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Tina Soliman: Der Sturm vor der Stille

Rezensiert von Monika Pietsch, 18.08.2015

Cover Tina Soliman: Der Sturm vor der Stille ISBN 978-3-608-94804-2

Tina Soliman: Der Sturm vor der Stille. Warum Menschen den Kontakt abbrechen. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2014. 217 Seiten. ISBN 978-3-608-94804-2. D: 18,95 EUR, A: 19,50 EUR, CH: 26,90 sFr.

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Thema

„Funkstille“ oder „das Schweigen“ zwischen Menschen, die sich nahe standen, kommen nicht aus heiterem Himmel. In der Regel liegen Verletzungen oder Missachtungen vor, die auch weit zurück reichen können. Beide Seiten leiden und nur gemeinsam kann das Schweigen beendet werden. In diesem Buch kommen vor allem die zu Wort, die den Kontakt abgebrochen haben. Tina Soliman spürt der Zeit vor dem Abbruch nach und versucht einen Ausblick in die Zukunft.

Autorin

Tina Soliman ist Journalistin, Autorin und Regisseurin. Seit den 90er Jahren realisiert sie für ZDF und ARD TV- Dokumentationen und hat verschiedene Medienpreise bekommen.

Entstehungshintergrund

2011 erschien ihr Buch: „Funkstille“. Wenn Menschen den Kontakt abbrechen. Aus den vielen Reaktionen auf das Buch entstand dieses neue Buch.

Aufbau

Das Buch gliedert sich in Vorwort und Einleitung, sieben Kapitel, einen Nachwort und dem Literaturverzeichnis.

Inhalt

1. Was ist passiert. Soliman beschreibt die Historien, die in Abbrüche münden aus den Perspektiven der beteiligten Personen. Aus der Sicht der Abbrechenden kann das z.B. eine symbiotische Beziehung oder persönliche Abwertungen gewesen sein. Aus Sicht der Verlassenen, die eine Funkstille vor dem Abbruch z.B. falsch interpretieren oder Zeichen im Vorfeld nicht erfasst haben. Die Vielschichtigkeit der Ursachen wird deutlich, in der Frage nach dem Auslöser. Es wird aufgezeigt, dass der eigentliche Auslöser auch weit in der Vergangenheit liegen kann. Schweigen wird aber auch als Ausdruck von Gewalt und Macht eingesetzt oder empfunden. Unterschieden wird zwischen „normalen Abbrechern“ (Flucht aus der Beziehung als letzte Möglichkeit), „neurotischen, angstgesteuerten Abbrechern“ und „Menschen mit Persönlichkeitsstörungen“ (z.B. Schizophrenie).

2. Abbrecher berichten über die Beweggründe ihres Schweigens. Motive von Abbrüchen sind vielfältig, oftmals hat es mit der Macht der Verlassenen vor dem Abbruch zu tun. Durch den Abbruch der Beziehung wechseln die Machtverhältnisse. Die Diskussion im Buch nimmt auch Aspekte auf von: Funkstille als Methode der Beziehung oder auch der Nicht- Beziehung oder den Aspekt der persönlichen Freiheit eines Kontakts oder des Nicht- Kontakts.

3. Die Sichtweise des Verlassenen. Soliman beschreibt das Suchen nach Ursachen als „ unsere Natur“, so wird auch bei Abbrüchen nach den Gründen geforscht. Die Verlassenen werden aus ihrer Selbstsicherheit gerissen, ihr Leben verändert sich nachhaltig.

4. Heimatlos in der Familie. Mögliche Ursachen können „vererbte“ oder „erlernte“ Verhaltensweisen sein. So stellt Soliman Lebensläufe vor, in denen Mütter von ihren Töchtern verlassen werden, die selbst ihre Mutter verlassen haben, die wiederum z.B. durch den Tod der Mutter sich verlassen fühlten. Auch die Situation der Kriegs- und Nachkriegsgeneration stellt Gründe für solches Verhalten dar. Grund kann auch das Nicht- Akzeptieren der anderen Person sein, fehlende Empathie oder Kraftlosigkeit gegenüber weiteren anstrengenden Kontakten.

5. Die Gewalt des Schweigens. Soliman beschreibt die psychischen Auswirkungen von Schweigen oder Abbrüchen, dabei lässt sie die Verlassenen selbst zu Wort kommen.

6. Die Abbruch- Gesellschaft. In unserer Gesellschaft und unserem persönlichen Leben wird uns z.B. durch die digitalen Medien vorgegaukelt, dass Beziehungen leicht und austauschbar sind, dass es keiner Anstrengung bedarf, miteinander in Kontakt zu sein und zu bleiben. Die Tiefe der Beziehung, die das Leben mit Sinn erfüllt, bleibt auf der Strecke. Beziehung hat auch etwas mit Kummer und Trauer zu tun, heute wird das meist ausgeblendet.

7. Die Funkstille: kein Abbruch aus heiterem Himmel. Funkstille kann vieles bedeuten: ein Mangel an Kommunikation oder Schweigen, Mangel an Zuhören, Feigheit oder Mut, Schutz der eigenen Persönlichkeit oder sich die Freiheit nehmen Beziehungen zu führen oder zu beenden. Das Leben geht anschließend weiter, doch Fragen und Probleme bleiben. Die Frage nach dem persönlichen Umgang mit solch einer extremen Situation wird sehr individuell beantwortet, ein Rezept gibt es nicht.

Fazit

In diesem Buch kommen die Betroffenen zu Wort. Nach dem Buch „Funkstille“ greift Soliman hier die Kommentare und Zuschriften zu ihrem ersten Buch auf und schafft einen weiteren Blick auf ein schwieriges Thema: den Kontaktabbruch zwischen Eltern und Kindern, Freundinnen oder Ehepaaren. Zu lesen sind die Lebens- und Leidenswege verschiedener Menschen, ihre Berichte über die eigene Sicht auf die Beziehung und der Verlauf bis hin zu einer Art Bewältigung. Sehr einfühlsam und respektvoll schildert Tina Soliman die schwierigen Themen rund um den Beziehungsabbruch. Immer wieder lässt sie dazu Experten aus der Psychologie und Philosophie sprechen und schafft so Verständnis sowohl für die Abbrecher als auch für die Verlassenen in ihrer jeweils schwierigen Situation.

Das Buch ist eindrucksvoll und regt an über eigenes Kommunikations- und Beziehungsverhalten zu reflektieren.

Rezension von
Monika Pietsch
Training und Konstruktives Lernen
selbständige Trainerin und Beraterin, Schwerpunkt: Team- und Führungskompetenzen mit den Methoden des konstruktiven Lernens
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Es gibt 60 Rezensionen von Monika Pietsch.

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Zitiervorschlag
Monika Pietsch. Rezension vom 18.08.2015 zu: Tina Soliman: Der Sturm vor der Stille. Warum Menschen den Kontakt abbrechen. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2014. ISBN 978-3-608-94804-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18038.php, Datum des Zugriffs 09.10.2024.


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