Astrid Elsbernd, Sonja Lehmeyer et al.: So leben ältere und pflegebedürftige Menschen in Deutschland
Rezensiert von Dr. Stephanie Pfeuffer, 30.12.2014

Astrid Elsbernd, Sonja Lehmeyer, Ulrike Schilling: So leben ältere und pflegebedürftige Menschen in Deutschland. Lebenslagen und Technikentwicklung. Verlag Hans Jacobs (Lage) 2014. 326 Seiten. ISBN 978-3-89918-224-8. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR, CH: 35,50 sFr.
Thema
Das Buch setzt sich mit der Situation älterer und pflegebedürftiger Menschen in Deutschland auseinander. Nach Angaben der drei Autorinnen sollen darüber hinaus die Anwendungsmöglichkeiten technischer Hilfesysteme analysiert werden.
Autorinnen
Drei Autorinnen zeichnen sich für den Inhalt verantwortlich: Frau Astrid Elsbernd und Frau Ulrike Schilling sind beide Professorinnen im Fachbereich Pflegewissenschaft der Hochschule Esslingen; Frau Sonja Lehmyer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin ebendort.
Entstehungshintergrund
Das Buch entstand im Rahmen des Forschungsprojektes „Bedarfsgerechte technikgestützte Pflege in Baden-Württemberg – Technologien und Dienstleistungen für selbstbestimmtes Leben im Alter“, das vom Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren in Baden-Württemberg von 2011 – 2014 finanziert wurde.
Aufbau
Das Buch gliedert sich im ca. 320 Seiten umfassenden Hauptteil in sechs Kapitel, die jeweils mit einem selbstständigen Literaturverzeichnis abschließen. Es folgt ein Abkürzungs-, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis.
Inhalt
Im ersten Kapitel führt das Autorinnenteam in die Zielsetzung und Fragestellung, Struktur und inhaltlichen Aufbau sowie die Datenbasis ein. Elf aktuelle Datenquellen und zwei Literaturangaben zeigen hier transparent die Arbeitsgrundlage dieses Kapitels auf.
Im zweiten Kapitel werden die charakterisierenden Merkmale von drei Gruppen herausgestellt: Die Gruppe der älteren Menschen allgemein, ergänzt durch die Gruppe pflegebedürftiger älterer Menschen und die Gruppe von Menschen nach Schlaganfall im Speziellen. Die Symptome und Folgeerscheinungen des Schlaganfalls werden detailliert über 16 Seiten beschreiben.
Im dritten Kapitel wird das sog. Lebenslagenmodell vorgestellt, mit dessen Hilfe die Lebenslage der genannten drei Personengruppen dargestellt und analysiert werden soll. Die eigene graphische Darstellung des Lebenslagenmodells am Ende des Kapitels fasst diese Literaturarbeit kurz und bündig zusammen.
Im vierten Kapitel werden die fünf Einflussfaktoren nochmals detailliert erläutert, die entscheidend für die Lebenslage der Betroffenen sind. Diese sind das Werte- und Normensystem, das gesellschaftliche System, das politische System, das gesundheitspolitische System und die technischen Determinanten.
Thema des großen fünften Kapitels sind folgende fünf Dimensionen, die die Lebenswelt der drei formulierten drei Zielgruppen maßgeblich prägen: Materielle Lage, gesundheitliche Lage, Familie und soziale Netzwerke, Wohnen und Infrastruktur sowie Bildung, Kultur und Freizeit. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis belegt die gewissenhafte Auswertung der vorhandenen Primär- und Sekundärliteratur.
Im abschließenden sechsten Kapitel wird unter der Überschrift „Diskussion und Empfehlungen“ ein Fragebogen vorgestellt, der die „Lebenslagenbasierte Potentialentwicklung zur Technikentwicklung“ beinhaltet. Damit verknüpft ist die grundsätzliche Forderung nach einer Technik, die nutzerorientiert in den Lebensalltag implemtiert werden muss. Weitere Aspekte des Kapitels sind die Integration technischer Hilfen in Dienstleistungsstrukturen, dezidiert im pflegefachlichen Versorgungstext, sowie die erforderlichen Bildungs- und Kooperationsansätze.
Diskussion
In diesem Buch haben die drei Autorinnen Elsbernd, Lehmeyer und Schilling zunächst in großer Fleißarbeit aus der Fülle des vorliegenden Datenmaterials wichtige Aspekte zur Lebenswelt älterer und pflegebedürftiger Menschen zusammengestellt. Die 47 Tabellen und 13 Abbildungen komprimieren die Datenflut der umfangreichen Primär- und Sekundärliteratur in übersichtlicher Form. Überhaupt weist das Buch eine klare und redaktionell sorgfältige geprüfte Struktur auf.
