Gerhard Igl, Felix Welti (Hrsg.): Gesundheitsrecht. Eine systematische Einführung
Rezensiert von Prof. Dr. Peter Kostorz, 05.12.2014

Gerhard Igl, Felix Welti (Hrsg.): Gesundheitsrecht. Eine systematische Einführung. Verlag Franz Vahlen GmbH (München) 2014. 2., neu bearbeitete Auflage. 486 Seiten. ISBN 978-3-8006-4817-7. 34,90 EUR. CH: 43,50 sFr.
Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-8006-5422-2 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.
Thema
Bis zum Erscheinen der Erstauflage des von Gerhard Igl und Felix Welti herausgegebenen Bandes zum Gesundheitsrecht im Jahre 2012 hatte es kein Lehrbuch zu diesem vergleichsweise neuen Rechtsgebiet gegeben. Daran hat sich bis heute nichts geändert; auch mit der zweiten Auflage ihres Lehrbuches genießen die Herausgeber, beide Hochschullehrer für Sozialrecht an der Chrsitian-Albrechts-Universität zu Kiel bzw. der Universität Kassel, diese Monopolstellung. Selbst wenn es in nächster Zeit Neuerscheinungen auf diesem Gebiet geben sollte – das Prädikat des Standardwerkes werden sie dem Buch wohl kaum streitig machen können: Mit der aktualisierten und um knapp 50 Seiten gewachsenen Neuauflage haben Gerhard Igl und Felix Welti den Anspruch bekräftigt (und notabene auch erfüllt!), „den Weg für eine wissenschaftliche Lehre auf diesem Rechtsgebiet zu weisen“ (S. VII) und die Konturen eines Gesundheitsrechts zu schärfen, das sich als eigenständige Rechtsmaterie erst noch etablieren muss.
Aufbau und Inhalt
Im Gesundheitsrecht existiert (noch) kein einheitlicher Kanon an Rechtsfragen, die in einem Lehrbuch behandelt werden müssten – damit unterscheidet sich das Rechtsgebiet etwa vom Sozial- oder Medizinrecht, also von Rechtsgebieten, für die es beispielsweise auch bereits seit Jahren eigenständige Fachanwaltskurse und -bezeichnungen gibt. Das Gesundheitsrecht ist ein noch zu konturierendes Querschnittsrecht, das sich durch „das Zusammenspiel der verschiedenen juristischen Disziplinen und das Zusammenwirken unterschiedlicher Rechtsquellen“ (ebd.) auszeichnet. Herausgeber und Autoren beherrschen dieses Zusammenspiel insofern nahezu perfekt, als sie alle wesentlichen Aspekte des Gesundheitsrechts abbilden und aufeinander bezogen darstellen: vom Begriff und den Grundlagen des Gesundheitsrechts über den europarechtlichen Rahmen und das System des öffentlichen Gesundheitswesens, die personellen und institutionellen leistungserbringenden Akteure sowie den Patientenschutz bis hin zu zivil- und strafrechtlichen Haftungsfragen und den ethischen Implikationen des Gesundheitswesens.
Gegliedert ist dieses Themenspektrum in insgesamt zwölf Kapitel (ein ausführliches Inhaltsverzeichnis kann auf der Homepage des Verlages unter www.vahlen.de/productview.aspx?product=13547225 eingesehen werden):
- Begriff und System des Gesundheitsrechts (Gerhard Igl)
- Europarechtlicher Rahmen (Gerhard Igl)
- Öffentliche Verantwortung für das Gesundheitswesen (Felix Welti und Gerhard Igl)
- Personelle leistungserbringende Akteure im Gesundheitswesen: Ärzte, Pflegeberufe und andere Heilberufe (Gerhard Igl)
- Institutionelle leistungserbringende Akteure im Gesundheitswesen (Krankenhäuser, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen) und andere institutionelle Akteure (Gerhard Igl und Felix Welti)
- Waren (Arzneimittel – Hilfsmittel – Medizinprodukte) (Gerhard Igl)
- Private Krankenversicherung (Frank L. Schäfer)
- Schutz von Verbrauchern, Nutzern und Patienten im Gesundheitsrecht (Gerhard Igl)
- Außergerichtliche Konfliktlösung (Gerhard Igl)
- Arzthaftungsrecht (Mathias Nebendahl)
- Gesundheitsstrafrecht (Andreas Hoyer)
- Ethik (Edzard Schmidt-Jortzig)
Unklar bleibt bei dieser Aufteilung einzig und allein, weshalb zwar der privaten Krankenversicherung ein eigenständiges Kapitel gewidmet wird, die gesetzliche Kranken- und soziale Pflegeversicherung, deren Träger die maßgeblichen Kosten- bzw. Leistungsträger im Gesundheitswesen darstellen, hingegen nahezu gänzlich außer Acht gelassen werden. Hier wäre eine Erweiterung des Bandes möglich und sinnvoll, etwa um die aktualisierten entsprechenden Kapitel des von den Herausgebern verfassten Buches „Sozialrecht“, das letztmalig im Jahre 2007 in 8. Auflage im Werner Verlag erschienen ist.
