Werner Vogelauer: Methoden-ABC im Coaching
Rezensiert von Peter Schröder, 29.06.2004

Werner Vogelauer: Methoden-ABC im Coaching. Praktisches Handwerkszeug für den erfolgreichen Coach. Luchterhand Verlag (München) 2004. 3., erweiterte und überarbeitete Auflage. 280 Seiten. ISBN 978-3-472-05595-2. 39,00 EUR.
Einführung in das Thema, Hintergrund und Autor
Coaching ist nach wie vor ein Markt -für die Beratung selbst, für Coachingausbildungen und auch für Literatur zu dem Thema. Coaching erfordert Methodenkompetenz, deshalb erzeugen Coachingausbildungen einen eigentümlichen Methodenhunger. Manche Unsicherheit lässt sich mit ausgeklügelten Methoden kaschieren. Daher darf man die Prognose wagen, dass sich ein Methodenbuch wie das vorliegende in Coachingkreisen gut vermarkten lässt. Die Tatsache, dass es in mittlerweile 3. Auflage erschienen ist, spricht dafür. Und die Sammelleidenschaft in Sachen Methoden wird mit dem etwas marktschreierischen Button "Jetzt mit 99 Coaching-Methoden" auf der Rückseite des Buches auch direkt angesprochen.
Trotz dieser etwas kritischen Vorbemerkung halte ich es für wertvoll, wenn erfahrene Coaches einen Einblick in ihren Werkzeugkasten gewähren. Und erfahren ist der Autor ganz sicher: Werner Vogelauer arbeitet als Unternehmensberater, Trainer, Coach, lehrender Transaktionsanalytiker und Lehrsupervisor (EAS). Er ist Gründungsmitglied von Trigon, einer renommierten österreichischen Unternehmensberatung (www.trigon.at), die auch Coaching-Weiterbildungen anbietet. Er ist Herausgeber des Bandes "Coachingpraxis", das inzwischen in 4. Auflage ebenfalls bei Luchterhand erschienen ist (vgl. die Rezension dieses Buchs).
Aufbau und Inhalt
Nach Vorwort und Einleitung lautet das 2. Kapitel "Wie arbeite ich mit dem Buch?". Dieses Kapitel halte ich für sehr wichtig, weil es einige (allerdings recht kurz gefasste) Hinweise darauf enthält, welche Grundhaltung von Coaches erwartet wird, in welcher Phase des Coachingprozesses welche Methode sinnvoll ist und wodurch diese Phase charakterisiert ist, was die wesentlichen Kompetenzen eines Coaches sind - und schließlich, und das ist selten, ein Hinweis auf "Ethik im Coaching"! Das dritte Kapitel bietet dann die Methoden in alphabetischer Sortierung, das vierte verzeichnet noch einmal alle Abbildungen und Beispiele.
Die Methoden sind jeweils in fünf Absätzen präsentiert.
- In einem ersten werden die Voraussetzungen für den Coach reflektiert: welche Sachkenntnis, welches psychologische Wissen, welche konzeptionelle Kompetenz ist erforderlich, um die folgende Methode wirklich verantwortlich und hilfreich einsetzen zu können?
- Ein zweiter Absatz nennt die Ziele, die die Methode verfolgt: was soll beim Coachee erreicht werden?
- Der Anknüpfungspunkt in einem laufenden Coachinggespräch wird unter dem Stichwort "Ausgangssituation" genannt: was will, was beschreibt, was zeigt der Coachingkunde gerade?
- Und das Stichwort "Indikatoren" setzt diesen Absatz fort: welches Verhalten, welche Aussagen etc. beim Coachee indizieren gerade diese Methode?
- Dann wird die Methode selbst beschrieben, schrittweise und unter Angabe des erforderlichen Zeitaufwands. Schließlich wird, was redlich ist, der Autor/die Autorin der Methode genannt sowie weiterführende Literatur empfohlen. Manch eine Methode wird im Anschluss durch konkrete Beispiele illustriert, hier und da folgt auch eine Graphik.
Zielgruppen
Die erste Zielgruppe ist ja schon im Titel angegeben: "erfolgreiche Coaches" - aber wer ist das schon? Und wie misst man diesen Erfolg? Jedenfalls sind Coaches die Adressaten, und hier sowohl die erfahrenen als auch die noch am Anfang des Lernens stehenden - wegen der o.g. Verführung einer solchen Methodensammlung aber wohl doch in erster Linie die erfahrenen, die Qualität, Sinn und Wirkung der Methoden gut einschätzen können. Vogelauer selbst nennt interessanterweise sogar die Coachees als Zielgruppe: "Auch der 'Gecoachte' kann Einblick nehmen, kann sich orientieren." (S. 9) Allerdings weist er auch deutlich darauf hin, dass die Lektüre des Bandes kein "Self-Coaching" sein kann.
