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Viola Kelb (Hrsg.): Gut vernetzt?! Kulturelle Bildung [...]

Rezensiert von Prof. Dr. Anne van Rießen, 21.04.2015

Cover Viola Kelb (Hrsg.): Gut vernetzt?! Kulturelle Bildung [...] ISBN 978-3-86736-338-9

Viola Kelb (Hrsg.): Gut vernetzt?! Kulturelle Bildung in lokalen Bildungslandschaften. kopaed verlagsgmbh (München) 2014. 235 Seiten. ISBN 978-3-86736-338-9. 18,80 EUR.
Mit Praxiseinblicken und Handreichungen zur Umsetzung „kommunaler Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung“.

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Thema

Die Entstehung lokaler Bildungslandschaften als eine Schlussfolgerung des durch PISA geprägten Bildungsdiskurses verweist auf Themen der Bildungs- und Chancengerechtigkeit und – damit verbunden – der Teilhabechancen junger Menschen. So sollen Städte und Regionen Verantwortungsgemeinschaften initiieren, die höchst „wirksam“, aber auch „ressourcenschonend“, unterschiedliche Akteur_innen von formalen und non-formalen Bildungsangeboten innerhalb eines ganzheitlichen kommunalen oder auch regionalen Handlungskonzeptes möglichst gleichberechtigt zusammenführen. Damit sollen unter Berücksichtigung der Lebenslagen und -situationen von Kindern und Jugendlichen Strukturen im Sinne von „Bildungsbündnissen“ oder „Bildungskooperationen“ verankert werden, die zu dazu genutzt werden können, (mehr) Chancengerechtigkeit für junge Menschen zu initiieren. Auch Akteur_innen Kultureller Bildung sind so zunehmend gefragt sich sowohl mit den entstehenden lokalen Bildungslandschaften zu vernetzen als sich auch als „Bündnispartner_innen“ zur Verfügung zu stellen. Darauf basierend ist die Zielstellung des hier im Fokus stehenden Sammelbandes, die Rolle und Funktion Kultureller Bildung in den lokalen Bildungslandschaften zu beleuchten und gleichwohl – durch Praxisbeispiele – praktische Unterstützung für die Akteur_innen Vorort zu bieten. Ferner ist es aber auch ein zentrales Anliegen der Publikation neue Fragen aufzuwerfen, die den zentralen Fachdiskurs rund um das Thema „lokale Bildungslandschaften und kommunale Gesamtkonzepte“ anregen und erweitern.

Herausgeberin und Autor_innen

Die Herausgeberin Dipl.-Päd. Dipl.-Soz.Päd. Veronika Kelb war Leiterin des Geschäftsbereichs „Kultur macht Schule“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. (BKJ) bevor sie seit 2014 bei der Akademie Remscheid zuständig für den „Qualitätsverbund Kultur macht stark“ ist.

In dem Sammelband sind insgesamt 23 Beiträge von 30 Autor_innen aufgeführt. Die Bezüge der Autor_innen sind dabei vielfältig: Zu ihnen gehören sowohl Wissenschaftler_innen als auch prioritär (Kultur)Referent_innen, Projektleiter_innen und Dozent_innen aus den vielfältigen Handlungsfeldern der Kulturellen Bildung. Somit bietet sich aus verschiedenen theoretischen als auch praxisnahen Perspektiven die Option, die (potentielle) Verankerung von Kultureller Bildung und die damit einhergehenden Chancen aber auch Begrenzungen in lokalen Bildungslandschaften wie auch in kommunalen Gesamtkonzepten zu betrachten.

Zielgruppe

Als Zielgruppe des Sammelbandes sind primär die Akteur_innen Kultureller Bildung zu benennen, aber auch insbesondere kommunale Initiator_innen und Partner_innen von lokalen Bildungslandschaften und/oder kommunalen Gesamtkonzepten, die sich nicht nur mit der Frage der Gründung und Vernetzung beschäftigen, sondern auch die Rolle und Funktion spezifisch von Kultureller Bildung als Akteur_in im Rahmen lokaler Bildungslandschaften oder kommunaler Gesamtkonzepte beleuchten wollen.

