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Dörte Weltzien: Neue Konzeptionen für das Wohnen im Alter

Rezensiert von Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind, 07.06.2005

Cover Dörte Weltzien: Neue Konzeptionen für das Wohnen im Alter ISBN 978-3-8244-4559-2

Dörte Weltzien: Neue Konzeptionen für das Wohnen im Alter. Handlungsspielräume und Wirkungsgefüge. Deutscher Universitätsverlag (Wiesbaden) 2004. 239 Seiten. ISBN 978-3-8244-4559-2. 34,90 EUR. CH: 60,40 sFr.
Reihe: Sozialwissenschaftliche Gerontologie. Mit einem Geleitwort von Gertrud M. Backes.

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Zur Thematik des Buches

Wohnen im Alter wird in modernen Gesellschaften Westeuropas u. a. durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Die gestiegene Lebenserwartung führt zu einer längeren Phase des Wohnens, wobei bei Frauen in den höheren Altersgruppen das Risiko des Alleinlebens aufgrund der Verwitwung hinzukommt. Zugleich vermindert sich die Kontaktdichte zu den Kindern und ihren Familien, da diese oft berufsbedingt in fernere Regionen verzogen sind. Hinzu kommt, dass sich im Nahbereich die sozialen Netzwerke durch Tod der Bekannten, Freunde und Nachbarn ausdünnen, so dass das Gefühl der Isolierung selbst in dem eigenen alt vertrauten Wohnquartier auftreten kann. Wenn dann auch noch altersbedingte Gebrechen oder körperliche Einschränkungen auftreten, die einen Bedarf an Hilfestellung und Unterstützung z. B. bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten erforderlich machen, dann kann das Wohnen zu einer ständigen Überforderung werden. Unsicherheit und Furcht paaren sich dann mit Einsamkeit und Deprivationserleben, oft ein Grund zur wohnlichen Veränderung. In den 90er Jahren wurde für diese Personengruppe der noch relativ rüstigen Senioren das Wohnkonzept "Betreutes Wohnen" oder "Wohnen mit Service" entwickelt, Modelle, die als Nachfolgeeinrichtungen der Altenheime und Altenwohnheime fungieren sollten.

Die vorliegende Untersuchung, die als Dissertation 2003 an der Universität Kassel angenommen wurde, befasst sich mit den Erwartungen, Anforderungen und Bedürfnissen, die mit dem Leben in einer seniorenspezifischen Wohnanlage verbunden sind.

Inhalt

Die Arbeit ist in neun Kapiteln untergliedert.

