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Benno Hafeneger, Benedikt Widmaier (Hrsg.): Wohin geht die Reise?

Rezensiert von Dr. Rolf Frankenberger, 07.04.2015

Cover Benno Hafeneger, Benedikt Widmaier (Hrsg.): Wohin geht die Reise? ISBN 978-3-89974-995-3

Benno Hafeneger, Benedikt Widmaier (Hrsg.): Wohin geht die Reise? Diskurse um die Zukunft der non-formalen politischen Bildung. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2014. 171 Seiten. ISBN 978-3-89974-995-3. D: 19,80 EUR, A: 20,40 EUR, CH: 28,50 sFr.
Non-formale politische Bildung, Bd. 1.

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Thema und Entstehungshintergrund

Der vorliegende Band setzt sich mit dem Thema non-formale im Unterschied zu formaler und informeller politischer Bildung auseinander. Mit diesem Band wird eine neue Schriftenreihe „Non-Formale Politische Bildung“ beim Wochenschau Verlag eingeführt, die solchen Publikationen eine „Heimat“ bieten soll, die Theorie und Praxis in diesem Bereich miteinander verbinden und die Vielfalt dieses „Lernfelds der außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung“ (S.8) aufzeigen. Die Herausgeber haben AutorInnen aus Wissenschaft und Praxis dazu eingeladen, Beiträge aus der Perspektive ihrer Tätigkeitsfelder zu schreiben. Dabei entstand eine Mischung aus wissenschaftlichen Texten, politischen Reflexionen, Praxisberichten und einem Diskussionsforum. Diese steht stellvertretend für die Herausforderungen, Fragen und Themen non- formaler politischer Bildung.

Herausgeber

Benno Hafeneger ist emeritierter Professor für Erziehungswissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind außerschulische Jugendbildung, Jugendarbeit und Medien- und Kulturarbeit sowie Rechtsextremismus. Er ist Autor einschlägiger Studien und Publikationen in diesen Bereichen und ein gefragter Experte. So ist er etwa Mitglied des Expertengremiums des Programms für bürgerschaftliches Engagement und demokratischen Handels „Zusammenhalt durch Teilhabe“ des Bundesministeriums des Inneren.

Benedikt Widmaier ist Direktor der Akademie für Politische und Soziale Bildung der Diözese „Haus am Maiberg“ sowie Vorstandsmitglied einschlägiger Fachverbände wie der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen im Bereich der Politischen Bildung. So ist zum Beispiel 2013 der mit Bernd Overwien herausgegebene Band „Was heißt heute Kritische Politische Bildung“ im Wochenschau Verlag erschienen.

Aufbau und Inhalt

Der insgesamt 171 Seiten umfassende Band besteht aus einer knappen Einleitung, acht inhaltlichen Beiträgen einschlägig bekannter AutorInnen ganz unterschiedlicher Länge und einem Diskurs, in dem die Herausgeber der Schriftenreihe zu verschiedenen Fragen im Themenfeld „Gesellschaft und Demokratie, Praxis und Zukunft der Politischen Bildung“ Stellung beziehen.

Ulrich Ballhausen (S.11-26) setzt sich in seinem Beitrag mit Bedeutung, Aufgabe und Zukunft der non-formalen politischen Jugendbildung auseinander. Darunter versteht er die außerschulische politische Jugendbildungin Abgrenzung zur formalen politischen Bildung in der staatlichen Bildungsinstitution Schule und betont ihre kritische Funktion und Perspektive als „Laboratorium für die Zukunft“ (S.25) gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Roland Roth (S.27-36) macht einige Anmerkungen zu Theorie und Praxis der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung. Auch er betont deren zentrale Bedeutung als Experimentierfeld und Raum des selbstbestimmten Lernens. Diese könnten am besten an deliberativen Orten mit Methoden gedeihen, welche das „Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen der Beteiligten in die gemeinsame Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit“ stärkten. Dabei sei außerschulische Politische Bildung insbesondere mit den Herausforderungen einer Expansion tertiärer Bildung, dem Phänomen der Verhandlungsfamilie, der wachsenden Bedeutung Sozialen Medien, Globalisierungsfolgen und wachsender sozialer Ungleichheit konfrontiert.

