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Udo Kuckartz: Qualitative Inhaltsanalyse

Rezensiert von Dr. Miriam Damrow, 28.05.2015

Cover Udo Kuckartz: Qualitative Inhaltsanalyse ISBN 978-3-7799-2922-2

Udo Kuckartz: Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2014. 2., durchges. Auflage. 188 Seiten. ISBN 978-3-7799-2922-2. D: 14,95 EUR, A: 15,40 EUR, CH: 21,30 sFr.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-7799-3344-1 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.

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Aufbau

Das Buch gliedert sich in sieben Kapitel, abschließende Hinweise und ein Literaturverzeichnis.

Nach einem Vorwort zur 2. Auflage (die erste Auflage erschien 2012) wird im ersten Kapitel (S. 13-25) auf grundlegende Überlegungen eingegangen – mit dem bezeichnenden Titel Qualitative Daten auswerten – aber wie? Werden diese Überlegungen in 5 Abschnitten vorgelegt.

Im zweiten Kapitel (S. 26-39) wird die Geschichte und in Teilen der methodische Hintergrund der Inhaltsanalyse nachgezeichnet. In 3 Abschnitten stellt Kuckartz zum einen die Inhaltsanalyse vor, verweist auf grundlegende Vorbedingungen (im Sinne des hermeneutischen Zirkels) und macht sich auf den Weg zur qualitativen Inhaltsanalyse.

Grundlagen und Ablauf qualitativer Inhaltsanalysen werden im dritten Kapitel (S. 40-71) fokussiert. In insgesamt 5 Abschnitten, die zum Teil in mehrere Unterabschnitte aufgegliedert sind, wird zum einen auf Grundbegriffe der QI (wie Kategorie, Einheiten, Kodierer) eingegangen, zum anderen wird der klassische Ablauf (Fallzusammenfassungen und Kategorienbildungen) erörtert.

Das ausführlichste Kapitel des Bandes stellt das 4. Kapitel dar. Auf insgesamt 62 Seiten (S. 72-131) werden 3 Basismethoden qualitativer Inhaltsanalyse diskursiv dargelegt. In fünf Abschnitten zeigt Kuckartz zu Beginn die Profilmatrix, wägt Gemeinsamkeiten und Unterschiede der 3 Methoden ab, um sodann die 3 Methoden detailreich vorzustellen.

Im 5. Kapitel (S. 132-164) werden methodische Hinweise zur im Titel angekündigten Computerunterstützung geboten. 3 Abschnitte konturieren das Kapitel zum Datenmanagement, zur QDA-Software und zu erweiterten Analysemöglichkeiten.

Auf knappen 9 Seiten wird im 6. Kapitel (S. 165-173) auf die Ergebnisdarstellung verwiesen: neben einem eigenen Abschnitt zu Gütekriterien werden im 2. Abschnitt Forschungsbericht und Dokumentation behandelt.

Kapitel 7 (S. 174-175) beschließt mit einem Umfang von 2 Seiten den inhaltlich-methodischen Teil des Buches.

Nicht mehr in Kapitelform gegliedert sind nützliche Hinweise zu Websites und Tagungen. Nach Tabellen- und Abkürzungsverzeichnis wird die verwendete Literatur aufgeführt und ein Sachregister am Ende des Buches erleichtert das Nachschlagen.

