Lucy Leu: Gewaltfreie Kommunikation
Rezensiert von Dr. Georg Singe, 17.10.2014

Lucy Leu: Gewaltfreie Kommunikation. Das 13-Wochen-Übungsprogramm ; ein praktischer Leitfaden für Übungsgruppen, Selbststudium und GFK-Kurse. Junfermann Verlag GmbH (Paderborn) 2014. 3. Auflage. 217 Seiten. ISBN 978-3-87387-998-0. D: 21,90 EUR, A: 22,60 EUR, CH: 35,50 sFr.
Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-95571-574-8 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.
Thema
Das Modell der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) wird immer häufiger in unterschiedlichen Kontexten psychosozialer Arbeit angewendet. In Anlehnung an Marshall B. Rosenbergs Grundlagenwerk „Gewaltfreie Kommunikation“ (vgl. dazu die Rezension von C.-R. Löffler bei socialnet unter www.socialnet.de/rezensionen/2181.php) bietet dieses Übungsbuch Material für einen 13-wöchigen Lehrgang in Gewaltfreier Kommunikation, der als Anleitung für den Einzelnen, für Gruppenschulungen und vor allem für das Arbeiten in den GFK Trainingsgruppen gedacht ist.
Autor
Lucy Leu wuchs in Taiwan auf und interessierte sich schon früh für Sprachen und die Überbrückung kultureller Unterschiede. Seit 1986 beschäftigt sie sich mit Mediation und Friedenspädagogik. Nach einer persönlichen Begegnung mit Marshall B. Rosenberg wurde sie Trainerin für das Center for Nonviolent Communication. In der Praxis setzt sie das GFK Konzept vor allem in der Resozialisierungsarbeit mit Strafgefangenen mit großem Erfolg ein. Das „Freedom Project“, in dem Gefangene zu „Friedensarbeitern“ ausgebildet werden, damit diese mithelfen, im Alltag auf stabile Beziehungen beruhende, sichere und verlässliche Gemeinwesen aufzubauen, ist dafür ein Beispiel. (http://freedomprojectseattle.org/).
Entstehungshintergrund
Die Arbeit mit Strafgefangenen bildet auch den Hintergrund der Entstehung des Übungsbuches. Die Anregungen aus dieser Arbeit haben bald nach Erscheinen des Grundlagenwerks von Rosenberg zu der systematischen Aufarbeitung der Einzelübungen in das Gesamtkonzept des vorliegenden Übungsbuches geführt, das nun schon in der 3. Auflage erscheint. Im Vergleich zu der 2. Auflage von 2009, in der das Übungsbuch an die leicht veränderte Gliederung des Grundlagenwerks von M. Rosenberg angepasst wurde, gibt es in der jetzt vorliegenden 3. Auflage keine Veränderungen.
Aufbau und Inhalt
Der Aufbau gliedert sich in vier Teile.
In den kurzen ersten beiden Teilen werden die Ideen, wie mit diesem Übungsbuch gearbeitet werden kann, erläutert. Vor allem wird darauf hingewiesen, dass es sinnvoll ist, dieses Buch parallel zum Grundlagenwerk Rosenbergs einzusetzen. In den jeweiligen Übungssequenzen werden praxisnah sowohl Verständnisüberprüfungsfragen als auch Einzelübungen den Gruppenübungen vorangestellt. Im 2. Teil werden ausschließlich Hinweise und Anregungen für das methodische Vorgehen des Einzeltrainings gegeben.
Umfassend wird dann im 3. Teil erläutert, wie GFK-Übungsgruppen aufgebaut und angeleitet werden können. Klassische Themen der sozialen Gruppenarbeit (Rollen, Regeln, Kooperation, Konflikte) stehen hier zugeschnitten auf das Modell der GFK im Mittelpunkt.