Die sorgfältige Vorgehensweise des Autorenteams belegen auch die umfangreichen und aktuellen Literaturlisten im Anhang eines jeden Kapitels. Darüber hinaus führen das dritte und vierte Kapitel systematisch in die Thematik lebensweltbezogener Pflege ein, wie dies in den pflegewissenschaftlichen Studiengängen etabliert ist. Der selbst konzipierte Fragebogen im letzten Kapitel ist folgerichtig ein möglicher Ansatz, um die komplexen Zusammenhänge systematisch zu erfassen.
Von daher bietet diese Neuerscheinung einen guten Einstieg für all jene Leser, die nur geringe Vorkenntnisse in dieser Thematik besitzen.
Darüber hinaus bietet das Buch jedoch inhaltlich nicht wirklich neue Erkenntnisse, was konkret das Thema Lebenswelt und Technikentwicklung beinhaltet. Hier ein Beispiel:.
Eine besondere Zielgruppe sind in dieser Veröffentlichung ältere, pflegebedürftige Menschen nach Schlaganfall. Über viele Seiten hinweg werden im zweiten Kapitel sehr ausführlich die Symptome und Auswirkungen des Schlaganfalls beschreiben. Auf diese detaillierten Aspekte wird jedoch im weiteren Verlauf der Kapitel nicht weiter Bezug genommen, so dass an dieser Stelle eine schlagwortartige Aufzählung sicher ausreichend gewesen wäre. Dies geschieht dann im fünften Kapitel und mündet dann in der bekannten Erkenntnis, dass die gesundheitliche Lage der Betroffenen sehr heterogen ist.
Nicht wirklich überraschend ist die daraus folgende Erkenntnis des Autorenteams, dass bei Schlaganfall-Patienten der Nutzen und das Risiko von Hilfeleistungen und Hilfsmitteleinsätzen abzuwägen sind, wie dies im fünften Kapitel erörtert wird.
Der Verweis im Kapitel 5.2 auf die Forderung des Sachverständigenrates in 2002 ist sicher weiterhin berechtigt, nämlich das chronische Krankheitsverläufe einer kontinuierlichen, systematischen und sektorenübergreifenden Steuerung des Leistungsprozesses bedürfen.
Es wird an dieser Stelle aber übersehen, dass in den vergangenen Jahren schon sehr gute Strukturen entstanden sind, die genau diese Problematik aufgreifen. Beispielhaft seien hier die Pflegestützpunkte genannt, die bundesweit für die Betroffenen ortsnah und kostenlos genau diese Sektorengrenzen sprengen und für Lebenslagen-bezogene Lösungen stehen.
Auch nicht gesehen werden aktuellen Trends: Die sog. Schlaganfall-Lotsen bieten beispielsweise als Case-Manager in einem Modellprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen sogar bis zu einem Jahr nach dem Schlaganfall eine ganz umfassende Betreuung der Betroffenen und Angehörigen.
Was die Techniknutzung angeht, bieten die Kranken- und Pflegekassen in enger Zusammenarbeit mit den Sanitätsfachgeschäften mittlerweile ebenfalls individuelle Lösungen an. Passend dazu bieten Internetportale wie das GKV-Hilfsmittelverzeichnis REHADAT für alle Vertreter der Gesundheitsberufe einfach und barrierefrei den kompletten Überblick über alle Hilfsmittel in Deutschland an. Hier wünscht man sich von den Autorinnen andere Erkenntnisse als der Satz in Kapitel 6.2 „Wenig komplexen technischen Hilfen kommt zu wenig Aufmerksamkeit zu“.
Fazit
Wer sich als Vertreter eines Gesundheitsberufes oder als Studierender ohne Vorkenntnisse mit der Lebenswelt und Lebenslage älterer und vor allem pflegebedürftiger Menschen ganz neu auseinandersetzen möchte, kann das Buch des Autorenteams empfohlen werden.
Es bietet einen strukturierten Überblick über Zahlen, Daten und Fakten zu dieser Thematik. Zugleich gewährt das Buch eine solide Einführung in das Lebenslagenmodell als theoretischen Rahmen.
Weniger empfehlenswert ist es jedoch für Leser, die schon einen fachlichen Überblick haben und sich neue Erkenntnisse zum Thema Lebenslagen und Technikentwicklung erhoffen.
Rezension von
Dr. Stephanie Pfeuffer
Pharmazeutin, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachbereich Pflege- und Gesundheitsförderung, Evangelische Hochschule Darmstadt.
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