Andreas Wölfl: Gewaltprävention mit Musik
Rezensiert von Dr. Frank Henn, 01.07.2015

Andreas Wölfl: Gewaltprävention mit Musik. Empirische Wirkungsanalyse eines musiktherapeutischen Projektmodells. Dr. Ludwig Reichert Verlag (Wiesbaden) 2014. 363 Seiten. ISBN 978-3-95490-010-7. D: 49,80 EUR, A: 51,20 EUR, CH: 66,90 sFr.
Thema
Gewaltprävention ist eine der großen gesellschaftlichen Aufgaben des 21. Jahrhunderts, die effektive Präventionsmaßnahmen auf vielen Ebenen erfordert. Musik als nonverbales und emotionsnahes Medium stellt besondere Wirkungspotentiale zur Förderung von Aggressionsregulation, Konfliktlösungsfähigkeit und sozialer Integration bereit. Die wirksame präventiv-therapeutische Anwendung dieser Potentiale ist das zentrale Thema dieses Buches.
Ausgehend von der Fragestellung „Wie kann die Musiktherapie einen effektiven Beitrag zur Gewaltprävention leisten?“ wird ein innovatives Konzept zur Gewaltprävention mit Musik vorgestellt und in einer Pilotstudie an zwei Hauptschulen erstmals empirisch untersucht. In einem quasi-experimentellen Forschungsdesign mit je zwei Projekt- und Kontrollklassen der 5. Jahrgangsstufe werden Wirkungsannahmen anhand fokussierender Hypothesen überprüft und Wirkungspotentiale belegt. Die Untersuchung weist signifikante Effekte auf, zeigt jedoch ein heterogenes Ergebnis. In einer Projektklasse wird die gewaltpräventive Wirkung des Projektmodells durch die Untersuchungsergebnisse durchgehend bestätigt, in der anderen Projektklasse werden die Untersuchungshypothesen – mit Ausnahme eines hochsignifikanten Rückgangs in der Kategorie aggressive Handlungen – überwiegend zurückgewiesen. Die Diskussion der Ergebnisse analysiert unter Einbeziehung qualitativer Forschungsmethoden Bedingungen für einen positiven Projektverlauf und erstellt daraus konzeptionelle Schlussfolgerungen. Im Sinne angewandter Musiktherapieforschung dokumentiert das Buch die empirische Wirkungsanalyse des musiktherapeutischen Projektmodells und zeigt zentrale Schritte einer wissenschaftlich fundierten Konzeptentwicklung zur Gewaltprävention mit Musik auf.
Autor
Dr. Andreas Wölfl publiziert seit 2001 in der Fachpresse zu Themen, wie „Rhythmische Strukturen in Entwicklungsprozessen“; „Therapeutische Aspekte der Rhythmischen Improvisation“; „Gewaltprävention durch Musik und Improvisation“; „Trommelpower“; „Mit Stab und Trommel im Raum“
Entstehungshintergrund
Dr. Andreas Wölfl ist in der musikpädagogischen und -therapeutischen Praxis seit vielen Jahren tätig. Er hat vorliegendes Projektmodell zum Thema seiner Dissertation machen können und ist damit an der Universität Augsburg promoviert. Die Dissertation wurde von fachlichen Spitzenkräften, wie Prof. Dr. Tonius Timmermann (Schwerpunkt Musiktherapeutische Praxis, Theorie und Didaktik), Prof. Dr. Christoph Weller (Schwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung), Dr. Monika Nöcker-Ribaupierre (Musiktherapie Grundlagen-Forschung-Praxi) begleitet.
Aufbau
Der dienliche schlichte Aufbau mit lediglich fünf kardinalen Gliederungspunkten und zwei ausführlichen Kapiteln – Kap. 2 Gewaltprävention mit Musik – ein musiktherapeutisches Rahmenmodell und Kap. 3. Die Pilotstudie – weist alle notwendigen Mittel zur Bestimmung des wissenschaftlichen Feldes aus. Die Tiefe hebt Dr. Andreas Wölfl mit gut 100 Seiten im Kap. 2 im wissenschaftlichen Rahmen und im Kap. 3 mit 200 Seiten zum Praxisprojekt hervor.
Zu Kapitel 2
Dr. Andreas Wölfl stellt im Kapitel 2 „Gewaltprävention mit Musik – ein musiktherapeutisches Rahmenmodell“, den aktuellen Stand der Forschung zur Sache vor.