Damit richtet sich die Publikation explizit nicht nur an die Akteur_innen von Kultureller Bildung sondern auch an Vertreter_innen aus verschiedenen anderen gesellschaftlichen Bereichen, sowohl aus der Politik als auch aus der Kunst und Kultur oder der kommunalen Verwaltung. Somit wird auch eine weitere Zielstellung des Sammelbandes deutlich: Der Transfer der vielfältigen Erkenntnisse und Erfahrungen zur Rolle und Funktion von Kultureller Bildung im Kanon der Bildungslandschaften in Wissenschaft und Praxis.

Entstehungshintergrund

Der vorliegende Sammelband ist im Rahmen der Fachstelle „Kultur macht Schule“ entstanden, die 2010 von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V. (BKJ) mit Unterstützung des Bundesjugendministeriums eingerichtet worden ist. Die Bundesvereinigung Kinder- und Jugendbildung e.V. fordert bereits seit jeher die konsequente und kontinuierliche Vernetzung der schulischen und außerschulischen Bildung und betont Kulturelle Bildung als Querschnittsaufgabe der Bereiche Jugend, Bildung und Kultur (vgl. Kelb/Taube 2014, S. 10). Prioritäres Ziel aller Aktivitäten und Maßnahmen der Fachstelle „Kultur macht Schule“ ist so auch die Weiterentwicklung Kultureller Bildung als Querschnittsbereich von Jugend, Bildung und Kultur sowohl auf Bundes-, Landes- als auch auf kommunaler Ebene. Ein zentrales Schwerpunktthema bilden dabei die Aspekte „lokale Bildungslandschaften“ und „kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung“ (vgl. ebd., S. 10 f.). So sollen die Träger und Einrichtungen der Kulturellen Bildung darin unterstützt werden, sich mit den in der Entstehung begriffenen lokalen Bildungslandschaften zu vernetzen, damit der Kulturellen Bildung ein „fester Platz“ eingeräumt wird. Eben diese Zielsetzung verfolgt auch der vorliegende Sammelband: Einerseits zeigen Erfahrungen der Praxis vor Ort auf, dass Kulturelle Bildung in den differenten lokalen Bildungslandschaften eine unterschiedliche Rolle spielt – die Spannbreite reicht von „spielt (noch) keine Rolle“ bis hin zu einer „hohen Priorität“ – und andererseits sind in den vergangenen Jahren bundesweit zahlreiche kommunale (Gesamt)konzepte für Kulturelle Bildung entstanden, mittels derer sich Kommunen zu einer Verstärkung und Vernetzung von kulturellen Bildungsangeboten verpflichten. Das Ziel aller Netzwerke ist dabei stets auf soziale Teilhabe ausgerichtet, indem mehr Chancengerechtigkeit insbesondere für die Zielgruppe der jungen Menschen realisiert werden soll (vgl. ebd., S. 11).

Die Erkenntnisse und Erfahrungen im Hinblick auf das Thema der Bildungsnetzwerke im Allgemeinen als auch mit dem spezifischen Fokus auf Kulturelle Bildung, werden anhand theoretischer Zugänge und ausgewählter praxisorientierter Erfahrungen und Ergebnisse in diesem Sammelband vorgestellt.

Aufbau

Die inhaltliche Gliederung des Sammelbandes teilt sich in vier Kapitel.

Während das erste Kapitel sich damit befasst das Konzept bzw. die Idee der lokalen Bildungslandschaften vorzustellen und dabei auch die Rolle und Funktion Kultureller Bildung unter der Gesamtüberschrift „Kulturelle Bildung in lokalen Bildungslandschaften“ zu beleuchten, widmet sich das zweite Kapitel dem Thema „Kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung“. Im dritten Kapitel werden schließlich beispielhaft Wege zur Ausgestaltung kommunaler Konzepte für Kulturelle Bildung dargestellt, bevor abschließend im vierten Kapitel die Einschätzungen und Erfahrungen unterschiedlicher Träger und Verbände vorgestellt werden.

