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Susanne Fricke, Katharina Armour: Dem Zwang die rote Karte zeigen

Rezensiert von Prof. Dr. Michael Domes, 25.08.2014

Cover Susanne Fricke, Katharina Armour: Dem Zwang die rote Karte zeigen ISBN 978-3-86739-085-9

Susanne Fricke, Katharina Armour: Dem Zwang die rote Karte zeigen. Ein Ratgeber für Kinder und Jugendliche und ihre Eltern. Balance Buch + Medien Verlag (Köln) 2014. 142 Seiten. ISBN 978-3-86739-085-9. D: 17,95 EUR, A: 18,50 EUR, CH: 25,90 sFr.

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Thema

Zwangsstörungen zählen mit einer Prävalenz von ca. 1-3% zu den häufigsten Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Die Symptomatik ist sehr vielfältig und kann zu schweren Beeinträchtigungen der Lebensqualität der betroffenen Kinder und Jugendlichen, aber auch ihrer Familien führen. Zugleich werden Zwangserkrankungen häufig zu spät erkannt, was wiederum verhindert, frühzeitig adäquate Hilfen, therapeutisch wie pädagogisch, anzubieten.

Autoren

Dr. phil. Susanne Fricke ist Psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin mit eigener Praxis und auf die Behandlung von Zwangsstörungen spezialisiert. Katharina Armour ist ebenfalls Psychologische Psychotherapeutin und als Supervisorin und Dozentin auch in der Ausbildung tätig.

Entstehungshintergrund

Therapie- und Hilfsangebote für Betroffene von Zwangsstörungen haben sich mittlerweile deutlich verbessert. Es gibt zahlreiche Fachpublikationen, die sich mit Diagnostik und Behandlung von Zwangsstörungen befassen, u.a. auch eine entsprechende S3-Leitlinie zu Zwangsstörungen. Betroffenen Kindern und Jugendlichen und deren Familien müssen diese Informationen aber praxis- und alltagsnah übersetzt werden, um konkrete Handlungsansätze entwickeln zu können. Dies bildet die Grundvoraussetzung, um über die Beeinträchtigungen der Störung hinauswachsen zu können und damit auch wieder mehr Lebensqualität zu erreichen. Selbsthilfe und Therapie ergänzen sich somit wechselseitig. Die Autorinnen des Buches haben deshalb einen ausführlichen Ratgeber für Kinder und Jugendliche und deren Eltern konzipiert, der auch direkt für diese geschrieben ist, mit dem Ziel, Zwänge besser verstehen und damit auch bewältigen zu können.

Aufbau

Das Buch ist in sechs inhaltliche Kapitel gegliedert. Diese werden von einem Geleitwort von Antonia Peters, der Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft Zwangserkrankungen e.V., einem Vorwort „Warum es sich lohnen könnte, dieses Buch zu lesen“ und einem ausführlichen Anhang, der verschiedene Arbeitsmaterialien enthält, umrahmt. Der Anhang ist zudem auch im Internet downloadbar.

Jedes Kapitel spricht die betroffenen Kinder und Jugendlichen direkt an und enthält zahlreiche Fallbeispiele. Ergänzt wird jedes Kaptitel zudem durch Informationen, die sich direkt an die Eltern betroffener Kinder und Jugendlicher richten.

  1. Falsche Freunde: Zwänge und ihre Tricks erkennen
  2. Hilfe suchen und finden
  3. Was Du selbst tun kannst
  4. Wie Dich Deine Familie unterstützen kann
  5. Häufige Fragen zum Zwang
  6. Was sonst noch wichtig ist

Ein Anhang dokumentiert alle Arbeitsblätter.

Inhalt

In Kapitel 1 Falsche Freunde erläutern die Autorinnen einleitend, was Zwänge sind und was diese speziell charakterisiert. Sie gehen auf die gängige Aufteilung der Zwangserkrankung in Zwangsgedanken und Zwangshandlungen ein. Verschiedene Zwänge werden erläutert und erklärt: Wasch- und Reinigungszwänge; Kontrollzwänge; Magisches Denken und dazu passende Zwangshandlungen; Aggressive, religiöse und sexuelle Zwangsgedanken; Ordnungszwänge. Am Ende dieses Abschnitts finden betroffene Kinder und Jugendliche ein Arbeitsblatt, mit dem sie ihre eigenen Zwangssymptome bestimmen können. Im Folgenden wird auf den Unterschied zwischen Zwängen und Angewohnheiten/Eigenarten eingegangen, sowie ein Bezug zu anderen Erkrankungen, die Zwängen ähneln können, hergestellt.

Im Anschluss daran wird ausführlich auf das Entstehungs- und Bedingungsgefüge von Zwangsstörungen (Zwangspuzzle) eingegangen. Das gängige bio-psycho-soziale Krankheitsverständnis bzw. Stress-Vulnerabiltäts-Modell wird praxisnah anhand von verschiedenen Beispielen erklärt. Mit dem Bild des Zwangsmonsters haben Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, sich ihrer eigenen Entstehungsgeschichte zu nähern und ihr persönliches Zwangspuzzle zu erstellen.