Die Begriffsbestimmungen und deren Abgrenzungen von „Aggressionen“ und „Gewalt“ dienen als Einstieg in die Thematik, die besonders in den Unterpunkten „Formen der Aggression/bzw. Gewalt“ ein solides Fundament geben. Konstruktive Aggression/Gewalt wird, mit Hinweis auf wissenschaftliche Erkenntnisse von destruktiver Aggression/Gewalt unterschieden. Der Fokus wird dann auf das Bildungssystem „Gewalt im Kontext Schule“ gezogen. Der wissenschaftliche Stand wird mit Hinweisen auf historische Erkenntnisse (Schwind) in Relation zu aktuellen Forschungsergebnissen vorgestellt (Hurrelmann & Bründel). Formen der Gewalt werden mit Hinweis auf die Fachliteratur (etwa Jannan oder Klewin, Tilmann & Weingart) in physische und psychische Gewalt und spezifischere Subformen, wie sexuelle, rassistische oder radikale Gewalt (Hanke) geschildert. Um die Bedeutung des Themas zu beschreiben führt Wölfl Quantifizierungen der Gewaltbereitschaft an. Neben nationalen Häufigkeiten werden auch internationale Vergleichszahlen angeboten.
Eine methodische Konstanz zeigt Wölfl, indem er immer wieder am Ausgang der Kapitel Folgerungen für das musiktherapeutische Konzept vorstellt.
Im Anschluss an die Begriffsbestimmungen platziert Wölfl im Kap. 2.2.2 „Entwicklungspsychologische Aspekte der Aggressions- und Gewaltentwicklung“. Auch hier wird von Wölfl auf die aktuelle Forschung verwiesen (Nolting, Cierpka).
Inhaltlich werden insbesondere Risikofaktoren (Empathiestörung, Bindungsstörung, Traumatisierung) näher erläutert.
Themen, wie „Familiäre/Gesellschaftliche Aspekte“ (Kap. 2.2.2.5/6) oder „Prävalenz“ (Kap. 2.2.2.7) weisen auf mögliche soziale Vorbedingungen (Konfliktbewältigung, sozioökonomische Bedingungen, Medien, Verunsicherung der Wert- und Normvorstellungen, klinisch bedeutsame Verhaltensauffälligkeiten) für Gewalt hin.
Im Kapitel 2.2.3 „Gewaltprävention an Schulen“, werden schulinterne Ebenen (Schüler, Klasse, Schule, Eltern) sowie die Optionen der primären, sekundären und tertiären Gewaltprävention (Reduzierung von Ursachen/Einflussfaktoren, konkrete Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalthandlungen im Kontext Opferschutz, Rückfallverhütung) vorgestellt.
Nachdem sich Wölfl der Thematik „Gewalt“ gewidmet hat, wendet er sich im Kapitel 2.3. der „Wirkung von Musik im schulischen Kontext – wissenschaftliche Erkenntnisse und Erklärungsmodelle“ zu.
Wölfl bleibt auch in diesem Kapitel seiner umfassenden Vorgehensweise und seriösen wissenschaftlichen Auseinandersetzung treu. Frances Rauscher bzw. Campbells „Mozart -Effekt“ werden kritisch beleuchtet. Jähnke´s „Macht Musik schlau“ oder Schumacher´s „Förderung der kognitiven Kompetenzen“ werden in ihrem Stellenwert gebührend zusammengefasst. Diese Untersuchungen verfolgen andere Kernziele als Wölfl mit seinem Projekt. Dennoch wagt Wölfl die vorsichtige Folgerung (S.64): „Des Weiteren können aus den Studien zu Transfereffekten von Musikunterricht an Schulen und aus soziologischen Erhebungen zur Wirkung von Musik eine möglicherweise gewaltpräventive Wirkung von Musik abgeleitet werden.“ Diese Folgerung wird in den daran anschließenden Kapiteln 2.3.1 „Emotionale und kognitive Effekte von Musik“ durch neurobiologische Erkenntnisse (Blood & Zatorre u.a., Jäncke, Schumacher) gestützt.
Im Kapitel 2.3.2. „Individuelle Einflussfaktoren auf die Wirkung von Musik“.
In diesem Kapitel beschreibt Wölfl konstruktivistische Erkenntnisse (Hüther, Spychiger), die zum einen die subjektive Einstellung zur Musik hervorheben. Zum anderen werden auch vegetative Reaktionen (Herz- und Pulsrate, Atmung) beachtet.
