Sivasailam Thiagarajan, Samuel Bergh: Interaktive Trainingsmethoden
Rezensiert von Prof. Dr. Ulrich Papenkort, 29.12.2014

Sivasailam Thiagarajan, Samuel Bergh: Interaktive Trainingsmethoden. Thiagis Aktivitäten für berufliches, interkulturelles und politisches Lernen in Gruppen. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2014. 318 Seiten. ISBN 978-3-89974-989-2. D: 29,80 EUR, A: 30,70 EUR, CH: 40,90 sFr.
Thema
Das vorliegende Buch ist eine Methodensammlung für die allgemeine, berufliche und politische Bildungsarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen, in der Schule und Hochschule, der außerschulischen Jugendbildung und der Weiterbildung. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der interkulturellen Bildung. Aus dem Spektrum der Bildungsmethoden werden nur diejenigen vorgestellt, die – mit dem entsprechenden Wort der Autoren – als „interaktiv“ bezeichnet werden können, 70 an der Zahl. Sie sprechen auch von „handlungsorientierten“ Methoden oder einfach von „Übungen“. Solche Methoden bestehen im Sinne der Autoren in der Regel aus einem gemeinsamen kommunikativen Handeln der Teilnehmer, das ohne den bzw. im Auftrag des Referenten erfolgt, aber mit einer kognitiv orientierten Nachbesprechung zusammen mit dem Referenten verbunden ist. Das vorgängige Tun und Erleben im Tun, das im Bild Pestalozzis „Herz“ und „Hand“ anspricht, sind der Stoff des nachfolgenden Redens, das seinerseits den „Kopf“ herausfordert. Mit den Worten Thiagarajans: „Eine Aktivität dient einzig dem Zweck, Anlass für eine Nachbesprechung zu geben. Gelernt wird nicht während der Aktivität, sondern bei deren Nachbesprechung in der Reflexionsphase“ (S. 11). D
Autor
Die Methodenbeschreibungen sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, von Dr. Sivasailam Thiagarajan, kurz „Thaigi“ genannt, in englischer Sprache verfasst und ins Deutsche übersetzt worden. Thiagi ist Inder, lebt in den USA, besitzt dort mit „The Thiagi Group“ eine eigene Firma und hat im Laufe von vielen Jahren über 40 Bücher mit ungefähr 300 Lernübungen veröffentlicht. Samuel van den Bergh hat die im Buch vorgestellten Methoden aus den englischsprachigen Publikationen Thiagis (S. 315) ausgewählt, neu zusammengestellt und die Einleitungen zum Buch insgesamt und zu den einzelnen Kapiteln geschrieben. Van den Bergh ist Professor für Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Diversity Management an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in der Schweiz. Zwei Co-Autoren, Annette Gisevius und Tom Kehrbaum, haben einzelne Texte beigesteuert.
Aufbau
Dem Buch sind in der Einleitung „Die sieben Gesetze des Lernens“ nach Thiagi vorangestellt worden. Der erste Teil des Buches enthält „arbeitsphasenspezifische“, der zweite „themenspezifische Übungen“. Die Arbeitsphasen sind der „Einstieg“, die „interaktive Themenbearbeitung“, die „interaktiven Vorträge und interaktiven Erzählungen“ und der „Seminarabschluss“. Die „Wachrüttler“ können in jeder Phase vorkommen, und die „Nachbesprechung und Reflexion“ gehört als zweite Methodenphase zu jeder Übung.
Als Themen des zweiten Buchteil werden „interkulturelles Lernen“ und „Umgang mit Vielfalt“ genannt. Die letzten beiden Kapitel sind dem „Arbeiten in Gruppen und Teams“ und dem „Arbeiten in speziellen Seminarformen“ (Kap. 10) wie Online- und Großgruppen gewidmet.
Inhalt
„Die sieben Gesetze des Lernens“ nach Thiagi sind: die Gesetze „der Verstärkung (durch Belohnung und Bestätigung), des emotionalen Lernens, aktiven Lernens, von Üben und Feedback, der früheren Erfahrung, der individuellen Unterschiede und der Relevanz“. Warum es gerade diese und sieben Gesetze sind und ob sie wirklich „sowohl der gesunde Menschenverstand als auch die empirische Forschung“ (S. 13) bestätigen, sei dahingestellt. Ein Nachweis für die Forschung wird nicht erbracht. Immerhin klingen sie plausibel. Didaktisch konkreter und erhellender sind die Ausführungen zur Funktion (S. 126f.) und Struktur (S. 133f.) von den Nachbesprechungen als zweitem Übungsteil.
Die Beschreibungen der Übungen erfolgen meist nach dem gleichen Raster: Ziel, Teilnehmerzahl, Zeit, Material, Verlauf und Nachbesprechung. In Einzelfällen werden besondere Texte beigefügt.