Zu Kapitel 1

Im ersten Kapitel „Kulturelle Bildung in lokalen Bildungslandschaften“ finden sich sechs Beiträge die eine allgemeine Einführung in die Thematik und damit auch Möglichkeiten und Begrenzungen der Rolle Kultureller Bildung in den lokalen Bildungslandschaften aufzeigen.

Peter Bleckmann und Anja Durdel stellen in dem einleitenden Beitrag „Gute Gründe. Kulturelle Bildung in lokalen Bildungslandschaften“ dar, dass gegenwärtig einerseits kaum erfasst werden kann, in wie vielen Städten und Gemeinden überhaupt Analysen die Grundlage für eine Verzahnung und Vernetzung der Planung und Ausgestaltung von Bildungsangeboten sind und andererseits auch nicht bekannt ist, wie hoch die Anzahl der Kommunen ist, die sich auf dem Weg zu einer „Bildungslandschaft“ sehen, geschweige denn zu einer „Bildungslandschaft mit kulturellem Profil“ (vgl. Bleckmann/Durdel 2014, S. 17). Dabei gehen sie davon aus, dass Kulturelle Bildung den Teil der Bildungslandschaften bezeichnet, der sich im weitesten Sinne mit künstlerischer Bildung, unter der Zielstellung Bildungsprozesse zu befördern, befasst. Dazu gehören so nicht nur formale, sondern auch non-formale und informelle Bildungswelten: Museen und Theater ebenso wie Sinfonieorchester, Garagenbands und Technoclubs (vgl. ebd., S. 18). Im Rahmen ihres Beitrages erörtern sie „gute Gründe“ (ebd., S. 21) die dafür sprechen, ein kommunales Gesamtkonzept zu entwickeln – auch, wenn dieses mit Mühen und Anstrengungen verbunden ist. Dabei plädieren sie abschließend dafür, dass die Gesamtkonzepte sich an einer „vielfältigen Bildungslandschaft“ ausrichten, die nicht nur die Angebote von Hochkultur berücksichtigt, sondern insbesondere auch die informellen und/oder „wilden“ Angebote (vgl. ebd., S. 26). Denn, die Berücksichtigung vielfältiger kultureller Angebote – so konstatieren sie abschließend – hat auch Einfluss auf die Zufriedenheit und die Art des Zusammenlebens.

Ivo Züchner zeigt in seinem Beitrag „Kulturelle Bildung in der Ganztagsschule. Empirische Ergebnisse der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG)“ anhand der Befragung von Schulleitungen und Schüler_innen der Sekundarstufe II, Analysen zu der spezifischen Ausrichtung der Ganztagsangebote, den Kooperationspartnern und -beziehungen als auch spezifisch zu den kulturellen Aktivitäten im Ganztagsbetrieb auf. Dabei nimmt er auch insbesondere die schichtspezifischen Unterschiede bei der Nutzung der differenten Ganztagsangebote in den Blick und geht der Frage nach, ob sich die aus der Jugendforschung bekannte soziale Selektivität von außerschulischen Freizeit- und Bildungsangeboten auch auf die Angebote der Ganztagsschule übertragen lässt. In seinem Fazit resümiert er entsprechend der Ergebnisse, dass die Ganztagsschule als Regelinstitution grundsätzlich die Chance bietet, dass alle Schüler_innen entsprechende Angebote wahrnehmen können. So nehmen auch Kinder und Jugendliche an musisch-künstlerischen Aktivitäten dar, die sonst nicht unbedingt zu den „klassischen“ Teilnehmer_innen außerschulischer kultureller Bildungsangebote gehören. Dabei differenziert er aber zwischen dem Bereich der Darstellenden und Bildenden Künste, denen dieser Anspruch gelingt, und den musischen Aktivitäten. Gerade bei der Nutzung der musischen Angebote – so zeigen die Analysen auf – erweist das Spielen eines Instruments einen wesentlichen Einfluss auf die Teilnahme. Basierend auf diesen Erkenntnissen ist so zu überlegen, inwieweit beispielsweise Angebote und Formen ein Instrument zu erlernen, auch in den Angeboten der Ganztagsschule einen Platz finden können.