Ein fundamentales Kapitel zeigt sich in Kapitel 2.3.3 „Transfereffekte von Musikunterricht an Schulen“ in dem als Repräsentation für den nationalen Raum die „Bastian-Studie“ (Grundschulkinder erhalten sechs Jahre Instrumental- bzw. Ensemble-Musikunterricht) kritisch betrachtet wird. Weitere Zusammenfassungen von international vergleichbaren Untersuchungen (Schweiz, Kanada) legt Wölfl vor.
Wölfl bleibt, so sehr ihm das Thema „Musikwirkung“ am Herzen liegt, weiter hin der Wissenschaftlichkeit treu.
Einen kurzen Exkurs wagt Wölfl im Kap. 2.3.4 „Rückschlüsse auf soziologische Erhebungen“, in dem er aus kriminologischen Perspektiven (Pfeiffer, Neumann) den steilen „Anstieg der Jugendgewalt“ seit Mitte der 80er Jahre beschreibt. Dem gegenüber verweist Wölfl auf Pfeiffers Interpretation des Kontextes „Wahrnehmung von Instrumentalunterricht und der Kriminalstatistik“ in dem es ein Nord-Süd-Gefälle zu geben scheint. Pfeiffer betrachtet „aktives Musizieren als eine Art Schutzimpfung gegen Medienkonsum“.
Mit Blick auf die „Musiktherapeutischen Forschungsergebnisse“ (Kap. 2.3.5) spricht Wölfl mit Bezug auf Christian Gold von „eindeutigen Effekten in der musiktherapeutischen Behandlung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen“ und stabilisiert diese Erkenntnis mit weiteren Quellen (Spintge & Droh, Taylor, Tauth, Koelsch & Stegemann).
In den kapitelabschließenden Folgerungen (Kap. 2.3.6) bleibt Wölfl weiter vorsichtig. „Musiktherapeutische Untersuchungen schließlich belegen therapeutische Effekte von Musik in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Diese beziehen sich jedoch vorrangig auf Befunde im therapeutischen Setting von Einzelbehandlungen und Kleingruppen und können nicht ungeprüft auf die Arbeit im schulischen Kontext übertragen werden… Empirische Untersuchungen zu Programmen zur Gewaltprävention mit musiktherapeutischen Elementen liegen aktuell nicht vor.“ (S. 75)
2.4 „Gewaltprävention mit Musik – Aufbau des musiktherapeutischen Projektmodells“
Im Advanced Organizer des Kapitels stellt Wölfl eine Zusammenfassung des in der vorliegenden Form als externem Programm konzipierten Vorhabens voran, so dass dem Leser die Struktur in seiner Essenz angereicht wird.
Im Kapitel selbst werden Aspekte wie die konzeptuelle Darstellung des Projektmodells in Herleitung und Zielsetzung (Fähigkeiten, wie: Selbstbeherrschung, Frustrationstoleranz, Durchhaltevermögen, Leistungsbereitschaft, Empathie, Rechtsgefühl, Rücksichtnahme 2.4.1) mit den Fundamenten aus Pädagogik, Psychologie und Psychotherapie beschrieben. Der inhaltlich bedeutende Kontext von Lehrkräften und deren Optionen für die Gestaltung der therapeutisch-präventiven Beziehungen wird „vertiefend ausgeführt“. Weiter werden methodische Grundkenntnisse klinischer Musiktherapie vermittelt. Das Ziel wird definiert, in dem mit Mitteln der Musik(therapie) individuelle und gruppenbezogenen soziale Kompetenzen zum konstruktiven Umgang mit Aggressionen und Konflikten, bzw. die Verhinderung von Gewalt gefördert werden.
Einen Schwerpunkt der Instrumentenwahl legt Wölfl auf „Trommeln“. Die Begründung ist plausibel, da Trommeln auf der Handlungsebene (2.4.2.1) einfach spielbar sind, in vielen Fällen für Vertrautheit sorgen, eine Verhältnismäßigkeit des taktilen Auseinandersetzens mit dem klanglichen Erleben gegeben ist.
Weitere musikalische Ausdrucksformen über etwa Stimme oder Klangerleben werden ebenso angesprochen und in ihren situativen Möglichkeiten beleuchtet.
Die allgemeinen Voraussetzungen für präventive Projektarbeit werden in Kap. 2.4.3 vorgestellt, die durch methodische Herleitung (Zieldefinition, Zeitfaktoren, materielle bzw. personelle Ressourcen) oder Lernkriterien (Podzuweit) auch für andere Projekte im schulischen Raum herangezogen werden können.
