreize gesetzt“ werden (S. 72).
Ines Weller vom „Zentrum Gender Studies sowie Forschungszentrum Nachhaltigkeit“ an der Universität Bremen beschäftigt sich in ihrem Beitrag mit nachhaltigem Konsum in Zeiten des Klimawandels. Ihr geht es um „eine nachhaltigere und klimafreundlichere Gestaltung von Konsum- und Produktionsmustern“, um nachhaltigeren Konsum zu erreichen (S. 88).
„Reichen die Ressourcen für unseren Lebensstil?“ Dieser Frage gehen Armin Reller und Joshema Dießenbacher vom Lehrstuhl für Ressourcenstrategie am Institut für Physik an der Universität Augsburg nach. „Bildung als Schlüssel“, das ist ihre Schlussfolgerung. Sie wollen „durch Informationen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem uns zur Verfügung gestellten Planeten und seinen Ressourcen“ kommen (S. 113).
Elisabeth und Michael von Hauff wollen Energie ökologisch und sozial verträglich machen und beschreiben deshalb in ihrem Beitrag zur „Bedeutung der Photovoltaik für eine nachhaltige Energieversorgung“ deren „Potenzial für die Erzeugung ‚grünen Stroms‘ aus Sonnenlicht“ (S. 119).
Martin Eigner und Patrick Schäfer vom Lehrstuhl für Virtuelle Produktentwicklung der TU Kaiserslautern beschäftigen sich in ihrem Beitrag „Nachhaltigkeit aus Engineering Perspektive“ mit der Entwicklung nachhaltiger Produkte zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit global agierender Unternehmen. Sie versprechen sich vom frühzeitigen Einbeziehen umweltbezogener Kriterien in die Produktentwicklung ein nachhaltigeres Produkt über dessen gesamten Lebenszyklus hinweg. Sie sehen die Zukunft in einer „ganzheitlichen nachhaltigen Ingenieurausbildung“ (S. 147), die zwar komplexer ist, aber die Chance auf ein nachhaltiges Wirtschaften nutzt. In der Einführung (S. 14) wird dazu angemerkt, dass Unternehmen das als Chance begreifen würden, sich durch nachhaltige Produkte von ihren Mitbewerbern abzusetzen. Eigner/Schäfer stellen das Verbundforschungsprojekt „Energie- und ressourceneffiziente mobile Arbeitsmaschinen“ vor, das zu mehr Ökoeffizienz führen soll.
Der Wirtschafsinformatiker Jorge Marx Gómez aus Oldenburg greift schließlich diesen Ansatz auf und plädiert für den Einsatz von Umweltmanagementsystemen, um die Bemühungen um Nachhaltigkeit zu unterstützen: Mehr Nachhaltigkeit durch Big Data.
Die beiden abschließenden Beiträge stammen von Sozial- bzw. Geisteswissenschaftlern. Lenelis Kruse-Graumann vom Psychologischen Institut der Universität Heidelberg geht der Frage nach, warum wir uns mit nachhaltiger Entwicklung so schwer tun. Nachhaltige Verhaltensweisen sind nach ihrer Auffassung kulturspezifisch angeeignet. Nachhaltigkeit lernen kann deshalb nicht auf die Schule fokussiert werden, sondern muss „auch am Arbeitsplatz, auf dem Wochenmarkt, im Verein oder bei Freizeitsport stattfinden“ (S. 16).
Abschließend beschäftigt sich Markus Vogt vom Lehrstuhl für christliche Sozialethik mit Nachhaltigkeit aus theologisch-ethischer Perspektive. Dem Mitglied im Arbeitskreis „Wirtschaft und Kirche“ beim Bund katholischer Unternehmer und „Naturwissenschaft und Theologie“ der Katholischen Akademie in Bayern geht es vor allem darum, als Theologe im Nachhaltigkeitsdiskurs ernst genommen zu werden. Ihm „ist es wichtig, sich nicht nur auf die Verantwortung gegenüber der Schöpfung zu beziehen bzw. zu beschränken, da die Natur Lebensraum und Lebensgrundlage per se ist“ (S. 16).
Diskussion
Es ist ein schwieriges wie verdienstvolles Unterfangen, die unterschiedlichen Konzeptionen von Nachhaltigkeit zwischen Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften zu diskutieren. Es ist offenkundig, dass es leichter ist, die unterschiedlichen Ansätze zwischen zwei Buchdeckel zu pressen als eine gemeinsame Strategie für die Umsetzung der Millenium Entwicklungsziele zu entwickeln. Die wertvollen Erkenntnisse für pragmatische Ansätze zur Verwirklichung von mehr Nachhaltigkeit gehen in den abstrakten, normativ überfrachteten Ansätzen unter: „Dabei ist die besondere Bedeutung der Ökologie herauszustellen“ (S. 10). Das gelingt in der Tat.
Fazit
Der Herausgeber beklagt, dass das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung in den meisten wissenschaftlichen Disziplinen über ein Nischendasein nicht hinaus kommt. Der vorliegende Band macht sehr gut nachvollziehbar, warum das so ist, und dass es gute Gründe dafür gibt. Der Sammelband liefert exzellentes Anschauungsmaterial für soziologische Studien über die Selbstreferenzialität wissenschaftlicher Subsysteme.
Rezension von
Dr. phil. Andreas Meusch
Lehrbeauftragter an der Fakultät Wirtschaft und Soziales der Hochschule für Angewandte Wissenshaften (HAW), Hamburg,
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