Diskussion
In ihrem Vorwort führen die Herausgeber fast schon entschuldigend aus, „dass die gesamte Stofffülle [des Gesundheitsrechts, d.V.] nicht dargeboten und aufgearbeitet werden“ könne (ebd.). Hier stapeln Igl und Welti deutlich zu tief: Natürlich können in einem Lehrbuch nicht alle Detailfragen eines Rechtsgebietes umfassend und erschöpfend beantwortet werden – das erwarten die Leserinnen und Leser eines einführenden Lehrbuches auch nicht, schließlich gibt es dafür Handbücher, Fachbeiträge, Kommentare und Urteilsanmerkungen. Was ein gutes Studienbuch vielmehr auszeichnet, ist eine kompakte und gleichzeitig fundierte wie erfassbare Darstellung der behandelten Materie in einem zu bewältigenden Umfang – und hier brillieren die Autoren: Das Buch ist auch für juristisch (noch) nicht so versierte Leserinnen und Leser verständlich geschrieben und es schafft gleichsam mühelos den Spagat zwischen thematischer Breite und inhaltlicher Tiefe des behandelten Stoffes: Von der oben genannte Ausnahme abgesehen wird das Gesundheitsrecht vollumfänglich dargestellt, ohne sich in zu tief gehenden und damit unnötigen juristischen Detailfragen zu verlieren, wobei die Ausführungen immer präzise sind und an keiner Stelle verkürzt wirken. Um sich vertieft mit einem Thema zu befassen, erhalten die Leserinnen und Leser zahlreiche Hinweise zu weiterführender Literatur und das sowohl zu Beginn jedes neuen Kapitels als auch im umfangreichen Anmerkungsapparat.
Da es sich bei dem Band um ein Lehrbuch handelt, seien an dieser Stelle noch einige Anmerkungen zum didaktischen Aufbau erlaubt. Diesbezüglich ist zunächst der bereits als positiv beschriebene, adressatengerechte Duktus des Buches hervorzuheben. Weitere didaktische Elemente sind – und hier ist ein wenig Wasser in den ansonsten exzellenten Wein zu gießen – einigen Verbesserungen zugänglich: Zwar werden in die Ausführungen ab und zu Beispiele und Praxisfälle eingeflochten, diese könnten in ihrer Anzahl jedoch ebenso deutlich erhöht werden, wie die kaum vorhandenen Abbildungen und Schaubilder. Auch wenn die Rechtswissenschaft eine reine Textwissenschaft ist, hätten in diesem Punkt stärker zeitgemäße Erkenntnisse der Rechtsdidaktik berücksichtigt werden können, die eine eher induktive und visualisierende Vorgehensweisen bei der Vermittlung rechtlicher Inhalte in den Vordergrund stellen.
Zielgruppe
Die Publikation ist vor allem an Jura-Studierende adressiert, die den Schwerpunktbereich Gesundheitsrecht gewählt haben; darüber hinaus soll es geeignet sein für „Studierende, die sich in Masterstudiengängen der Gesundheitswissenschaften und des Gesundheitsmanagements sowie in der beruflichen Fortbildung vertieft mit rechtlichen Fragen befassen“ (ebd.). Die Herausgeber dürften die avisierte Zielgruppe damit eins zu eins erreichen und bedienen – wobei der Rezensent das Werk auch in seinen Veranstaltungen zum Gesundheitsrecht in verschieden ausgerichteten Bachelor-Studiengängen empfiehlt und es dort auch erfahrungsgemäß gut angenommen wird. Zu ergänzen sind ferner die bereits im Gesundheitswesen tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich schon in leitender bzw. entscheidungsbefugter Position befinden – auch ihnen kann das Buch als Nachschlagewerk dienen und das unabhängig davon, ob sie juristisch vorgebildet sind oder nicht.
Fazit
Das von Gerhard Igl und Felix Welti herausgegebene und von ihnen in weiten Teilen auch verfasste Lehrbuch zum Gesundheitsrecht bietet eine kompakte Einführung in ein sich gerade etablierendes Querschnittsrechtsgebiet, dessen Konturen von den Herausgebern und Autoren deutlich geschärft werden. Sie stellen das behandelte Rechtsgebiet in seiner Breite fast vollständig dar, ohne dabei die notwendige Tiefenschärfe vermissen zu lassen. Für Studierende an Universitäten und Fachhochschulen, die sich mit rechtlichen Fragen des Gesundheitswesens befassen (müssen), ist es ein unumgängliches Lehrbuch, für Praktikerinnen und Praktiker im Gesundheitswesen ein kaum zu ignorierendes Nachschlagewerk. Das „Gesundheitsrecht“ von Igl und Welti ist damit nicht nur aufgrund seiner Exklusivität ein Standardwerk, sondern auch wegen seiner Qualität – weitere Publikationen zu diesem Thema werden es schwer haben!
Rezension von
Prof. Dr. Peter Kostorz
Fachhochschule Münster, Fachbereich Gesundheit. Lehr- und Forschungsgebiet: Rechtswissenschaften mit den Schwerpunkten Gesundheitsrecht und Bildungsrecht
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Zitiervorschlag
Peter Kostorz. Rezension vom 05.12.2014 zu:
Gerhard Igl, Felix Welti (Hrsg.): Gesundheitsrecht. Eine systematische Einführung. Verlag Franz Vahlen GmbH
(München) 2014. 2., neu bearbeitete Auflage.
ISBN 978-3-8006-4817-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/17589.php, Datum des Zugriffs 31.03.2023.
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