Das Projektmodell Gewaltprävention mit Musik (Kap 2.4.4) beschreibt den inhaltlichen Aufbau (2.4.4.1) der beiden Ebenen: gemeinsames improvisiertes Musizieren und die Auseinandersetzung mit Gewalt. In diesem Kapitel werden auch erwartete Abschnitte des Prozessverlaufs (Einführung und Weitung, Bündelung, Performance) avisiert. Hier benennt Wölfl mit erkennbar großer Erfahrung die Problematik des Beziehungsaufbaus und das „ins Spielen kommen“. Der Kontext zu überhöhten Erwartungen wird durch einfache Spielvorgaben abgebaut. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass dies der Spiellust zuträglich ist und die Freude am eigenen Ausdruck wächst. Es wird konzeptuell geplant (2.4.4.2) von einem chaotischen Zusammenspiel (Gruppenkohäsion) über solistisches Hervortreten (Individuation) zu Dialogspielen (Kontakt) zu gehen. Als Spielanleitungen für die musikalisch-improvisatorischen Umsetzungen bietet Wölfl an: Durcheinander – Miteinander, Verdünnen- Verdichten, Trommelpuls, Ton reihum im Kreis, Ton weitergeben, Motiv weitergeben Frage-Antwort, Rakete, Vulkane, Gewitter. Aus diesen Spielvorgaben heraus möchte Wölfl im nächsten Schritt die Thematik „Gewalt und Aggression“ in das musikalische Geschehen einbinden. Hierbei gilt es die Voraussetzungen, wie Altersgruppe (etwa: junge Schüler sind tendenziell eher unbefangen in ihrer Vorgehensweise und zunehmende Beschämung mit dem Jugendalter), Gruppenstruktur zu berücksichtigen. Die oftmals schwierige Phase der „Bündelung“ bedarf besonderer Sensibilität von Seiten der Gruppenleitung, da es u.U. zu aggressiver Durchsetzung, destruktiver Vermeidung oder Konfliktvermeidung kommen kann. Weitere Stressfaktoren können im Lampenfieber zur bevorstehenden Performance sein.
Auch in diesem Fall weiß Wölfl um die Bedeutung von Auflockerungsübungen oder etwa Entspannungsübungen, zum Gelingen der Performance.
Um der wissenschaftlichen Sorgfalt weiterhin nachzukommen weist Wölfl im Kap. 2.4.4.4 auf die Anforderung zur Haltung der Trainer, die in der Durchführung des Projektes zu tragender Rolle kommen, hin. „Sie lehren Improvisation und Spieltechniken, zeigen im Kontakt Achtung und Wertschätzung gegenüber jedem Einzelnen und vermitteln klare Haltung zum Thema Gewalt“ (S. 117).
Die Phasen zwischen den einzelnen Projektabschnitten werden so geplant, dass durch Reflexionen im Expertenaustausch „die Dynamik der Gruppe und einzelner Schüler… wie Ressourcen, Potenziale und Schwierigkeiten im Prozess“ (S. 123) zur Sprache kommen.
Wölfl weist auch hier auf Möglichkeiten, die im Projekt für die unterschiedlichen Beteiligten vorhanden sind. Etwa, dass den Lehrkräften Möglichkeiten angereicht werden, die andere Perspektiven aufzeigen.
Zu Kapitel 3
Im Kapitel 3. stellt Wölfl den innovativen Charakter der Forschungsarbeit voran und grenzt die Studie von vermeintlich ähnlichen Studien im weiten Feld der Gewaltprävention an Schulen ab.
Die Durchführung des praktischen Teils gliedert der Autor in
- Planung der Pilotstudie (3.1)
- Entwicklung und Aufbau des Studiendesigns (3.2)
- Projektdurchführung (3.3)
- Erhebung und Auswertung der Daten (3.4)
- Ergebnisdarstellung (3.5)
- Auswertung der Ergebnisse (3.6)
- Interpretation und Diskussion (3.7)
- Zusammenfassender Überblick (3.8)
In der Planung wird u.a. auf den Kontext von Modifikationen durch Kostenrahmen hingewiesen. Wie in vielen musiktherapeutischen Studien musste das Projekt durch mangelnde Zuschüsse in seinem Umfang reduziert werden. Die Präsentation eines Wirtschaftsplans wäre in diesem Kapitel sicherlich als Orientierung für weitere Projektplanungen informativ. Dieser liegt aber nicht vor, da er wohl als unwesentlich für die kardinale Fragestellung betrachtet wurde.