Mit wissenschaftlicher Forschung und Lehre zur außerschulischen Politischen Bildung beschäftigt sich Falk Scheidig (S.37-54), der in diesem Bereich an der Universität Augsburg lehrt. Er illustriert und kritisiert das wissenschaftliche Schattendasein des Fachs, welches zu einer defizitären Theoriebildung und Fragmentierung der Forschung geführt habe. Einer angedachten Professionalisierung mangele es daher an fundiertem intersubjektivem Wissen als Korrektiv.

Melanie Piepenschneider (S.55-72) plädiert dafür, dass politische Bildung auch in Zeiten von sich wandelnde Rahmenbedingungen und Verwertbarkeitsdiskursen „Staatsräson“ sein sollte. Denn Demokratie und Selbstreflektion als zentrale Aufgaben von (non-formaler) politischer Bildung seien keine Selbstläufer. Zentrale Veränderungen ergeben sich nach Piepenschneider

  • im Bezugsfeld Politik und Gesellschaft durch die Individualisierung;
  • im Aktionsraum Bildungsmarkt, der zunehmend von Konkurrenz und Nutzenorientierung geprägt sei;
  • in der Didaktik, die einen schwierigen Spagat zwischen Online und Offline zu meistern habe, sowie
  • hinsichtlich der Nutzer politischer Bildung, die über die Jahre immer heterogener und anspruchsvoller geworden seien und ein neues Zielgruppenmanagement erforderten

„Drei Wünsche für die Zukunft der Politischen Bildung“ (S.73) formuliert Norbert Reichling (S.73-89) vor dem Hintergrund unterschiedlicher Erwartungshaltungen von Politik, (Zivil-) Gesellschaft und Teilnehmenden. in seinem Beitrag. Vielstimmigkeit oder Vielfältigkeit der Träger, Angebote und Teilnehmer, Relevanz der Angebote und Autonomie der „Planenden und Lehrenden“ (S.87) seien die zentralen Säulen für gelingende politische Bildung.

Albert Scherr (S.90-106) legt die Ausgangsbedingungen und Perspektiven gesellschaftspolitischer und subjektorientierter Bildung dar. Diese solle folgenden Anspruch haben: „Die Individuen sollen nihct nur politischer Herrschaft Unterworfene, Rädchen im Getriebe von Arbeit und Konsum, Objekte erzieherischer Einflussnahme und milieutypischer Sozialisation, von politischer und medialer Manipulation sowie rechtlicher Sanktionierung sein, sondern selbstbestimmungsfähige Einzelne“ (S.92). Politische Bildung müsse daher stärker auf das Subjekt ausgerichtet sein, um dieses in die Lage zu versetzen, sich ihrer eigenen Normen und Wertorientierungen bewusst zu werden und ihre gesellschaftliche Lage kritisch zu hinterfragen.

Mit den Volkshochschulen als Orten der politischen Bildung setzt sich Iris Witt (S.107-118) auseinander. Denn diese stünden wie viele andere Bildungsträger vor der Aufgabe, sich mit Wettbewerb und Kostendruck auseinandersetzen zu müssen. Vor diesem Hintergrund seien sie immer weniger in der Lage, Politische Weiterbildung als „konstitutives Element der demokratischen politischen Kultur, eine entscheidende Bedingung zum Funktionieren der Demokratie und eine vorrangige, dem Gemeinwohl verpflichtete Aufgabe“ anzubieten (S.110). Neben der besseren finanziellen Ausstattung sei jedoch auch die Innovationsfähigkeit und Offenheit der Volkshochschulen selbst gefragt, wenn diese Aufgabe auch in Zukunft erfüllt werden solle.

