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Nicole D. Schmidt, Petra Knust: Mittenmang dabei! Bürgerschaftliches Engagement als Chance

Rezensiert von Prof. Dr. Sandra Meusel, 13.01.2015

Cover Nicole D. Schmidt, Petra Knust: Mittenmang dabei! Bürgerschaftliches Engagement als Chance ISBN 978-3-941143-16-6

Nicole D. Schmidt, Petra Knust: Mittenmang dabei! Bürgerschaftliches Engagement als Chance. Stiftung MITARBEIT (Bonn) 2013. 176 Seiten. ISBN 978-3-941143-16-6. D: 10,00 EUR, A: 10,30 EUR, CH: 14,90 sFr.
Arbeitshilfen für Selbsthilfe- und Bürgerinitiativen ; Nr. 45.

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Thema

Im Fokus der Publikation „mittenmang dabei! Bürgerschaftliches Engagement als Chance“ steht das Engagement von Menschen, die aufgrund von Behinderung von Ausgrenzung bedroht oder betroffen sind. Als „Inkludierendes Engagement“ werden die Grundsätze und Erfahrungen des Freiwilligenzentrums „mittenmang“ vom Verein „mittenmang Schleswig-Holstein“ e.V. dargestellt. Das Buch ist auf der Grundlage von Dokumentationen, Analysen und Auswertungen der Arbeit entstanden. Es ist als Arbeitshilfe für Projekte konzipiert, welche ebenfalls nach der Grundidee des Inkludierenden Engagements arbeiten möchten.

Autorinnen

Nicole D. Schmidt, Dr. Phil., Dipl. Sozialpädagogin und Philosophin, ist die Geschäftsführerin von „mittenmang Schleswig-Holstein“ e.V. Darüber hinaus war sie als Dozentin, Autorin und in den Bereichen Qualitätsmanagement und Suchtprävention tätig. Aktuell (2014) ist sie beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg als Referentin für Behindertenhilfe und Rehabilitation angestellt.

Petra Knust ist Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen. Sie studierte Literaturwissenschaft und war als Pharmazeutin und Autorin tätig. Zusätzlich ist sie als Freiwilligenkoordinatorin und im Bereich Sozialpsychiatrie qualifiziert.

Entstehungshintergrund

Das Werk dokumentiert die theoretischen Grundlagen, die praktischen Erfahrungen sowie die gesellschaftliche Bedeutung der Arbeit von „mittenmang“. In den Jahren 2005 – 2008 arbeitete der kleine Verein „mittenmang Schleswig Holstein“ e.V. im Rahmen des Bundesmodellprojektes „Generationenübergreifende Freiwilligendienste.“ Mit zwei Teilzeitmitarbeiterinnen wurde ein Freiwilligenzentrum für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung aufgebaut. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Arbeit nach dem Prinzip des Inkludierenden Engagements überaus positive Auswirkungen sowohl für die Freiwilligen als auch für die Menschen, die von deren Tätigkeit profitieren, hatte. Nach Beendigung des Modellprojektes bemühte sich der Verein intensiv um weitere Möglichkeiten der pauschalen Projektförderung. Doch die Verhandlungen führten letztlich nicht zum Erfolg. Alternativ wurde die Möglichkeit der Finanzierung über die gesetzliche Eingliederungshilfe (SGB IX) ausgelotet. Die daraus resultierenden Spielräume sind allerdings nur für die Begleitung von Freiwilligen, die Leistungen der Eingliederungshilfe beziehen, interessant. Das bedeutet, dass die grundlegende Zielstellung der Inklusion nur in viel geringerem Maß umgesetzt werden kann als mittels Pauschalfinanzierung. Trotz dieser Schwierigkeiten, das Projekt und seine Finanzierung nachhaltig zu sichern, sollen mit dem Buch die Inhalte und Ergebnisse der Arbeit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden.

Aufbau

Das Buch besteht aus acht Teilen. Zunächst werden einleitend die Grundlagen der Arbeit im Projekt „mittenmang“ vorgestellt. Dazu gehören sowohl die ganz praktischen Voraussetzungen der Arbeit vor Ort als auch die ideellen Grundlagen im Sinne von Begriffsdefinitionen. Daran schließt sich eine Positionierung des Phänomens „Bürgerschaftliches Engagement“ in unserer Gesellschaft an. Dabei gehen die Autorinnen auch auf die Zusammenhänge von Engagement und sozialer Exklusion ein.

