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Godela von Kirchbach: Was macht ein Paar aus?

Rezensiert von lic.phil. Annabelle Bartelsen-Raemy, 22.01.2015

Cover Godela von Kirchbach: Was macht ein Paar aus? ISBN 978-3-8309-3071-6

Godela von Kirchbach: Was macht ein Paar aus? Interdisziplinäre Überlegungen für die Paartherapie. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2014. 248 Seiten. ISBN 978-3-8309-3071-6. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 40,90 sFr.

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Thema

In „Was macht ein Paar aus“ werden einerseits das dem historischen Wandel unterliegende und sich damit verändernde Bild des Paares sowie die darauf bezogenen gesellschaftlichen Erwartungen detailliert beleuchtet. Anschliessend wird den Lesenden ein vertiefter Einblick in das Funktionieren des Paarsystems und der Rolle der Paartherapie gewährt.

Autorin

Godela von Kirchbach arbeitet in ihrer eigenen Praxis als Psychotherapeutin und Paartherapeutin.

Entstehungshintergrund

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die Dissertation von Godela von Kirchbach im Fach Psychotherapiewissenschaft. Diese wurde 2013 an der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien angenommen.

Aufbau

Dieses Buch zeigt in aufeinander aufbauenden Themen die Komplexität des Paarlebens auf und stellt nachfolgend Anregungen für die Bearbeitung von Paarproblemen in der Paartherapie dar. Dieser Logik folgend wird im 1. und 2. Kapitel die Veränderung des Paarbildes im Laufe der Zeit dargestellt. Das 3. Kapitel leitet in das systemische Paardenken ein und liefert im 4. Kapitel mit der „Luhmann´sche Systemtheorie“ die theoretische Hintergrundfolie zum Verstehen des Paarsystems. Vor diesem Hintergrund werden im 5. Kapitel die „vier existenzialistischen Grundmotivationen“ als konstruktive Methode in der therapeutischen Arbeit mit Paaren erläutert und zur Anwendung angeregt.

Inhalt

Godela von Kirchbach legt zunächst die historische Entwicklung innerhalb der vergangenen zweihundert Jahre der heutigen Vorstellungen von Partnerschaft und Ehe dar. Sie zeigt auf, wie sich die Ehe und Partnerschaft in ihrer Bedeutung von einer anfänglichen Verteidigungs- bzw. Allianzfunktion, zu einer Weiterführung eines Herrschaftsanspruches bewegt, sich später zu einem „Ort des Beistandes und des privaten Rückzuges“ hin orientiert und schliesslich in der heutigen Zeit angelangt sich zu einer relevanten Komponente der persönlichen Identität entwickelt hat.

Aus dieser historischen Entwicklung geht hervor, dass die Liebe, insbesondere die romantische Liebe für die Partnerschaft, in der heutigen Zeit, eine wesentliche Rolle spielt. Dementsprechend führt Godela von Kirchbach den Lesenden weiter in die verschiedenen Spielarten der Paarbildung (sexuelles Begehren, romantische Liebe, Bindung), zahlreiche, die Partnerwahl beeinflussende Faktoren sowie die jeweilige Bedeutung für Beziehungen ein.

In den nächsten zwei Kapiteln werden die Lesenden an eine systemische Denkweise des Paares herangeführt. Einführend mit dem Fokus auf das Paar als soziales System betont Godela von Kirchbach, dass sich die Eigenschaften des Paarsystems nicht automatisch auf die beiden beteiligten Individuen zurückführen lassen, sondern diese Eigenschaft erst in der Interaktion der beiden Partner entstehen und als dynamisch zu verstehen sind (S. 125). Mit diesem Grundverständnis wird das Funktionieren des Paarsystems weiter beleuchtet und die Beobachtungsolle der Paartherapie unter diesem Systemaspekt eingebracht. Dabei unterstreicht sie die Notwendigkeit einer bewussten und damit einer vorurteilsfreien Haltung der Paartherapeuten.

Daran anschliessend wird das Paar mit der Denklogik der Systemtheorie eingehend betrachtet. Als erstes wird der Einfluss weiterer Systeme (z.B. Herkunftsfamilie oder beruflicher Kontext) auf das Paarsystem beschrieben. Diese Umweltsysteme können das Funktionieren des Paarsystems fördern oder beeinträchtigen. Zweitens führt Godela von Kirchbach den Lesenden vor Augen, welche Relevanz die immer wieder von neuem vom Paar herzustellende Sinnhaftigkeit der Beziehung, die angewandten Kommunikationsstrategien sowie die Vertrauensbasis der Beteiligten für den Fortbestand des Systems haben. Dabei streicht sie erneut heraus, dass es sich bei einem Paarsystem „um mehr als die Summe seiner Individuen handelt, sondern um ein eigenes, selbstreferenzielles System, das nach eigenen Regeln operiert“ (S. 138).

Die theoretischen Ausführungen lenken infolgedessen zur Schlussfolgerung hin, dass für die therapeutische Arbeit im Paarkontext keine „allgemeingültige Norm“ darüber, was ein Paar auszeichnet und wie es funktioniert, existiert. So bedarf es nun eines Ansatzes, der den spezifischen Bedürfnissen des Paares gerecht wird. Vor diesem Hintergrund erläutert Godela von Kirchbach die „vier existenzialistischen Grundmotivationen“. Diese beziehen sich darauf, „existieren zu können, das Schöne des Lebens oder Glück empfinden zu können, einen Identität zu haben und einen lohnen Zukunftsvision haben zu können“ (S. 201). Diese Grundmotivationen berücksichtigen die besondere Konstellation des Paarsystems und ihre Komplexität. Sie dienen damit in der Paartherapie zur Analyse und Verortung und Bewusstwerdung der Probleme. Dabei wird der Blick auf die Anleitung des Paares zu einer produktiven Problemlösung gerichtet.

Diskussion

Die von Godela von Kirchbach vorgelegte Arbeit analysiert Probleme von Paarsystemen und ihre Bearbeitung in der Paartherapie aus historischer, psychologischer, philosophischer und teils neurowissenschaftlicher Perspektive und fokussiert schliesslich auf die systemtheoretische Sichtweise. Dadurch erhalten die Lesenden einen komplexen und sehr detaillierten Einblick in die Funktionsweise eines Paarsystems, ein stärker ausgeprägtes Bewusstsein für dessen Komplexität und eine veranschaulichte Vorstellung der Herausforderungen denen die Paartherapie damit begegnet. Diese Arbeit ist ein überzeugendes Plädoyer dafür, dass ein Paar mehr ist, als die Summe seiner Beteiligten und befürwortet entsprechend dieser Überzeugung ein Modell, das in der therapeutischen Arbeit den Bedürfnissen des Paarsystems gerecht wird.

Fazit

Durch die fortwährende Verknüpfung der dargelegten theoretischen Aspekte mit der therapeutischen Arbeit wird der Fokus auf das Verstehen des Paarsystems und den jeweils ganz unterschiedlich zu verortenden Problemen, mit denen das System konfrontiert sein kann, gelegt. Diese so geschaffene Brücke zwischen Theorie und paartherapeutischer Praxis schärft das Bewusstsein für die Individualität jedes Paarsystems.

Rezension von
lic.phil. Annabelle Bartelsen-Raemy
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Hochschule für Soziale Arbeit
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Es gibt 1 Rezension von Annabelle Bartelsen-Raemy.

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ISSN 2190-9245