Elvira Tschan: Integrative Aktivierende Alltagsgestaltung
Rezensiert von Alexandra Günther, 31.10.2014

Elvira Tschan: Integrative Aktivierende Alltagsgestaltung. Konzept und Anwendung. Verlag Hans Huber (Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2014. 2. Auflage. 204 Seiten. ISBN 978-3-456-85451-9. D: 34,95 EUR, A: 36,00 EUR, CH: 46,90 sFr.
Thema
Eine Förderung seelischer, geistiger und sozialer Fähigkeiten beim pflegebedürftigen Menschen hilft Passivität, Depressionen und Verhaltensauffälligkeiten vorzubeugen. Aufgaben der Aktivierungstherapie und Pflege überschneiden sich hier. Alltagsaktivierung und Milieugestaltung können in den Pflegealltag stationärer Pflegeeinrichtungen integriert werden.
Autorin
Elvira Tschan ist ausgebildet in Erwachsenenbildung, Aktivierungstherapie, Validation (nach Naomie Feil) und Einzel-, Team- und Konfliktberatung. Ihr berufliches Tätigkeitsfeld umfasst Aktivierung, Freizeit- und Alltagsgestaltung in der Geriatrie und Gerontopsychiatrie. Außerdem lehrt sie als Fachdozentin an Pflegeschulen, für Fachverbände, Institutionen und bietet eine Weiterbildung zur Fachperson für Aktivierung und Alltagsgestaltung in der Geriatrie und Psychogeriatrie an. Für das Fachmagazin NOVAcura arbeitet sie als redaktionelle Mitarbeiterin.
Aufbau
Das Fachbuch ist in zwei Hauptteile gegliedert.
Der erste Teil des Buches stellt die Ausgangssituation und das Konzept der Integrativen Aktivierenden Alltagsgestaltung (IAA) vor.
Der Schwerpunkt des Buches liegt auf dem zweiten Teil. Hier wird die Umsetzung in die Praxis gezeigt.
Inhalt
Nach Elvira Tschan kommt der psychosozialen Pflege in stationären Pflegeeinrichtungen große Bedeutung zu. Die Autorin erläutert im ersten Teil ihren Ansatz der Integrativen Aktivierenden Alltagsgestaltung (IAA). Theoretischen Bezug nimmt sie dabei zu den Pflegetheorien von Monika Krohwinkel und Liliane Juchli. Sogenannte Eckpfeiler für den IAA-Ansatz sind außerdem das philosophische Lebenswelt-Konzept von Edmund Husserl, die Milieutherapie und das Ressourcen-Defizit-Modell.
Die Autorin zeigt erforderliche Haltungen und Einstellungen bei den PflegemitarbeiterInnen. Hierzu gehört beispielsweise die Fähigkeit zur Empathie. Probleme und Schwierigkeiten in der Pflege stellen nach Tschan Gelegenheiten dar, um nach sogenannten Ressourcenverhinderern zu suchen. Zu den weiteren Voraussetzungen, um eine Alltagsaktivität nach dem IAA-Ansatz zu gestalten, gehört die Beachtung der Grundprinzipien wie zum Beispiel Individualität, Normalität und Kontinuität. Für die Dokumentation stellt sie einen Verlaufsbogen vor. Das Thema Selbstpflege und Mitarbeiterpflege wird auch angesprochen.
Im zweiten Teil des Fachbuchs zeigt Tschan ausführlich die Anwendung des IAA-Ansatzes in der Praxis. Ihr Konzept umfasst dreizehn Alltagsaktivitäten. Diese sind folgende:
- Sich im Alltag orientieren und entspannen können
- Sich in seinem Lebensumfeld sicher und geborgen fühlen können
- Kommunizieren können
- Sich wahrnehmen und bewegen können
- Atmen und sich entspannen können
- Essen und Trinken können
- Ausscheiden können
- Seinen Körper und die Seele pflegen können
- Sich kleiden und seine Identität erhalten können
- Sich als Frau/Mann fühlen und handeln können
- Sich sinnvoll und sinnstiftend betätigen können
- Soziale Kontakte sichern und Gemeinschaft pflegen können
- Mit Lebenserfahrungen umgehen können
Zu jedem Aktivitätsfeld erläutert die Autorin kurz den theoretischen Hintergrund. Daran anschließend werden vielfältige Angebote und Übungen für den Alltag vorgestellt. Alle sind im Alltag einfach umsetzbar. Besondere Hilfsmittel sind oft nicht notwendig. Andernfalls wird das benötigte Material genau aufgeführt.
Viele Aktivierungen können als Einzel- und auch Gruppenangebot angewendet werden. Für die Planung, Vorbereitung und Durchführung gibt die Autorin Hinweise und Tipps. Zur Veranschaulichung dienen Praxisbeispiele, Reflexionsanregungen und Erfahrungsberichte. Am Ende der Kapitel folgen Verweise auf weiterführende Literatur, Internetadressen und Bezugsadressen für die Materialien.
Diskussion
Elvira Tschan zeigt, wie der pflegebedürftige Mensch mit seiner Persönlichkeit, Biografie und den vorhandenen Fähigkeiten gefördert werden kann. Ziel ist es, die Würde und Selbstbestimmung des alten, pflegebedürftigen Menschen zu wahren, und einen sinnhaften Alltag zu gestalten. Denn der pflegebedürftige Mensch verbringt in der stationären Pflegeeinrichtung seinen letzten Lebensabschnitt, während Mitarbeiter und Besucher einen Alltag außerhalb der Einrichtung haben.
Eine strukturierte, ganzheitliche Gestaltung des Alltags und der alltäglichen Handlungen in der Pflegeeinrichtung schafft nach Ansicht der Autorin vielfältige Aktivierungsmöglichkeiten. Schon vorhandene Ansätze und Methoden können in das Konzept der IAA eingefügt werden. Gerade die Orientierung der Alltagsaktivitäten an dem in der Pflege gängigen ABEDL-Pflegemodell nach Krohwinkel soll dies möglich machen. Das Fachbuch kann hier als eine Art Nachschlagewerk für Anregungen dienen.
Dennoch ist die Umsetzung in der Praxis gerade zu Beginn mit erheblichem Aufwand im Pflegealltag verbunden. Weniger ist daher mehr, wie die Autorin in der Einleitung erwähnt. Ein veränderter Fokus auf die ganzheitliche Förderung von Fähigkeiten und Stärken beim pflegebedürftigen Menschen kann sich nur langfristig entwickeln. Die Reflexion der eigenen Arbeit und fachlicher Austausch, beispielsweise in regelmäßigen Fallbesprechungen, sind unerlässlich für eine bessere Pflegebeziehung und mehr Wohlbefinden für den Einzelnen.
Fazit
Das Fachbuch von Elvira Tschan bietet Fach- und Führungskräften in der Pflege und Betreuung alter Menschen ein alltagsnahes Konzept zur Integration von psychosozialer Förderung im Alltag. Die Autorin stellt ein großes Repertoire von Ideen zur Gestaltung von Alltagsaktivitäten und einer anregenden Umgebung in stationären Pflegeeinrichtungen vor.
Rezension von
Alexandra Günther
Sozialpädagogin und Ethikerin
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