Kap. 1: Einstieg (5 Übungen). Die vorgestellten Einstiegsaktivitäten dienen mehrheitlich nicht nur dem Ankommen und Kennenlernen, sondern sind von vornherein mit dem Thema bzw. Ziel der Maßnahme verknüpft. Eine Nachbesprechung ist im Regelfall nicht nötig.
Kap. 2: Wachrüttler (9 Übungen). Gemeint sind „kurze, auf eigens Erleben zielende Aktivität, die den Teilnehmern zu überraschenden Einsichten verhilft“ (S. 27). Sie dauern weniger als fünf Minuten, können aber in Serie geschaltet werden (S. 48f.).
Kap. 3: Interaktive Themenbearbeitung (10 Übungen). Die in diesem Kapitel vorgestellten Übungen geben dem thematischen Arbeiten einen Rahmen, ohne schon auf der fachdidaktischen Ebene angesiedelt zu sein. Die „Textra-Aktivitäten“ kombinieren Text mit Interaktion und sind Übungen der Textarbeit. Die „Aktivitäten des strukturierten Austauschs“ helfen, miteinander und voneinander zu lernen. Das Kapitel schließt mit der „Fallmethode“ als einem eigenständigen Methodentypus.
Kap. 4: Interaktive Vorträge und interaktives Erzählen (7 Übungen). Mit den Übungen zu interaktiven Vorträgen wird versucht, die Zuhörer trotz der monologischen Ausgangssituation zu involvieren und zum Mitdenken anzuregen. Im Unterschied dazu sind die interaktiven Erzählübungen von vornherein dialogisch ausgerichtet.
Kap. 5: Nachbesprechung und Reflexion (3 Übungen). Die drei Reflexionsübungen werden von zwei Texten gerahmt, die für den interaktiven Methodentyp und das Buch insgesamt von zentraler Bedeutung sind: „Reflexion zur Reflexion – ein kurzer philosophischer Exkurs über das Denken zweiten Grades“ (Tom Kehrbaum S. 126f.) und „Die sechs Phasen der Nachbesprechung“ (Thiagi, S. 133f.).
Kap. 6: Seminarabschluss (4 Übungen). Drei der vier Übungen sollen die Teilnehmer positiv gestimmt nach Hause entlassen und sind von der Positiven Psychologie inspiriert.
Kap. 7: Interkulturelles Lernen (9 Übungen). Die folgenden Übungen sind kaum von denen des nächsten Kapitels zu unterscheiden. In beiden Fällen geht es um das Erkennen, Respektieren und Nutzen der (kulturellen) Unterschiedlichkeit (diversity) von Menschen.
Kap. 8: Umgang mit Vielfalt (7 Übungen)
Kap. 9: Arbeiten in Gruppen und Teams (11 Übungen). Bei den elf in diesem Kapitel vorgestellten Aktivitäten handelt es Übungen zur Teamentwicklung. Das Stichwort „Gruppe“ bleibt zu ungenau und wäre verzichtbar gewesen.
Kap. 10: Arbeiten in speziellen Seminarformen. Die letzten drei Beiträge des Buches sind weniger interaktiven Methoden als vielmehr interaktiven Akzentuierungen von Veranstaltungsformen gewidmet, Online- und Großgruppenveranstaltungen.
Diskussion
Die Kapitel 3 bis 5 zielen auf methodische Handlungsfelder, die bei vielen anderen Methodensammlungen für gewöhnlich zu kurz kommen. Sie zeigen, dass die inhaltliche Lernarbeit schon vor fachdidaktischen Spezialisierungen möglich ist und sich entsprechende Übungen nicht in einem methodischen inhaltsleeren Formalismus erschöpfen müssen (Kap. 3). Sie berücksichtigen, dass frontale Methoden nach wie vor unverzichtbar, auch interaktiv gestaltbar sind (Kap. 4). Und sie betonen den Stellenwert der Reflexion (Kap. 5).
Die Betonung des Umgangs mit Vielfalt im Kontext des interkulturellen Lernens entspricht zwar den derzeitigen Üblichkeiten in diesem Themengebiet. Die Entdeckung von Gemeinsamkeiten statt Unterschieden wären aber ebenfalls interessant gewesen.
Fazit
Das Buch ist eine Fundgrube plastischer und prägnant beschriebener interaktiver bzw. handlungsorientierter Bildungsmethoden.
Rezension von
Prof. Dr. Ulrich Papenkort
Professur für Pädagogik an der Katholischen Hochschule Mainz
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Zitiervorschlag
Ulrich Papenkort. Rezension vom 29.12.2014 zu:
Sivasailam Thiagarajan, Samuel Bergh: Interaktive Trainingsmethoden. Thiagis Aktivitäten für berufliches, interkulturelles und politisches Lernen in Gruppen. Wochenschau Verlag
(Frankfurt am Main) 2014.
ISBN 978-3-89974-989-2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/17371.php, Datum des Zugriffs 01.04.2023.
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