Kapitel 2 Hilfe suchen und finden beschreibt kompakt die verschiedenen Therapiemöglichkeiten: ambulante Verhaltenstherapie; stationäre Therapie (Krankenhaus) und medikamentöse Therapie.

Kapitel 3 Was Du selbst tun kannst widmet sich ausführlich den Selbsthilfemöglichkeiten und den Wegen, Gelerntes aus den Therapien in den Alltag zu übertragen. Auch hier wird das Bild des Zwangsmonsters verwendet, um einen besseren Bezug zur eigenen Biographie herstellen zu können. Wesentliche Voraussetzung, um mit den eigenen Zwängen umgehen zu können, ist, das eigene Zwangsmonster besser kennen zu lernen. Die Autorinnen stellen hierzu verschiedene Möglichkeiten (auch über Arbeitsblätter) vor. Über ein Zwangstagebuch haben Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, strukturiert ihren Alltag im Hinblick auf Zwangsgedanken und Zwangshandlungen zu analysieren. Das Zwangsthermometer bietet die Möglichkeit, sich den eigenen Gefühlen, wie Angst, Anspannung oder Ekel, zu nähern. Auch klassische Methoden, wie die Exposition oder Gegen-Sätze bilden werden anschaulich erläutert. Über die Zwangsleiter beschreiben die Autorinnen, wie man Schritt für Schritt das eigene Zwangsmonster vertreiben kann. Exemplarisch wird ein Übungsplan vorgestellt, der ermöglicht, Anregungen für den eigenen Alltag zu übertragen. Hierbei liegt der Fokus auf lösungs- und ressourcenorientierten Maßnahmen, die Kinder, Jugendliche und Eltern im Alltag umsetzen können.

In Kapitel 4 wird ein Blick auf das Umfeld der Kinder und Jugendlichen geworfen. Es versucht aufzuzeigen, Wie Dich Deine Familie unterstützen kann. Neben Eltern und Geschwistern können auch nahestehende Personen, wie Großeltern, Freunde oder andere wichtige Bezugspersonen den Gesundungsprozess unterstützen. Der Fokus liegt auf der Stärkung des Selbstbewusstseins, Entlastungsmechanismen und der Förderung gesunder Lebensbereiche und Persönlichkeitsanteile.

In Kapitel 5 haben betroffene Kinder und Jugendliche und ihre Eltern nochmals die Möglichkeit, kurz und kompakt Antworten zu Häufige Fragen zum Zwang zu erhalten.

Kapitel 6 Was sonst noch wichtig ist gibt weiterführende Hinweise auf Fachbücher, sowie Fachportale und -gesellschaften.

Der Anhang enthält alle im Buch verwendeten und erläuterten Arbeitsblätter als Kopiervorlage.

Diskussion und Fazit

In der Verlagsinformation zu diesem Buch heißt es: Zwei erfahrene spezialisierte Psychotherapeutinnen holen die Betroffenen mit diesem Buch humorvoll und einfühlsam aus ihrer Einsamkeit. Leicht verständliche Informationen zur Zwangserkrankung in altersgemäßer Sprache und zahlreiche konkrete Beispiele helfen, die Krankheit zu verstehen und zu bewältigen. Diesem Anspruch wird das „nur“ 142 Seiten umfassende Buch voll und ganz gerecht. Die Stärke dieses Buchs liegt in der konsequent umgesetzten Nutzerorientierung. Als Ratgeber für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern konzipiert, spricht das Buch durchgehend auch diese Zielgruppe an. Eine ressourcen- und lösungsorientierte Perspektive auf Kinder und Jugendliche mit Zwangsstörungen prägt die Ausführungen der Autorinnen und stellt der leider in der (Kinder- und Jugend-)Psychiatrie häufig immer noch vorherrschenden defizit- und symptomorientierten eine ermutigende andere Grundhaltung entgegen. Sowohl die vielfältigen Praxisbeispiele, aber auch die enthaltenen Materialien bieten Lesern und Leserinnen dieses Buchs die Möglichkeit, die Erkenntnisse auf ihren Alltag zu übertragen. Aus diesem Grund ist der Ratgeber auch besonders pädagogischen Fachkräften zu empfehlen, die mit betroffenen Kindern und Jugendlichen, zum Beispielen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, arbeiten. Auch Dozenten in entsprechenden Ausbildungs- und Studiengängen erhalten über das Buch Anleitungen für Unterricht und Lehre, wie klinisches Wissen über Zwangsstörungen auf pädagogisches Handeln übertragen und fruchtbar gemacht werden kann.

Rezension von
Prof. Dr. Michael Domes
Diplom-Sozialpädagoge, Professor für Theorien und Handlungslehre in der Sozialen Arbeit, TH Nürnberg Georg Simon Ohm
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Es gibt 19 Rezensionen von Michael Domes.

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ISSN 2190-9245