Einschätzung der Tauglichkeit, Lesbarkeit und Nützlichkeit
Für erfahrene Coaches sind solche Methodensammlungen, wie gesagt, eine wertvolle Fundgrube. Nicht alles, was man findet, kann man selbst gut gebrauchen, aber vielleicht eben ein anderer. Manch eine hilfreiche Erinnerung an grundlegende "Coachingweisheiten" findet sich hier, zum Beispiel der Hinweis auf die Fallen in den Dreiecksverträgen, die ja gerade im Coaching besonders häufig anzutreffen sind (S. 77ff), oder die Darstellung der Phasen im Coaching (S. 20ff) oder auch der Hinweis darauf, dass bei erwachsenen Menschen "Selbstverträge" und "Selbstvorhaben" hilfreicher sind als "Hausaufgaben" (S. 220f). Es kann nicht anders sein als dass sich unter 99 Methoden viele finden, die ich als gut einstufen würde, aber auch manche, die bestenfalls ein "na ja" verdienen.
Um Beispiele für "na ja" zu nennen: Ich verstehe nicht wirklich, warum ein lehrender Transaktionsanalytiker das Ich-Zustandsmodell der TA als "Methode" auf ganzen zwei Seiten anbietet. Ich halte das auch dann nicht für sinnvoll, wenn der Autor unter "Voraussetzungen für den Coach" "transaktionsanalytische Grundkenntnisse" und Erfahrungen mit dem Ich-Zustandsmodell fordert. Die Frage bleibt ja, was das Modell als Modell im Coachingprozess zu suchen hat. Derselbe Einwand gilt für die ebenfalls aus der TA stammenden "OK-Positionen" (S. 184), hinter denen in Wirklichkeit ein recht komplexes Theoriekonzept steht - zwei Seiten sind auch hier nicht genug! Und: wenn man die Voraussetzungen erfüllt, braucht man diese Methodeninstruktion gar nicht. Man hat die Modelle ohnehin im Kopf und wird explizit oder implizit damit arbeiten! "Na ja" sage ich auch bei manchen "Methoden", die tatsächlich nichts anderes sind als eine Struktur für das Coachinggespräch. Struktur ist gut, aber muss man simple Dinge so aufblasen, dass die Gesprächsstruktur "Ausgangssituation - Problembeschreibung - Bisherige Versuche - Hindernisse - Zielorientierung" am Ende "Pentagon-Modell zur Problemklärung und Zielbildung" heißt? (S. 156)
Aber viele, viele Methoden habe ich mir unter "gut" notiert. Viele Graphiken finde ich hilfreich. Die Beispiele haben mir die Methoden näher gebracht, die ich noch nicht kannte. Gelegentlich habe ich die Vorgehensschritte nicht verstanden, aber das mag an mir liegen. Ich habe das Buch folgendermaßen gelesen: auf den Seiten 17ff bietet Vogelauer eine Systematik an. Er ordnet die einzelnen Methoden den Phasen im Coachingprozess zu: Kontakt - Kontrakt - Arbeit - Abschluss - Evaluation - Coach-Reflexionsarbeit. (Es ist gut - und für Coaches, die im Bereich der Wirtschaft arbeiten, auch selbstverständlich -, dass er die beiden letztgenannten Schritte auch bedenkt: Evaluation und Coach-Reflexionsarbeit fehlen leider in vielen anderen Arbeiten!) So kann man die Methoden im Prozess kennen lernen - mir hat das sehr geholfen, ihren Ort und Sinn zu verstehen, und ich empfehle diesen "Leseweg" gern weiter. Bleibt noch zu erwähnen, dass das Buch nicht eine Sammlung "kreativer", analoger Methoden ist - wer so etwas sucht, wird in diesem Band wenig finden.
Fazit
Das Buch bietet Handwerkszeug - was es ja auch im Titel verspricht. Die Herkunft aus der beraterischen Praxis ist deutlich zu spüren und macht den Band umso wertvoller. Er bietet, alles in allem, eine reflektierte und gut aufbereitete Methodensammlung, die - trotz der genannten Bedenken - als empfehlenswert gelten kann.
Rezension von
Peter Schröder
Pfarrer i.R.
(Lehr-)Supervisor, Coach (DGSv)
Seniorcoach (DGfC) Systemischer Berater (SySt®)
Heilpraktiker für Psychotherapie (VFP)
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