Der dritte Teil der Monografie führt dem Leser die Personen, die sich im Projekt „mittenmang“ engagieren, vor Augen. Kapitel IV beschäftigt sich damit, welche Anforderungen an die Fachkräfte gestellt werden, welche die freiwillig Engagierten begleiten. Dazu gehören entsprechende fachliche Haltungen ebenso wie Kompetenzen für die inhaltliche Arbeit. Darauf aufbauend wird im nächsten Teil (Kapitel V) ein wesentlicher Bereich der Engagementbegleitung vertiefend erläutert: das regelmäßig für die Gruppe der Engagierten durchgeführte Bildungsangebot.

An diese eher praktischen Ausführungen zum Projekt „mittenmang“ schließen sich drei Kapitel an, in denen übergreifend die Bezüge des Projektes zum Thema Bürgerschaftliches Engagement und Inklusion hergeleitet werden. Es wird besonderes Augenmerk auf die politischen Anteile des Engagements im Projekt „mittenmang“ gelegt. Daraus resultierend wird die Forderung nach einer soliden Finanzierungsbasis aufgestellt. Die Fördermöglichkeit über Eingliederungshilfe nach § 55 und § 58 SGB IX wird detailliert erläutert.

Inhalte

Ausgangspunkt bildet die Feststellung, dass beim Thema „Bürgerschaftliches Engagement“ ausgegrenzte und diskriminierte Menschen als Akteure selten eine Rolle spielen. Demgegenüber gehört es grundsätzlich zur Idee der Bürgergesellschaft dazu, dass jeder Mensch das Recht auf Beteiligung hat.

Engagement wird in Anlehnung an die Definition der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags (2002) verstanden. Die für Engagierte im Projekt „mittenmang“ charakteristische Art des Engagements wird in Form von Patenschaften praktiziert. Die Engagierten kümmern sich jeweils um eine Person, die bei „mittenmang“ Unterstützung anfragt. Weiterhin werden Engagierte für Tätigkeiten in institutionellen Rahmungen vermittelt, z.B. für die Durchführung eines Projektes in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Die Engagierten sind Menschen mit oder ohne Behinderung. Dazu gehören insbesondere Menschen, die von Behinderung oder psychischer Krankheit, von Langzeitarbeitslosigkeit, sozialer Isolierung bzw. Mehrfachbelastung betroffen sind. Es sind also Menschen, welche in Bezug auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt sind. Ziel der Arbeit von „mittenmang“ ist es, ihnen (wieder) einen Platz in der Gesellschaft zu gewähren.

Einen großen Teil der Publikation nehmen Beispiele von Engagierten ein, die mit ihren individuellen Motiven, Geschichten und persönlichen Erlebnissen vorgestellt werden. Die positiven Auswirkungen für die Engagierten werden unter Stichworten wie Stärkung des Selbstbewusstseins, Sinnerfahrung, Lernen und soziale Kontakte näher erläutert. Daraus wird vielfach deutlich, dass das Engagement ihnen Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglicht. Es trägt wesentlich dazu bei, dass sie sich als Teil der Gesellschaft anerkannt sehen.

Die Hauptaufgabe der „mittenmang“- Fachkräfte besteht darin, beeinträchtigte Menschen als freiwillig Engagierte mit entsprechenden Einsatzstellen bzw. mit Personen, die Unterstützung benötigen, zusammen zu bringen. Dazu ist es zunächst wichtig, Bedürfnisse und Handlungsmöglichkeiten zu prüfen und das Engagement intensiv vorzubereiten. Anschließend kommt es darauf an, die Rahmenbedingungen zu sichern und die Engagierten in ihrer Tätigkeit zu begleiten. Dazu gehören insbesondere die Bildungsveranstaltungen, welche von „mittenmang“ regelmäßig durchgeführt werden. Inhaltlich sind diese auf die Besonderheiten der Engagierten und ihre spezifische Lebenssituation ebenso abgestimmt wie auf die Einsatzgebiete, in denen sie tätig werden. So werden beispielsweise ganz praktische Fähigkeiten vermittelt wie der Umgang mit Rollstuhlfahrern. Aber auch abstraktere Themen wie die Inhalte des Einbürgerungstests oder politische Beteiligungsmöglichkeiten in demokratischen Gesellschaften werden behandelt. Insgesamt zielen die Bildungsangebote darauf ab, das Engagement praktisch zu unterstützen, Selbstreflektionsprozesse in Gang zu setzen und die politische Partizipation der Engagierten zu entwickeln.