Inhalte und Diskussion

Im ersten Kapitel werden notwendige Vorüberlegungen vorangestellt, Grundbegriffe geklärt und erste methodische Hinweise gegeben. Unverständlich daran bleibt, warum Kuckartz mit der Unterscheidung quantitativer und qualitativer Daten beginnt – diese Unterscheidung sollte sich in einem Methodenbuch zu qualitativen Methoden quasi von selbst verstehen. Sollte jedoch diese einführende Betrachtung für bisher nicht mit dieser Unterscheidung vertraute Lehrende, Forschende, Studierende (zusammenfassend: Anwendende) konzipiert sein, verfehlt sie im Wesentlichen ihren Zweck: für Unvertraute ist die Einführung zu knapp und zu kurz, für Vertraute (fast) überflüssig. Überblicksweise wird in den folgenden Abschnitten auf Herangehensweisen verwiesen, und, was eher selten in deutschsprachigen Methodenbüchern aufzufinden ist, englischsprachige Literatur zum Thema wird kritisch durchleuchtet und kontextuell eingebunden. Kuckartz widmet der Zentralität der Forschungsfrage dabei einen eigenen Abschnitt, der abgelöst wird von einem Abschnitt zur Notwendigkeit methodischer Strenge – begründet jedoch schon im Abschnitt zur Forschungsfrage die Notwendigkeit der Strenge: „Der bloße Hinweis auf Autorinnen und Autoren … kann als Begründung nicht ausreichen, stattdessen bedarf es der Reflexion, warum genau eine solche theorieabstinente Vorgehensweise für die Beantwortung der eigenen Forschungsfrage angemessen ist …“ (S. 22-23). Gerade die kritische (und mitunter sehr pointiert formulierte) Würdigung der Beiträge anderer Autoren und der Widerlegung der Positionen ist für das methodische Einlesen ins Buch für Lernende hilfreich, für Fortgeschrittene ein Sottisen-Genuss (s. S. 23 „Dies ist ein grotesker Unsinn, der allenfalls geeignet ist, qualitative Vorgehensweisen zu diskreditieren“).

Gerade im Abschnitt zur Notwendigkeit methodischer Strenge und im Vorgriff auf das Kapitel 6 werden Fragen der Qualität und der Geltungsbegründung aufgeführt, also auch und gerade Fragen der Gütequalität. Es bleibt unverständlich, warum den Gütekriterien ein eigener Abschnitt im ersten Kapitel verwehrt bleibt. Didaktisch (und methodisch wie forschungsethisch) wäre eine frühe Einbeziehung und Würdigung nicht nur sinnvoll, sondern notwendig und hilfreich gewesen. Schade, hier hätte das Lektorat des Verlags hilfreich einwirken können.

Das zweite Kapitel bietet den historischen Überblick von der klassischen zur qualitativen Inhaltsanalyse (so auch der Titel des Kapitels). Neben den klassischen Grundlagen verweist Kuckartz hier auf das Verständnis des hermeneutischen Zirkels (s. auch seine Darstellung auf S. 31 in diesem Band) und rekurriert auf daraus abgeleitete 5 Handlungsregeln für die qualitative Inhaltsanalyse. Neben einer kursorischen Übersicht zu den Verfahren qualitativer Inhaltsanalyse hebt Kuckartz 6 Punkte hervor, die er als Kernpunkte qualitativer Inhaltsanalyse erachtet.

Von den verschiedenen Verfahren der QI geht Kuckartz detailliert zu Grundlagen und Ablauf qualitativer Inhaltsanalysen im dritten Kapitel über. Er stellt drei Grundbegriffe der Inhaltsanalyse vor und zeigt jeweils in anschaulicher Tabellenform Beispiele auf. So beginnt Kuckart beispielsweise beim Grundbegriff Kategorie mit Beispielen, differenziert mehrere Arten von Kategorien (eine genaue Auflistung dazu auf S. 43-44). Ähnlich, doch nicht ganz so ausführlich geht er auf die Begriffe Codierer und Einheiten ein (wenn auch in umgekehrter Reihenfolge). Im Abschnitt zum (idealtypischen) Ablauf klassischer und qualitativer Inhaltsanalyse folgt ein Rekurs auf die 5 Phasen. Ausführlich geht Kuckartz in diesem Abschnitt auf die Unterschiede zwischen klassischer und qualitativer Inhaltsanalyse ein, um darauf aufbauend den dritten Abschnitt des Kapitels einzuleiten. Auch hier finden sich teils Selbstverständlichkeiten („Bevor man mit der qualitativen Inhaltsanalyse konkret beginnt, ist es erforderlich, dass man sich noch einmal der Ziele der eigenen empirischen Untersuchung vergewissert…“, S. 52), bevor mit den eigentlichen Schritten begonnen wird. Der Autor erläutert sein Verständnis der initiierenden Textarbeit (wobei sich Kuckartz auf literaturwissenschaftliche Traditionen explizit beruft) und fasst es didaktisch (und textlich überschaubar in einer eigenen Box) zusammen. Ähnliches erfolgt für die Erstellung und Arbeit mit Memos und darauf aufbauend mit Fallzusammenfassungen. Anschauliche Beispiele runden diesen Abschnitt ab – didaktisch ist diese Form positiv hervorzuheben – nicht nur für Einführungslesende geeignet, sondern (und gerade) als Lesestoff in Seminaren geeignet. Im Abschnitt zur Kategorienbildung werden nach einem längeren einführenden Absatz die Grundzüge deduktiver und induktiver Kategorienbildung beschrieben, Mischformen einbezogen und abschließend Kuckartz´ Überlegungen zur Anwendung von Kategoriensystemen vorgestellt. Neben den hochinformativen und ausführlichen Darstellungen fällt jedoch auch hier immer wieder auf, wie deutlich der Autor gegenüber schreibenden KollegInnen Stellung bezieht – mitunter mit explizit formulierten Kritiken – und Anforderungen an besagte Autoren, die Kuckartz mitunter selbst (nicht) befolgt: Er verurteilt (und das im Buch mehrfach anzutreffen) die Schwammigkeit von Formulierungen zu methodischen Schritten, erlaubt sich aber mitunter selbst welche, so u.a. anzutreffen in Formulierungen wie „… es lässt sich unschwer erkennen, dass es in einigen Fällen zu Schwierigkeiten in der Zuordnung kommen kann“ (S. 61). Eine vorgestellte Beispielstudie rundet das dritte Kapitel ab.

