Martin Bellermann: Sozialökonomie
Rezensiert von Angela Scheibe-Jaeger, 16.11.2004
Martin Bellermann: Sozialökonomie. Soziale Güter und Organisationen zwischen Ökonomie und Politik. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2004. 180 Seiten. ISBN 978-3-7841-1533-7. 14,00 EUR. CH: 25,30 sFr.
Einführung
Die Sozialwirtschaft als das wirtschaftliche Handeln von Trägern sozialer Leistungen stehen im Mittelpunkt des Buches, eingebettet in die Darstellung der gesamtwirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen.
Hintergrund
Sozialökonomie ist ein Thema, das verstärkt Einzug in die Sozialwirtschaft hält. Soziale Güter und die Organisationen als ihre Anbieter müssen sich mehr denn je zwischen Ökonomie und Politik behaupten. Dazu bedarf es Kenntnisse der Hintergründe und Zusammenhänge, die dieses Buch bereit hält. Es geht sowohl um den allgemeinen Hintergrund für das professionelle Handeln als auch um konkrete Arbeitsgrundlagen für soziale Berufe.
Aufbau und Gliederung
Die ersten beiden Teile des Buches beschäftigen sich mit den Hintergründen bei der Herstellung und Nutzung sozialer Güter sowie mit den Organisationsformen der unterschiedlichen Träger, die soziale Güter produzieren. Der dritte Teil erläutert die Finanzierung der sozialen Leistungen, zeigt die spezifischen Produktionsformen sozialer Güter und behandelt die Grundlagen des Managements in sozialen Organisationen.
Inhalte
In acht Kapiteln werden diese Inhalte aufgezeichnet:
- Die kurze Einleitung (Kapitel 1) enthält eine Beschreibung der Begriffe Ökonomie, Sozialökonomie und Sozialwirtschaft und streift das Schlagwort der "Ökonomisierung des Sozialsektors".
- In Kapitel 2 werden die sozialen Güter im gesamtwirtschaftlichen Rahmen dargestellt. Dabei geht es um deren Bezugsebenen zur Wirtschaft, nämlich Funktion und Geld, um ihre Erfassung im Rahmen der volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, um Wirtschaftsordnungen und -systeme, besonders die Sozialen Marktwirtschaft und um wirtschaftspolitische Grundbegriffe.
- Rahmenbedingungen, Grundentscheidungen und Selbstfestlegungen der Sozialwirtschaft bzw. der Politik werden im Kapitel 3 behandelt. Dazu gehören Begriffe wie Prinzip der Sozialstaatlichkeit, Subsidiarität und Korporatismus.
- Im vierten Kapitel werden die sozialen Sicherungssysteme der Bundesrepublik dargestellt und bewertet, "um die Relevanz der sozialstaatlichen Gegebenheiten näher zu beleuchten". Weiter werden die Finanzierungsquellen und Umverteilungseffekte aufgezeigt. Bei der Bewertung kommen sowohl die Sicht der Konservativen wie der rot-grünen Koalition zum Tragen. Ebenso werden zentralstaatliche und föderative Elemente erwähnt wie auch die sozialpolitischen Strukturprobleme und wirtschaftliche Entwicklung.
- In Kapitel 5 steht mit dem Thema Staat, Markt, Verband und Netzwerk die Sozialökonomie der Träger im Vordergrund. So werden Trägertypen, ihre Zweckbestimmung, Organisationsformen und Verflechtungen eingehend beschrieben.
- Um die öffentlichen Finanzen, das Haushaltswesen und die öffentlichen Finanzierungsformen bzw. -arten privater Träger geht es im sechsten Kapitel.
- Im Kapitel 7 erfolgt ein kurzer Überblick über die Finanzierung aus nichtöffentlichen Mitteln.
- Kapitel 8 handelt von den Produktionsbedingungen sozialer Dienste und im letzten Kapitel werden die Grundformen des Sozialmanagements angerissen.