In den weiteren Beiträgen beschreibt erst Max Fuchs in seinem Beitrag „Kulturelle Bildung braucht viele Partner! Von der Kooperation zur Bildungslandschaft“ den Weg von zeitlich begrenzten bis hin zu verbindlichen und kontinuierlichen Bildungslandschaften, bevor Roman Riedt, Bernd Mones und Markus Wicke in ihrem Beitrag, auf der Basis ihrer Erfahrungen im Kontext der Arbeit von „kobra.net – Kooperationen in Brandenburg“, die Rolle und Funktion der Kinder- und Jugendhilfe innerhalb von lokalen Bildungslandschaften beleuchten.

Im Weiteren setzt sich die Herausgeberin Viola Kelb mit der Verwirklichung von mehr (Bildungs)Gerechtigkeit und Teilhabe auseinander. Dabei fragt sie nicht nur nach der Rolle Kultureller Bildung in lokalen Bildungslandschaften, sondern beleuchtet kritisch, ob und wie sich die Teilhabemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen durch eine Vernetzung der Träger Kultureller Bildung und ihrer Angebote „auswirken“. Sie kommt in ihrem Beitrag „Mehr Teilhabe durch Vernetzung“ so abschließend zu dem Fazit, dass die Potentiale kultureller Teilhabe am besten dort zum Tragen kommen, wo eine häufige und kontinuierliche Teilnahme an Angeboten möglich ist (vgl. Kelb 2014, S. 79). Damit Kulturelle Bildung im Kanon der Bildungslandschaften dauerhaft eine (prominente) Rolle spielen kann, müssen Bildungslandschaften keine abgeschlossenen Konstrukte sein, sondern sich kontinuierlich in Orientierung an den wandelnden Bedarfslagen der Kinder und Jugendlichen und den sich veränderten gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen weiterentwickeln. Denn erst eine nachhaltige Verankerung der Angebote, flankiert mit einer kontinuierlichen Qualitätsprüfung und Weiterentwicklung, gewährleistet eine zentrale Voraussetzung, um Kindern und Jugendlichen auch langfristig Teilnahme und Teilhabe zu sichern. Dazu bedarf es auch der Stärkung und dem Ausbau von Unterstützungssystemen und -strukturen für lokale Netzwerke durch Bund und Länder.

Im abschließenden Beitrag des ersten Kapitels stellt Kerstin Hübner die Frage nach der Beteiligungskultur. Dabei beschreibt sie Beteiligungskultur in ihrem Beitrag „Beteiligungskultur und Kulturelle Bildung in lokalen Bildungslandschaften. Verbände, freie Träger und Zivilgesellschaft gestalten kulturelle Gesamtkonzepte“ nicht nur als eine Forderung der Träger Kultureller Bildung, sondern spezifisch auch als Auftrag an diese selbst. So resümiert sie, dass Träger der Kulturellen Bildung sowohl Deutungshoheiten und Alleinstellungsmerkmale abgeben als auch konsensorientiert ihre Konzepte überprüfen und weiterentwickeln müssen.

Zu Kapitel 2

Im zweiten Kapitel des Sammelbandes „Kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung“ liegt der Schwerpunkt auf die 2012 von der BKJ Fachstelle „Kultur macht Schule“ in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel „Quo Vaids – Empirische Analysen von kommunalen Gesamtkonzepten für Kulturelle Bildung“ des Zentrums für Kulturforschung (vgl. Kelb/Taube 2014, S. 12).

Im ersten Beitrag stellt Susanne Keuchel zusammengefasste relevante Ergebnisse dieser empirischen Studie vor. Basierend auf den empirischen Bestandsaufnahmen ist ein Leitfaden für kommunale „Ersteinsteiger“ (Keuchel/Hill 2012, S. 46 f. zit. n. Keuchel 2014, S. 109) entstanden, der unabhängig von der Größe, Infrastruktur oder Bevölkerungszusammensetzung einer Kommune genutzt werden kann. Dabei beschreibt auch Keuchel die Notwendigkeit, erarbeitete Konzepte kontinuierlich an den bestehenden gesellschaftlichen Herausforderungen anzupassen (vgl. auch den Beitrag von Kelb).