Im vierten und ausführlichsten Kapitel werden drei Basismethoden von QI vorgestellt. Die Profilmatrix wird einführend als Grundidee der QI (kurz für Qualitative Inhaltsanalyse) erörtert. Die Profil- oder Themenmatrix vergleicht der Autor selbst mit einer Kreuztabelle (die Verweise zur quantitativen Forschung durchziehen den gesamten Band, und hierin wäre ein großes Manko zu sehen, da Lesende mit geringer Vorerfahrung davon sicherlich leicht verwirrt werden – hier wäre ein Verzicht sicherlich sinnvoll – erfahrene Lesende erkennen den Vergleich ohnehin). In einem nächsten Abschnitt werden Gemeinsamkeiten und Differenzen der drei Basismethoden vorgestellt – auch hier bliebe möglicherweise zu prüfen, ob eine solche Gegenüberstellung nicht klassisch am Schluss besser aufgehoben wäre. In je einzelnen Abschnitten mit mehreren Unterabschnitten werden sodann die inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse, die evaluative QI und die typenbildende QI mitsamt ihrer Charakterisierung, dem grundsätzlichen Ablauf und der detaillierten Beschreibung, fallbezogene thematische Zusammenfassungen und kategorienbasierte Auswertung und Ergebnisdarstellung aufgegliedert.

Im 5. Kapitel steht die QI mit Computerunterstützung im Fokus. Nach einführenden Sequenzen wird auf Themenfelder des Datenmanagements eingegangen. Darin finden sich z.B. eine übersichtliche Tabelle zu Transkriptionssystemen, Transkriptionsregeln für eine computergestützte Auswertung (z.B. Abb. 21 auf S. 136) und – wie immer -anschauliche Beispiele. Hervorzuheben ist der Abschnitt zur Anonymisierung der Daten. Wenngleich deren Wichtigkeit und Bedeutung immer wieder von vielen Autoren hervorgehoben werden, finden sich doch eher selten detaillierte Anforderungen / Anweisungen formuliert. Insofern bildet Kuckartz mit seinen Ausführungen hier die rühmliche Ausnahme. Im nachfolgenden zweiten Abschnitt des 5. Kapitels wird explizit auf die Qualitative Inhaltsanalyse mit QDA-Software eingegangen: vom Import der Daten in die Software zur nötigen Unterstützung bei der Textarbeit über die Bildung von Kategorien am Material (inkl. eingefügter Screenshots) geht Kuckartz auf die prinzipielle Vorgehensweise ein, auch wenn er auf konkrete Anweisungen an dieser Stelle begründet verzichtet. Wie sich QDA-Software sinnvoll und wirksam in einzelnen Typen der Inhaltsanalyse integrieren lässt, ist Thema der folgenden 3 Abschnitte. In übersichtlicher Tabellenform wird die Anwendung von QDA-Software bei allen drei Basismethoden vorgeführt. Im dritten Abschnitt des Kapitels stehen erweiterte Analysemöglichkeiten durch die QDA-Software im Zentrum: So werden verschiedene Funktionen und Features erläutert wie die Einbindung von Multimedia-Funktionalität, Hyperlinks und Visualisierungen. Wortbasierten inhaltsanalytischen Funktionen ist ein weiterer Teil gewidmet.