Zielgruppen
Durch den Klappentext wird die Zielgruppe nicht speziell definiert. Das Buch richtet sich an Leserinnen und Leser, von denen als (zukünftige) Entscheidungsträger in Politik und Sozialwirtschaft besondere Kompetenzen bzw. Hintergrundwissen verlangt werden. Oder an Verbandsmitarbeiter, die dem zunehmenden Wettbewerb nicht unvorbereitet begegnen sollten. Wer das Buch durcharbeitet, erkennt die Zusammenhänge und Abhängigkeiten, d.h. die Komplexität sozialwirtschaftlichen Handelns und ihre Auswirkung auf die Anbieter sozialer Dienst. Wichtig ist das Werk somit für alle, die in ihrem zukünftigen Arbeitsleben direkt oder indirekt mit Sozialwirtschaft zu tun haben.
Einschätzung des Autors
Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft am Fachbereich für Soziale Arbeit an einer FH und stellt die Materie kenntnisreich dar.Lesbarkeit
Verständnisfragen hätten dem Buch den Charakter eines guten Lehrbuchs gegeben. Auch wechselt die stilistische Ausdrucksweise zwischen eher kompliziert bzw. schwer verständlich und banal bzw. stark vereinfacht. Viele Begriffe wie beispielsweise "Rheinischer Kapitalismus" werden als bekannt vorausgesetzt, Fremdworte ("prioritativ") nicht erklärt. Als großes Manko empfinde ich das fehlende Stichwortverzeichnis. Querverweise zu bereits abgehandelten bzw. zu erwartenden Aussagen wären erleichternd gewesen, um die komplexen Zusammenhänge verständlicher zu machen. Durch mehr Layout hätte die Lesbarkeit noch gesteigert werden können. Die Abbildungen haben z.T. eine zu kleine Schriftgröße.
Nützlichkeit des Buches
Ich halte das Buch für nützlich, um interdisziplinäres Denken und Handeln in der Ausbildung wie in der täglichen Praxis aller rund um die Sozialwirtschaft Tätigen zu fördern. Auch dient es gut dazu, differenzierte Einblicke in die unterschiedlichen Lösungsansätze der beiden großen Volksparteien zu gewähren. Angesprochen sind primär die LeserInnen aus öffentlichen und nichtöffentlichen Trägern sowie interessierte Einsteiger in die Thematik an (Fach-)Hochschulen, nicht nur "Nichtökonomen" des Fachbereichs soziale Arbeit! Das abgehandelte Themenspektrum geht weit in unsere wirtschaftspolitische Gestaltung hinein, die jeden (be)trifft.
Fazit
Das Buch bietet einen interessanten Überblick in das Thema und zeigt anschaulich und mit aktuellen Bezügen, wie es in unserem politischen Alltag von unterschiedlicher politischer Couleur unterschiedlich umgesetzt wird. Es enthält weniger praktische Handlungsanleitungen als vielmehr theoretisches Hintergrundwissen. Besonders wichtig schätze ich das Thema soziale Sicherung, ihre Finanzierung sowie das Netzwerk der Geldströme ein, das uns in Zukunft in Zeiten leerer öffentlichen Kassen immer mehr beschäftigen wird.
Ich begrüße es, dass die Thematik Sozialökonomie durch diese Neuerscheinung eine weitere Aufwertung erhalten hat und dass die spärlichen Literaturquellen Zuwachs erhalten haben.
Rezension von
Angela Scheibe-Jaeger
Als Diplom-Volkswirtin und Diplom-Sozialpädagogin freiberuflich in der Weiterbildung, als Sachbuchautorin (Fundraising, Existenzgründung, Sozialökonomie, Sozialmarketing) sowie als Fundraising-Beraterin in München tätig.
Website
Mailformular
Es gibt 21 Rezensionen von Angela Scheibe-Jaeger.
Zitiervorschlag
Angela Scheibe-Jaeger. Rezension vom 16.11.2004 zu:
Martin Bellermann: Sozialökonomie. Soziale Güter und Organisationen zwischen Ökonomie und Politik. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb
(Freiburg) 2004.
ISBN 978-3-7841-1533-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/1740.php, Datum des Zugriffs 12.12.2024.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.