Im zweiten Beitrag beleuchtet Hans-Georg Küppers vor dem Hintergrund der verstärkten Förderung Kultureller Bildung, die zukünftige Rolle der Kommunen. Insbesondere nimmt er dabei in den Blick, welche perspektivischen Fragen damit einhergehen (können).

Eva Krings stellt in ihrem Beitrag „Kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung in Nordrhein-Westfalen“, basierend auf den ermutigenden Erfahrungen im Rahmen des vom Kulturressort der nordrhein-westfälischen Landesregierung ausgeschriebenen Wettbewerbs „Kommunale Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung“, anhand der Beispiele aus Köln und Hiddenhausen fest, dass kulturelle Konzepte ganz unterschiedlich aussehen und ausgestaltet werden können/dürfen/sollen (vgl. Krings 2014, S. 128).

Im vierten und abschließenden Beitrags des zweiten Kapitel erörtert Wolfgang Zacharias in seinem Beitrag „Kultur- und Schulservice Kommunal in Bayern“ auf Basis der vor Ort gemachten Erfahrungen, dass Netzwerkbildung in einer doppelten Bedeutung les- und auslegbar ist: Einerseits müssen Vernetzungen aktiv unter der Beteiligung aller Akteur_innen ausgebaut werden und andererseits gilt auch, dass die Beteiligten sich grenz-, institutions- und spartenübergreifend „(weiter)bilden“.

Zu Kapitel 3

Im dritten Kapitel werden schließlich beispielhafte Wege zur Gestaltung kommunaler Gesamtkonzepte für Kulturelle Bildung aufgezeigt. Die sieben Beiträge zeigen dabei deutlich die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen auf und bekräftigen so die Erfahrung von Eva Krings, dass kulturelle Konzepte je nach infrastrukturellen Voraussetzungen und Gegebenheiten, sozialräumlichen Strukturen und den individuellen Akteur_innen vor Ort einer unterschiedlichen Ausgestaltung bedürfen.

So priorisiert Katharina Scherf in dem ersten Beitrag „Regionale Themenbezüge schaffen Lebensweltbezüge vor Ort …“ am Beispiel des Modellprojektes „Kulturvermittlung der Regionen Coburg und Sonnenberg“, in Anlehnung an das Konzept der Lebensweltorientierung (vgl. Grunwald & Thiersch 2011), dass auch für die Praktiker_innen im Kontext der Kulturellen Bildung die Orientierung an die Lebenswelt der Zielgruppe eine gute Ausgangsbasis bietet. Dabei stellt sie basierend auf den Erfahrungen im Rahmen des Modellprojektes in Coburg fest, dass insbesondere regionale Themenbezüge in einem Konzept zur Kulturellen Bildung Bezüge zur Lebenswelt schaffen können (vgl. Scherf 2014, S. 150).

Hingegen legt Werner Frömming in seinem Beitrag „Individuelle Wege bei der Konzeptausgestaltung empfehlen sich…“ am Beispiel der kulturellen Bildungslandschaft in Hamburg, die Akzentuierung auf die Kooperationen vor Ort. So stellt er fest, dass wenn Kooperation eine Schwerpunktsetzung erfährt, dies nicht nur die Partnereinrichtungen vor Ort prägt, sondern auch verändert. Auch resümiert er, basierend auf den Erfahrungen in Hamburg, dass die Schwerpunktsetzung Kooperation nicht nur einer konstruktiven Begleitung und einer langfristigen Sicherung bedarf, sondern zugleich eines „langen Atem[s]“ (Frömming 2014, S. 155) damit Kooperationsstrukturen curricular verankert und aufgebaut werden können.