Das sechste Kapitel stellt Gütekriterien, Forschungsbericht und Dokumentation in den Mittelpunkt. Unklar (und unverständlich) bleibt hier, warum die Gütekriterien erst hier ausführlich behandelt werden, finden sich doch Verweise auf die Gütekriterien durchgängig im ganzen Band und würden forschungsmethodisch und -ethisch eher in Grundlagenbetrachtungen aufzufinden sein als in (relativ gesehen) Schlussbetrachtungen. Auch wenn die Gütekriterien als Messfaktoren für die Reliabilität der Qualität vorliegender Ergebnisse aufgeführt werden (z.B. S. 167 „Wurden Transkriptionsregeln benutzt und werden diese offengelegt“), wäre eine Einbeziehung und entsprechende Umformulierung in die Präsens-Form möglich und sinnvoll gewesen.

Forschungsbericht und Dokumentation ist ein gemeinsamer Abschnitt gewidmet. Neben allgemeinen Hinweisen (zur Erstellung einer Gliederung etwa) finden sich auch hier diejenigen schwammig formulierten Hinweise, die an anderer Stelle vom Autor selbst in anderen Werken so heftig angegriffen werden: „Je nachdem, ob es sich um eine wissenschaftliche Qualifikationsarbeit, ein drittmittelfinanziertes Forschungsprojekt oder eine Evaluation handelt, sind die Schwerpunkte angemessen zu setzen“ (S. 170). Auch das an sich eine Selbstverständlichkeit, die jedoch den Kern unberücksichtigt lässt – WIE werden die Schwerpunkte denn nun angemessen gesetzt? Gerade für diejenigen Lesenden ohne große Erfahrung bzw. ohne gute BetreuerInnen ein fast unlösbarer Ansatz. Positiv hingegen hervorzuheben sind die klar formulierten Hinweise zur Dokumentation. Wenngleich eigentlich selbstverständlich für alle Forschenden und Lernenden (oder pointiert formuliert: die forschend Lernenden), mangelt es doch gerade hier oft an klaren Hinweisen, dennoch bildet Kuckartz mit seinem Band die rühmliche Ausnahme.

Im 7. Kapitel fasst Kuckartz die wesentlichen Vorteile der QI noch einmal zusammen und präsentiert sie in übersichtlicher Form kompakt auf 2 Seiten.

Im Anschluss daran finden sich Hinweise zu regelmäßig stattfindenden Tagungen zu methodischen Themen, wenngleich hier auffällt, dass andere Verfahren (und Tagungen) exkludiert bleiben: weder finden sich Hinweise zur Dokumentarischen Methode noch Hinweise zur Objektiven Hermeneutik, beide hätte hier aufgeführt werden können (da ja auch übergeordnete Tagungen aufgelistet werden). Andererseits – und das hier aufzuführen gebietet die Fairness – stellen Dokumentarische Methode und Objektive Hermeneutik eigene Methodenzugänge dar.

Die üblichen Verdächtigen (der spöttische Unterton sei hier bitte verziehen) beschließen den Band: Das Tabellen- und Abbildungsverzeichnis sowie der Überblick zur verwendeten Literatur.

Fazit

Für alle in diesem Bereich Tätigen ein unverzichtbares Werk – für die einführenden Lesenden unverzichtbarer Informationsgewinn, für die erfahrenen Lesenden unverzichtbar im Einsatz in der Lehre.

Rezension von
Dr. Miriam Damrow
Hochschule Magdeburg-Stendal
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Es gibt 48 Rezensionen von Miriam Damrow.

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Zitiervorschlag
Miriam Damrow. Rezension vom 28.05.2015 zu: Udo Kuckartz: Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2014. 2., durchges. Auflage. ISBN 978-3-7799-2922-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/17882.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.


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