Das Kernstück des Buches bildet der 4. Teil mit den 13 Kapiteln der einzelnen Übungsstunden, die mit den jeweiligen Überschriften aus dem Grundlagenwerk Rosenbergs überschrieben sind:
- Übungen zum Kapitel Von Herzen geben
- Übungen zum Kapitel Wie Kommunikation das Einfühlungsvermögen blockiert
- Übungen zum Kapitel Beobachten, ohne zu bewerten
- Übungen zum Kapitel Gefühle wahrnehmen und ausdrücken
- Übungen zum Kapitel Verantwortung für unsere Gefühle übernehmen
- Übungen zum Kapitel Um das bitten, was unser Leben bereichert
- Übungen zum Kapitel Empathisch aufnehmen
- Übungen zum Kapitel Die Macht der Empathie
- Übungen zum Kapitel Einen einfühlsamen Kontakt mit uns selbst aufbauen
- Übungen zum Kapitel Ärger vollständig ausdrücken
- Übungen zum Kapitel Die beschützende Anwendung von Macht
- Übungen zum Kapitel Uns selbst befreien und andere unterstützen
- Übungen zum Kapitel Wertschätzung und Anerkennung ausdrücken in Gewaltfreier Kommunikation
Ein Anhang mit weiterführenden Übungen, Listen der grundlegenden Bedürfnisse und Gefühle, die für die Gewaltfreie Kommunikation zentral sind, Feedback Bögen zur Übungsarbeit und Hinweise auf weitere öffentlich zugängliche Materialien und Ressourcen der GFK-Bewegung auf internationaler und deutscher Ebene runden das Buch ab.
Diskussion und Fazit
Die 13 Übungssequenzen sind auf dem Hintergrund des GFK-Konzeptes stringent aufgebaut. Immer geht es um die jeweilige differenzierte Wahrnehmung dessen, was ist. Es ist eine große Aufgabe, diese Beobachtungen von den zu reflektierenden Gefühlen, die mit den spezifischen Alltagsituationen verbunden sind, zu trennen. Das Nachfragen und das Erkennen der dahinterstehenden Bedürfnisse und das Formulieren von Bitten, sind die jeweiligen weiteren Schritte im Prozess der gewaltfreien Kommunikation. Diese vier Schritte werden in den Übungen jeweils aus dem Blickwinkel beider Kommunikationspartner gesehen. So geht es zum einen immer um die Schulung der persönlichen Ausdrucksfähigkeit der eigenen Wahrnehmungen, Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche. Zum anderen gilt es, die grundlegende Kompetenz der Empathie zu schulen, das aufzunehmen, was der andere gerade fühlt, denkt und welche Bedürfnissen und Wünsche bei ihm im Mittelpunkt stehen. Die Fähigkeit zur Empathie, den anderen zu verstehen, und die Ausdrucksfähigkeit, echt und ehrlich die eigenen Belange in die Kommunikation einzubringen, haben einen klassischen Hintergrund in der humanistischen Psychologie. M. Rosenberg selbst war ein Schüler von C. Rogers. Leider wird in dem vorliegenden Werk wie auch im Grundlagenwerk Rosenbergs von diesem wissenschaftlichen Hintergrund wenig gesprochen. Auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen psychologischen Konzepten der Differenzierung von Gefühlen, Emotionen und Affekten fehlt in diesem Buch, so dass hier von einem sehr praxisorientierten Buch die Rede ist, dem eine wissenschaftlichen Vertiefung gut täte, um in der Fachöffentlichkeit noch prägnanter wahrgenommen zu werden.
Für die vielen, die in der Bewegung der gewaltfeien Kommunikation aktiv sind, mag dieser Hinweis überflüssig sein, da die Anregungen in den zusammengestellten Übungen eine große Hilfe und Unterstützung sind, die persönliche Kompetenz zu einer gewaltfreien Kommunikation Schritt für Schritt auszubauen. Daher ist das Buch für alle Praktikerinnen und Praktiker der GFK sehr zu empfehlen.
Rezension von
Dr. Georg Singe
Dipl.-Sozialarbeiter, Dipl.-Theologe
Systemischer Familientherapeut, Supervisor und Lehrtherapeut (DGSF)
Dozent an der Fakultät I für Bildungs- und Gesellschaftswissenschaften, Fachbereich Soziale Arbeit der Universität Vechta
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Zitiervorschlag
Georg Singe. Rezension vom 17.10.2014 zu:
Lucy Leu: Gewaltfreie Kommunikation. Das 13-Wochen-Übungsprogramm ; ein praktischer Leitfaden für Übungsgruppen, Selbststudium und GFK-Kurse. Junfermann Verlag GmbH
(Paderborn) 2014. 3. Auflage.
ISBN 978-3-87387-998-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/17228.php, Datum des Zugriffs 09.12.2023.
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