In weiteren Beiträgen stellt erst Christiane Maaß konkret die Marktplatzmethode vor zur Vernetzung von Kultur und Schule in Oldenburg, während im Weiteren Stephan Hoffman am Beispiel des Dresdener Programms „KuBIK – Kulturelle Bildung in Kindertageseinrichtungen“, die dortigen Erfahrungen vorstellt. In seinem Fazit betont er, dass Kulturelle Bildung die Option bietet Erlebnisräume für Kinder zu eröffnen, die Selbstbildungsprozesse befördern. Diese betrachtet er gerade daher als relevant, da sie in den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen die Ausgangsbasis darstellen, die Welt aktiv wahrzunehmen und zu gestalten (vgl. Hoffmann 2014, S. 168 f.).

Claudia Kokoschka und Martina Bracke hingegen fokussieren in ihrem Beitrag„Auch einzelne Stadtteile können eigene Ausgestaltungswege erfahren…“ am Beispiel des Kommunalen Gesamtkonzeptes Kulturelle Bildung in Dortmund, die Relevanz von wohnortnahen Angeboten. Sie erörtern wie in einem Dortmunder Stadtteil mit einem „negativen Image“ (Kokoschka/Bracke 2014, S. 174), nicht nur gemeinsam „Raum“ in Form eines Quartiersplatzes zurückerobert wurde, sondern auch die kreativen und interkulturellen Potentiale des Stadtteils sichtbar gemacht wurden.

In den beiden letzten Beiträgen berichtet zum einen Cathrin Moeller anhand des Konzeptes KulturTotal, aus welchen Gründen sich für ländliche Räume regionale Gesamtkonzepte empfehlen. Dabei resümiert sie, dass das Gelingen regionaler Gesamtkonzepte im ländlichen Raum sowohl nur mit der Unterstützung von Koordiantor_inen gewährleistet werden kann als auch zur Verstetigung einer Finanzierung bedarf, die erst eine nachhaltige und langfristige Kooperation zwischen den Beteiligten sichert. Denn gerade im ländlichen Raum konnte zwar die Zielstellung einer besseren Qualität und höheren Quantität der Nutzung der Angebote erreicht werden, gleichwohl bedurfte es dazu insbesondere auch einer spezifischen Flexibilität der Kultureinrichtungen, um mobile Angebote zu ermöglichen und umzusetzen. Zum anderen beschreiben Petra Brinkmann und Cordula Küppers in ihrem Beitrag anhand eines Beispiels aus Minden wie kommunale Gesamtkonzepte Schulentwicklungsprozesse unterstützen können.

Zu Kapitel 4

Im vierten und letzten Kapitel kommen abschließend Vertreter_innen der Träger und Verbände zu Wort und schildern ihre Erfahrungen und Einschätzungen. Während Peter Kamp so in seinem Beitrag am Beispiel der Jugendkunstschulen der Frage nachgeht, ob und wie Kulturelle Bildung durch Vernetzung wachsen kann, beschreibt Birgit Lücke am Beispiel einer Bibliothek, dass lokale Bildungslandschaften am besten von unten gedeihen.

Im dritten Beitrag des vierten Kapitels fokussiert Lorenz Overbeck nicht nur die Relevanz von Musikvereinen in ländlichen Regionen, sondern erläutert spezifisch inwieweit diese als Träger Kultureller Bildung Akteur_innen in lokalen Bildungslandschaften sein können. Dabei beschreibt er zwar die Relevanz einer gelungen Vernetzung der Akteur_innen Kultureller Bildung, gleichwohl verweist auch er auf fehlende bundesweite Förderprogramme die eine Struktursicherung erst ermöglichen können. Denn – so seine Erfahrungen –, insbesondere die hohe ehrenamtliche Eigenleistung der beteiligten Akteur_innen ist der Garant, um Bildungslandschaften in ländlichen Regionen aufzubauen.