Die Entwicklung und der Aufbau des Studiendesigns (3.2) wird mit einem dienlichen Advanced Organizer eingeleitet. Hypothesen zum konzeptionellen Selbstverständnis, zu angenommenen Wirkfaktoren oder bzgl. inhaltlicher Prioritäten, werden in sich stimmig vorgestellt. Der Bezug zur praktischen Durchführbarkeit ist ständig gegeben.
Die Datenermittlung zur Bewertung der Durchführung erfährt durch die finanziellen Möglichkeiten Grenzen.
Das Projekt wird aus plausiblen Gründen als zwei von einander getrennte Kompakteinheiten über ein Schulhalbjahr hin, in zwei verschiedenen Münchner Hauptschulen, ausgerichtet. Zwei Trainer und der (so die Planung) Klassenlehrer sind für die Durchführung verantwortlich.
Um wissenschaftlich fassbare Items zur Thematik „Gewalt“ festzuhalten, werden vier Messzeitpunkte geplant. Messzeitpunkt 1 wird vor dem Projektbeginn als quasi Bestandsaufnahme platziert. Es werden Messungen nach der ersten Projektwoche vorgenommen. Danach entsteht eine zeitliche Zwischenphase von mehreren Wochen, dann wird die zweite Projektwoche durchgeführt, mit anschließender Messung und nach einer weiteren Zwischenphase, wird mit einem weiteren zeitlichen Abstand eine vierte Messung, als Follow-up, durchgeführt.
Als Messgeräte werden zum einen (Kap. 3.2.2.3) ein Fragebogen zur Erfassung von Empathie, Prosozialität, Aggressionsbereitschaft und aggressivem Verhalten (FEPAA),
zum zweiten (Kap. 3.2.2.4) eine Lehrereinschätzliste (LSL) zum dritten (Kap. 3.2.2.5) ein Fragebogen zum Verhalten in der Klasse (FBV) und zum vierten (Kap. 3.2.2.6) ein Fragebogen zum projektiven Verfahren (PV) und (Kap. 3.2.2.7) die Auseinandersetzung mit Experteninterviews vorgestellt. Hiermit möchte Wölfl, durch die unterschiedlichen Verfahren, Wertungen erhalten, die die Perspektiven der am Projekt Beteiligten Personen abbilden.
Kap. 3.3.1 stellt den Projektverlauf in Klasse A und Klasse B vor. Logistische Notwendigkeiten (Transport der Instrumente), Verlauf der musikalisch-therapeutischen Durchführungen, bis hin zu sozialen Schwierigkeiten (Anerkennung der Autoritäten der Trainer in Klasse A, oder Probleme einer Klasse mit einer Mitschülerin) werden im Verlauf des Projektes beschrieben und geben dem Leser ein umfassend nachvollziehbares Bild.
Die Erhebung und Auswertung der Daten (Kap. 3.4) wurden von unabhängigen Projektmitarbeitern durchgeführt, die auch in diesem maßgeblichen Projektpunkt Wölfls hohem Anspruch der wissenschaftlichen Seriosität gewährleisten.
Im Kap. 3.5 werden u.a. soziodemographische Daten vorgestellt, die dem Leser einen weiteren wesentlichen Eindruck von den beiden Schulklassen geben. Auffällig ist hier, dass unterschiedliche Genderaufkommen. D.h. in Klasse A ist ein Anteil von gerundet 60% Jungen gegenüber 40% Mädchen und umgekehrt in Klasse B ein Anteil von 40% Jungen gegenüber 60% Mädchen zu verzeichnen. Ein Aspekt, der in folgenden Kapiteln intensiv diskutiert wird.
Die Hypothesen, dass die Durchführung des Programms Wirkursache sei, für eine Reduzierung von
- Gewalthandlungen
- Gewaltbereitschaft
werden mit den Fragebögen FEPAA überprüft. Auffällig ist hierbei, dass die Hypothesen in Klasse A zurückgewiesen werden müssen und in Klasse B als zutreffend bezeichnet werden können. Gleiches gilt für die Erwartungshaltung bzgl. des prosozialen Verhaltens.