Johannes Smettan (S.119-132) „will und soll“ mit seiner Reflektion auf die eigenen Erfahrungen in der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung provozieren (S.119). Denn seiner Auffassung nach muss sich non-formale Politische Bildung neu erfinden, um aus einer „dunklen Gasse“ (S.128) herauszufinden. Dazu müsse sie unter anderem

  • ihre eigenen Interessen besser und offensiver vertreten;
  • den „Beutelsbacher Konsens“ als Arbeitsgrundlage erweitern und aktualisieren;
  • die „freie Verfügung über Zeit“ als knappe Ressource stärken, um Zeitfenster für Politische Bildung zu schaffen;
  • flexiblere Bildungskonzepte entwickeln;
  • „nachhaltig verankert und öffentlich institutionell gefördert werden“ (S.130);
  • gesellschaftlich relevante Fragen aufwerfen und die Suche nach Antworten fördern anstatt Antworten selbst zu liefern.

In den Diskurs um „Gesellschaft und Demokratie, Praxis und Zukunft der Politischen Bildung“ (S.135-168) treten die ReihenherausgeberInnen. Dies sind Ina Bielenberg (Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten), Benno Hafeneger (Philipps-Universität Marburg), Klaus-Peter Hufer (Professor an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen), Barbara Menke (Bundesarbeitskreis „Arbeit und Leben“), Wibke Riekmann (Arbeitsbereich Erwachsenenbildung der Universität Hamburg), Klaus Waldmann (Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung) und Benedikt Widmaier (Haus am Maiberg). Sie beantworten jeweils Fragen zu Entwicklungen in Gesellschaft und Demokratie, den Entwicklungsperspektiven und Erfolgsgeschichten Politischer Bildung. Sie repräsentieren damit das „plurale und vielfältige Spektrum“ der neuen Schriftenreihe und beleuchten „historische, grundlegende, aktuelle und zukünftige Themen der außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung“ (S.135).

Diskussion

Die Herausgeber sind mit dem vorliegenden Band angetreten, eine neue Schriftenreihe „Non-formale Politische Bildung“ zu starten. Nach eigenem Bekunden handelt ist es dabei „ weder ein Überblicks- oder Handbuch noch sind die Beiträge einem engen thematischen Anliegen verpflichtet. Angeboten wird ein ‚bunter‘ Sammelband“. Das trifft in der Tat zu und dessen muss man sich als Leser bewusst sein. Denn wenn man hier eine mehr oder weniger systematische Hinführung zum Thema non-formale Politische Bildung, ein Abstecken der Begriffe und Diskurse, ein Ordnen der Forschungslandschaft erwartet, so wird man enttäuscht. Nimmt man den Band jedoch als Quelle der Anregung, um über politische Bildung, ihre Formen, Aufgaben und Zielsetzungen nachzudenken, so bekommt man die erhofften Denkanstöße und unterschiedlichen Perspektiven. Ob das als Auftakt einer Schriftenreihe, mit der Publikationen eine „rahmende Systematik“ erhalten sollen, besonders günstig ist, sei einmal dahin gestellt.

Fazit

Der von Benno Hafeneger und Benedikt Widmaier vorgelegte Band hat den Anspruch, die Breite von Theorie und Praxis non-formaler Politischer Bildung zu reflektieren und Denkanstöße zu geben. Dies ist mit der vorliegenden Zusammenstellung gut gelungen. LeserInnen, die jenseits einer systematischen Einführung in das Feld wertvolle Anstöße zu Vertiefung, Reflektion und Diskussion über politische Bildung suchen, werden diese hier finden.

Rezension von
Dr. Rolf Frankenberger
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Es gibt 21 Rezensionen von Rolf Frankenberger.

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Zitiervorschlag
Rolf Frankenberger. Rezension vom 07.04.2015 zu: Benno Hafeneger, Benedikt Widmaier (Hrsg.): Wohin geht die Reise? Diskurse um die Zukunft der non-formalen politischen Bildung. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2014. ISBN 978-3-89974-995-3. Non-formale politische Bildung, Bd. 1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/17944.php, Datum des Zugriffs 31.03.2023.


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