Auch Irene Ostertag beschreibt explizit die Entwicklungen und Anforderungen einer lokalen Bildungslandschaft aus der Perspektive eines bürgerschaftlich engagierten Theatervereins. Dabei führt sie als Voraussetzungen für gelingende lokale Bildungslandschaften nicht nur eine kontinuierliche Finanzierung der Aktivitäten auf, sondern verweist auch sowohl auf die zeitlichen Ressourcen der Akteur_innen als auch auf die Option einer Kooperation auf Augenhöhe. Gleichsam regt sie an, dass die Angebote stets die Interessen und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen berücksichtigen müssen, bevor sie abschließend die Relevanz der Einbindung der Aktivitäten spezifisch in die kommunalen Aktivitäten darstellt. Denn zentral für ein gutes Gelingen ist auch, dass die beteiligten Akteur_innen nicht nur Akzeptanz und Wertschätzung der Leistung bei den Bürger_innen, sondern auch bei den Verantwortlichen der Kommune erfahren.

Bevor Regine Kemmerich-Lortzing die Erfahrungen eines Theaternetzwerkes als Struktursicherung für Kulturelle Bildung in Freiburg darstellt, fokussieren Gerhard Knecht und Kerstin Guthmann die Rolle und Funktion von Spielmobilen als fahrende Werkstätten in lokalen Bildungslandschaften. Damit knüpfen sie an die Thematik von wohnortnahen Angeboten Kultureller Bildung an, denn Spielmobile sind in den Stadtteilen und damit den „Lebenswelten“ der potentiellen Nutzer_innen unterwegs.

Diskussion

Mit der Herausgabe des Sammelbandes ist es gelungen sowohl die Einbindung von Akteur_innen Kultureller Bildung in lokalen Bildungslandschaften als auch deren Rolle zu beleuchten und dazustellen. Dabei machen die Beiträge in ihrer Gesamtheit sowohl die Vielfalt als auch die damit verbundenen unterschiedlichen Optionen der Beteiligung und Vernetzung deutlich. Insbesondere betonen sie aber alle die Bedeutung der Vernetzung, um sowohl qualitativ als auch quantitativ Angebotsstrukturen für „alle“ zur Verfügung zu stellen. Der Vernetzungsgedanke der lokalen Bildungslandschaften bietet somit nicht nur die Chance – ausgehend von einer Ist-Analyse – bestehende „Löcher“ in Form fehlender Angebote sichtbar zu machen, sondern darüberhinausgehend zu fragen, wer der beteiligten Bündnispartner_innen die Option sieht dieses „fehlende“ oder „nicht ausreichend vorhandene Angebot“ in Folge anzubieten und auszufüllen. Somit sind einerseits die Bürger_innen als Adressat_innen der Angebote jene die von gut vernetzten und aufeinander abgestimmten lokalen Bildungslandschaften oder kommunalen Gesamtkonzepten letztlich profitieren sollen. Aber auch andererseits die vielfältigen beteiligten Akteur_innen die sich nicht nur vernetzten, sondern auch durch diese Prozesse von- und miteinander „lernen“.

Gleichwohl wird in allen Beiträgen deutlich, dass lokale Bildungskooperationen und Bildungslandschaften auch unter Beteiligung der Akteur_innen Kultureller Bildung nicht „von alleine funktionieren“. So bedarf es langfristiger und kontinuierlicher Strukturen, die den Aufbau, die Vernetzung und im Weiteren auch die Zusammenarbeit koordinieren und sicherstellen. Auch müssen damit Finanzierungen verbunden sein, die spezifische Arbeiten erst auch ermöglichen. Neben Strukturen und Finanzierungen bedarf es aber auch der Option, dass lokale Bildungslandschaften und auch kulturelle (Gesamt)konzepte einer Flexibilität bedürfen, die es überhaupt erlauben, diese spezifisch auf die Gegebenheiten vor Ort abzustimmen. So kann zwar an das Postulat „Kultur für alle“ (Hoffmann 1981)- durch die Verankerung von Akteur_innen Kultureller Bildung in lokalen Bildungslandschaften – angeknüpft werden, gleichwohl jedoch nur unter der Bedingung, dass die Bündnisse und Aktivitäten in den lokalen Bildungslandschaften die Heterogenität der Verhältnisse berücksichtigen und damit individuell ausgestaltet werden können. Denn, die Frage wie lokale Bildungslandschaften mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit ermöglichen, muss nicht nur vor Ort von den Akteur_innen in den Blick genommen werden, sondern auch in Anlehnung an die spezifischen Bedürfnisse der Bürger_innen vor Ort geschehen. Oder anders formuliert: Ohne Analysen die neben einer Bestandsaufnahme auch unbedingt die Bürger_innen in Beteiligungsprozessen miteinbeziehen, um in den Blick zu nehmen, welche Bedürfnisse diese in den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen überhaupt haben, geht es nicht. So gilt es nicht nur die Bürger_innen als „Nutzer_innen“ der Angebote zu betrachten, sondern diese auch als selbst- und mitgestaltende Akteur_innen miteinzubeziehen.