Die Interpretation und Diskussion der Ergebnisse (Kap. 3.7) geht den Fragen nach, wie die unterschiedlichen Ergebnisse zu erklären seien und welche Konsequenzen daraus für weitere Forschungsvorhaben abzuleiten sind. Hier kommt u.a. der o.g. Genderaspekt zum Vorschein, allgemeine Klassenstrukturphänomene oder die Problematik der Leitungsautoritäten „Trainer“. Interessant ist hier, dass selbst die zunächst negativen Einschätzungen der Klasse A aus gewissem Abstand heraus (4. Messung) doch zu tendenziellen gewünschten Veränderungen führte.
In den Schlussfolgerungen wird von Wölfl auf mögliche Übernahmen des Designs bei einer Nähe in den Voraussetzungen zu Klasse B verwiesen und auf Modifikationen im Falle von Analogien zur Klasse B.
Zu Kapitel 4
In der abschließenden Zusammenfassung (Kap. 4) hebt Wölfl nochmals die Bedeutung und das qualitative Potenzial der musiktherapeutischen Methodik, insbesondere die der musiktherapeutischen Improvisation hervor. „Der spielerisch-experimentelle Zugang, die Befreiung von überhöhten perfektionistischen Ansprüchen, die häufig mit dem Medium Musik verbunden sind, und die Akzeptanz und Freude am eigenen Können mobilisiert wichtige indirekte Wirkfaktoren für die Entwicklung eines realitätsbezogenen Selbstbewusstseins, das die Freude am eigenen Spiel im Rahmen der eigenen begrenzten Möglichkeiten anerkennt und in de Resonanz der Gruppe bestätigt bekommt“ (S. 329ff).
Dass aus diesem Potenzial bzw. auch aus diesem Projektmodell „Gewaltprävention mit Musik“ hochsignifikante Wirkungen herauszuarbeiten sind stellt Wölfl heraus und empfiehlt weitere Forschungsarbeiten im betreffenden Feld.
Diskussion
Es ist hervorzuheben, dass Dr. Wölfl eine außerordentlich kompetente und akribisch ausgearbeitete Forschungsarbeit vorgelegt hat, die für alle beruflichen Zweige im Feld als empfehlenswerte Literatur zu bezeichnen ist. Nahezu alle benannten Kapitel sind mit einem stabilen Fundament und entsprechenden wissenschaftlichen Quellen belegt.
Um den Stand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung (Stand 2014) im Bereich zu ergründen, empfiehlt sich vorliegendes Buch im hohen Maße.
Dr. Wölfl ist anzumerken, dass er über große Erfahrung und Fachlichkeit im betretenen Gelände verfügt. Die erhaltenen Ergebnisse werden dennoch nüchtern betrachtet und würdig diskutiert.
Obwohl es für das Kernthema von marginaler Bedeutung ist, wären eine differenzierte Beschreibung des Instrumentariums (wie viele Djembén und wie viele Congas, mit welchem Abmessungen und in welchem qualitativen Zustand), ein Abkürzungsverzeichnis sowie ein Wirtschaftsplan (mit welchen Kosten wurde dieses Projekt getragen) für weitere Projektplaner dienlich.
Die differenzierten Auseinandersetzungen mit den Kernthemen „Gewalt“, „Musik an Schulen“, „Projektplanung/durchführung“ und anschließende Diskussion werden dem Leser in herausragender und höchst authentischer Weise, verständlich und engagiert vermittelt.
Mit vorliegendem Buch wird ein – längst fälliges – Tor geöffnet und dem Leser werden vom Autor gute inhaltliche sowie motivationale Eindrücke angereicht um selbst engagiert im Forschungsfeld tätig zu werden.
Fazit
Mit vorliegendem Buch wird im Feld der Gewaltprävention eine Vorlage eingereicht, die allen
- Fachinteressierten (Schüler, Eltern, Pflegschaftsmitgliedern),
- Fachleuten (Erziehern, Sozialpädagogen/-arbeitern, Erziehungswissenschaftlern, Psychologen, Soziologen, Musiktherapeuten und anderen künstlerisch-ästhetisch tätigen Therapeuten sowie selbstverständlich Lehrern, Schulräten, Politikern) und
- -orschern
bei ihrer Projektplanung im hohen Maße dienlich sein kann.
Rezension von
Dr. Frank Henn
Erziehungswissenschaftler, Sozialpädagoge, Musikpädagoge, Musiktherapeut DMtG zertifiziert), Heilpraktiker – Psychotherapie
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