  • Neben einer kurzen Einführung werden in Kapitel 2 (Neue Wohnkonzeptionen im Alter: Entwicklungstendenzen, Bestimmungsfaktoren und Qualitätssicherung) Ausführungen über das Entstehen neuer Wohnkonzepte wie Betreutes Wohnen auf dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, der Zunahme an Einpersonenhaushalten bei betagten Frauen und der Problembereiche fehlender Standardisierung und Versorgungssicherheit im Bereich Seniorenwohnen gemacht. 
  • In Kapitel 3 (Bedeutung und Vielschichtigkeit neuer Wohnkonzeptionen im Alter: Gerontologische Erklärungsansätze und Konzepte) werden die verschiedenen theoretischen Modelle der Gerontologie unter dem Aspekt Wohnen erläutert, wobei sowohl auf die klassischen Konzepte wie Aktivitätskonzept, Disengagementtheorie und Kontinuitätsansatz als auch auf neuere Ansätze wie Wohnen als Dimension der Lebenslage und Wohnen im Kontext der Ökologischen Gerontologie eingegangen wird.
  • Kapitel 4 (Rahmenkonzept zur Analyse neuer Wohnkonzeptionen) besteht aus einer Analyse und Klassifizierung der bestehenden Formen des Seniorenwohnens für die vorliegende Studie: "Residenz" (integrierter Wohn- und Dienstleistungsvertrag). "Wohnen plus" (separate Wohn- und Dienstleistungsverträge) und "Initiative" (Eigeninitiativen von Senioren ohne Dienstleistungsvertrag).
  • In Kapitel 5 (Methodisches Vorgehen) beschreibt die Autorin das methodische Vorgehen ihrer qualitativen Studie: 25 Bewohner in der Altergruppe Anfang 60 Jahre bis Mitte 90 Jahre, überwiegend Frauen, wurden mittels eines Leitfadens eingehend interviewt, wobei besonderes Augenmerk u. a.  auf den Wohnalltag, die sozialen Kontakte, die Formen der Unterstützungsmöglichkeiten und Bewältigungsstrategien gelegt wurde.
  • Kapitel 7 (Handlungsspielräume und Wirkungsgefüge: Eine fallvergleichende Analyse) enthält die Ergebnisse der Befragungen unterteilt in die Kategorien Wohnsituation, Lebenskreis, Lebensgestaltung und Bewältigungsstrategien, die wiederum u. a. in einzelne Beurteilungskriterien untergliedert sind. So wird z. B. die Kategorie "Lebensgestaltung" in die Beurteilungskriterien "Qualität flankierender Dienstleistungen", "Gegenseitige Unterstützung" und "Qualität der Betreuung" aufgegliedert. Zu den einzelnen Aspekten wird immer eine Reihe von so genannten "typische Aussagen"  (längere Zitate der Befragten aus den Interviews) angeführt, die zu einer sehr plastischen und realitätsnahen Darstellung der Sachverhalte beitragen.
  • Kapitel 8 (Schlussfolgerungen und Ausblick) und Kapitel 9 (Zusammenfassung) bilden den Abschluss der Untersuchung.

Kritische Würdigung                                                                                                                                                                    

Es gilt zu bemängeln, dass der Stand der Forschung über das Seniorenwohnen nicht ausreichend aufgearbeitet wurde. Es liegt eine Reihe an empirischen Erhebungen vor, die sich für diese Studie als Referenzrahmen geeignet hätten. Das fehlende Fachwissen führte dann wohl auch zu der Einschätzung der Autorin, dass Unterschiede im Sozialstatus keine Rolle spielen (Seite 151) und dass ein "Wohnmix aus frei finanzierten und öffentlich geförderten Miet- und Eigentumswohnungen" zu empfehlen wäre (Seite 218). Diese Aussage auf  der Grundlage der recht kleinen Stichprobe ist nach Ansicht des Rezensenten mehr als gewagt, liegen doch Studien vor, die das Gegenteil belegen.

Sieht man von diesen Schwächen der Studie einmal ab, so kann konstatiert werden, dass eine bezogen auf die Bewohner mit ihren Erwartungen und Wünschen äußerst sensible und einfühlsame Erhebung durchgeführt wurde. Das ganze Spektrum an Faktoren und Einflussgrößen des Seniorenwohnens wird ausführlich, allgemeinverständlich und zudem noch eindringlich durch die Zitate der Bewohner erfasst und dargestellt.

Fazit

Die vorliegende Studie verdient es,  von Sozialplanern, Trägerverbänden und  Betreibern im Bereich des Seniorenwohnens angemessen rezipiert zu werden. Sie enthält u. a. auch viele Hinweise, die für die Raumgestaltung und Architektur (z. B. Küchen und Gemeinschaftsflächen) von großer Bedeutung sind.

Rezension von
Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind
Gerontologische Beratung Haan
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Es gibt 227 Rezensionen von Sven Lind.

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Zitiervorschlag
Sven Lind. Rezension vom 07.06.2005 zu: Dörte Weltzien: Neue Konzeptionen für das Wohnen im Alter. Handlungsspielräume und Wirkungsgefüge. Deutscher Universitätsverlag (Wiesbaden) 2004. ISBN 978-3-8244-4559-2. Reihe: Sozialwissenschaftliche Gerontologie. Mit einem Geleitwort von Gertrud M. Backes. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/1772.php, Datum des Zugriffs 02.11.2024.


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