Den lokalen Bildungslandschaften kommt somit auch eine gesellschaftspolitische Funktion zu, wenn sie es auch als ihre Aufgabe betrachten, durch die vielfältigen Angebote (mehr) Teilhabe und Chancengerechtigkeit nicht nur zu postulieren, sondern auch sicherzustellen. Gleichwohl darf dabei nicht in Vergessenheit geraten, dass Angebote Kultureller Bildung auch soziale Ungleichheiten reproduzieren und verstärken können. So ist es auch Aufgabe der Akteur_innen Kultureller Bildung zwar einerseits ein_e Bündnispartner_in im Kanon der Bildungslandschaften zu sein und andererseits dabei auch die bestehenden (Gesamt)Angebote kritisch zu reflektieren und daraufhin zu überprüfen, ob und wer denn eigentlich von diesen Angeboten angesprochen wird.

Fazit

Der vorgelegte Sammelband bietet mit seinen zahlreichen Beiträgen eine sehr gute Möglichkeit sich über die Möglichkeiten und Grenzen Kultureller Bildung im Kontext der lokalen Bildungslandschaften zu informieren. Dabei werden sowohl durch theoretische Grundlagen als auch durch praktische Beispiele, aus der Perspektive unterschiedlicher Akteur_innen, die Grenzen und Möglichkeiten Kultureller Bildung in lokalen Bildungslandschaften deutlich.

Insgesamt ist es der Herausgeberin dabei eine vielfältige und instruktive Zusammenstellung gelungen, die unterschiedliche Blickwinkel berücksichtigt. Damit bietet der Sammelband wertvolle Hinweise für alle, die sich mit dem Thema Kulturelle Bildung in lokalen Bildungslandschaften beschäftigen, denn die vielfältigen Perspektiven der Autor_innen decken an vielen Stellen neue, die Fachdebatte inspirierende Aspekte auf. So gelingt es der Herausgeberin des Sammelbandes – anknüpfend an das anfängliche Ziel – den Diskurs um die Verankerung und damit auch die Funktion Kultureller Bildung in lokalen Bildungslandschaften zu erweitern und bestimmt auch aufrechtzuerhalten. Denn anknüpfend an die verschiedenen Beiträge lassen sich viele Fragen formulieren: So ist die Rolle der Bürger_innen bisher nur als „Nutzer_innen“ der Angebote in den Fokus genommen worden, jedoch nicht gefragt worden, wie diese beteiligt werden können bei der Festlegung der Bedarfe und der Ausgestaltung der Angebote. Oder anders formuliert: Wer gibt eigentlich vor und in Orientierung an wen, welche Angebote „fehlen“ oder als „nicht ausreichend“ markiert werden? Und weiter: Wie können die Strukturen sichergestellt werden, die es bedarf, um eine Kontinuität und eine Qualität der Angebote überhaupt aufrechtzuerhalten?

Literatur

  • Grunwald, Klaus & Thiersch, Hans (2011): Lebensweltorientierung. In: Otto, Hans-Uwe & Thiersch, Hans (Hrsg.): Handbuch Soziale Arbeit, 4. Auflage, München und Basel.
  • Hoffmann, Hilmar (1981): Kultur für alle. Perspektiven und Modelle, 2. Auflage, Frankfurt am Main.

Rezension von
Prof. Dr. Anne van Rießen
Hochschule Düsseldorf, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften
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Es gibt 7 Rezensionen von Anne van Rießen.

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ISSN 2190-9245