An den überwiegend praktischen Teil des Buches schließen übergreifende Reflexionen der Autorinnen an. Diese befassen sich schwerpunktmäßig mit dem Recht beeinträchtigter und behinderter Menschen, mittels freiwilligen Engagements an gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen zu partizipieren. Es wird nachgewiesen, dass dieser Bevölkerungsgruppe trotz umfassend geregelter Teilhaberechte die Mitgestaltung der Gesellschaft noch immer in weiten Teilen verwehrt bleibt. Das Verständnis von Beteiligung geht dabei weit über das Dabeisein bei Kultur- und Freizeitveranstaltungen hinaus. Es schließt explizit politische Mitbestimmung und die Teilhabe an gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen ein. Darin wird eine wesentliche Chance des bürgerschaftlichen Engagements behinderter Menschen gesehen: Im gemeinschaftlichen Handeln, also auch zusammen mit nicht behinderten Menschen, aktiv in Bereichen tätig zu werden, in denen sozialer und politischer Handlungsbedarf besteht.

Diskussion

Die Lektüre des Buches verdeutlicht einmal mehr, dass behinderte und beeinträchtigte Menschen trotz ihrer Handicaps über weitreichende Handlungsfähigkeiten und damit über beträchtliches Potenzial, sich im Rahmen eines freiwilligen Engagements einzubringen, verfügen. Die zahlreichen Praxisbeispiele würdigen die beteiligten Akteure und signalisieren den gesellschaftlichen Mehrwert ihres Einsatzes. Bürgerschaftliches Engagement erweist sich durch das Modellprojekt „mittenmang“ ganz klar als Möglichkeit, Menschen mit Behinderung und Beeinträchtigung Selbstwirksamkeitserfahrungen zu eröffnen.

Darüber hinaus überzeugen die Argumente der Autorinnen, dass das Engagement dieser Bevölkerungsgruppe nur zustande kommt und nachhaltig wirksam werden kann, wenn die Gesellschaft dazu entsprechend Ressourcen bereitstellt. In allererster Linie werden diese in Form von Personalkräften gefordert. Das Projekt „mittenmang“ verdankt seine Erfolgsgeschichte nicht unwesentlich der wertschätzenden Haltung und des aktiven Engagementmanagements der beiden Koordinatorinnen. Aus den Erfahrungen des Modellprojektes resultierend kann tatsächlich jeder Kommune empfohlen werden, derartige Freiwilligenzentren zu installieren.

„Mittenmang“ ist ein ermutigendes Beispiel für gelebte Inklusion und individuelle Engagementbegleitung. Petra Knust und Nicole D. Schmidt unterstreichen die Notwendigkeit, die besonderen Bedürfnisse und Fähigkeiten beeinträchtigter und behinderter Menschen bei der Engagementförderung einzubeziehen.

Fazit

Das Buch ist empfehlenswert; es ist lesenswert für alle, die mit freiwillig Engagierten arbeiten, unabhängig davon, ob diese Menschen mit Behinderung und Beeinträchtigung sind oder nicht. Anhand zahlreicher Praxisbeispiele werden grundsätzliche Haltungen und Arbeitsweisen inkludierenden Engagements ebenso vermittelt wie theoretische Bezüge und gesellschaftliche Zusammenhänge.

Literatur

  • Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ Deutscher Bundestag (2002): Bericht Bürgerschaftliches Engagement: auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft. Opladen.

Rezension von
Prof. Dr. Sandra Meusel
Professorin für Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendhilfe an der Hochschule Nordhausen
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Es gibt 4 Rezensionen von Sandra Meusel.

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ISSN 2190-9245