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Andreas Raith, Beate Kohler et al. (Hrsg.): Startkapital Natur (Naturerfahrung - kindliche Entwicklung)

Rezensiert von Prof. Dr. Werner Michl, 03.03.2017

Cover Andreas Raith, Beate Kohler et al. (Hrsg.): Startkapital Natur (Naturerfahrung - kindliche Entwicklung) ISBN 978-3-86581-692-4

Andreas Raith, Beate Kohler, Kurt Gschwind (Hrsg.): Startkapital Natur. Wie Naturerfahrung die kindliche Entwicklung fördert. oekom Verlag (München) 2014. 225 Seiten. ISBN 978-3-86581-692-4. D: 24,95 EUR, A: 25,70 EUR, CH: 35,50 sFr.

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Thema

Spätestens nach Richard Louvs „Das letzte Kind im Wald“ (2011) oder dem „Dangerous Book for Boys“ (Iggulden, Iggulden 2008) ist auch in der deutschsprachigen Fachliteratur die Bedeutung von Wald, Wiese und Wildnis für die Kindheit erkannt worden, was eine große Menge von Publikationen anzeigt (Kohler, Schulte Ostermann 2015, Roeper 2011, Schlehufer 2016, Trommer 2012, Weber 2012 u.v.a.m.). In der Regel handelt es sich um Spiele, Methoden, Praxis, Erfahrungen, Erlebnisse, Übersetzungen und Übernahmen aus der englischsprachigen Literatur. Mit „Startkapital Natur“ liegt nun eine umfassende Beschreibung von Forschungsergnissen vor. Damit gibt diese Publikation einer umfangreichen Praxisliteratur ein solides wissenschaftlichen Fundament, und schließt sicherlich „eine Lücke“, wie es im Umschlagtext lautet.

AutorIn

Andreas Raith ist wissenschaftler Mitarbeiter, Armin Lude ist Professor für Biologie und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Beate Kohler, Dipl.-Forstwirtin und Buchautorin, tätig bei FORUM BILDUNG NATUR, und Gudula Ritz-Schulte, Dipl.-Psychologin und langjährige Lehrbeauftragte an der FH Münster, haben jeweils ein Kapitel beigetragen.

Aufbau

Das Buch ist in zwölf Kapitel unterteilt.

Nach einer kurzen Einleitung wird das methodische Vorgehen beschrieben. Das dritte Kapitel widmet sich der mentalen Entwicklung des Kindes, das vierte und fünfte der sozialen und physischen. Im sechsten Abschnitt geht es um die Entwicklungs des Umweltbewusstseins. Die Kapitel sieben, acht und neun dienen einer Zusammenfassung, dem Fazit und dem Literaturverzeichnis.

Auf den ersten 90 Seiten werden die Ergebnisse der Literaturrecherche thematisch zusammengefasst. Beate Kohler ergänzt im nächsten Kapitel das Thema mit einem Plädoyer für´s Draußenlernen, Gudula Ritz-Schulte beschreibt „Die Bedeutung von Naturerfahrung für die kindliche Entwicklung …“

Nach dem Textteil folgt eine umfangreiche Übersicht zu den ausgewerteten Veröffentlichungen. Dabei handelt es sich um sozial-empirische Untersuchungen. In Form einer Tabelle werden folgende Kriterien behandelt: Bibliografie, Forschungsziel/ -fragen, Methodisches Vorgehen, Rahmenbedingungen, Land / Ort – Stichprobe, Ergebnisse.

Inhalt

Fast 15 000 wissenschaftliche Veröffentlichungen wurden in dieser Metaanalyse gesichtet,115 Studien wurden dann ausgewählt. Unter „Methodisches Vorgehen“ werden die Fragestellungen, die Regeln der Recherche, die Quellenauswahl, die Suchbegriffe und Literaturdatenbanken beschrieben. Im dritten Kapitel werden Ergebnisse aus Studien zur mentalen Entwicklung von Kindern vorgestellt. Hier eine kleine Auswahl!

  • Empirische Studien beweisen, dass Grünpflanzen an der hinteren Wand des Kassenzimmers das Klassenklima verbessern.
  • Es gibt weniger Disziplinprobleme und geringere Krankheitszeiten.
  • Jede Woche ein Tag im Freien verbessert das Wohlbefinden der Kinder.
  • Viele Kinder mit ADHS fühlen sich im Wald wohler als in der Stadt.
  • Kinder mit mehr Natur in ihrer Umgebung sind psychisch weniger belastet.
  • Ähnlich positiv ist der Einfluss der Natur auf die Sozialkompetenz (4. Kapitel).
  • Kinder spielen in der Natur vielfältiger und intensiver. Dies fördert die kommunikativen Fähigkeiten und die Bereitschaft zur Kooperation.

Im 5. Kapitel erfahren wir etwas zur physischen Entwicklung. „Kinder mit viel Kontakt zur Natur sind weniger krank“ (S. 38), ihre motorischen Fähigkeiten sind besser entwickelt, und natürlich wirkt sich die Bewegung draußen positiv auf das Körpergewicht aus. Draußen sein und spielen führen zu einer größeren Naturverbundenheit (7. Kap.), zu mehr Wissen über die Natur, zu mehr Umweltbewusstsein. Die Ergebnisse werden in einer sehr verständlichen Tabelle (S. 61) zusammengefasst.

Beate Kohler stellt im nächsten Abschnitt die These auf: „Kinder brauchen Natur“. Das klingt nach einem Buch von Thomas Lang: „Kinder brauchen Abenteuer“ (München 2006), oder ganz ähnlich: „Kinder lieben Abenteuer“ (Schlehufer, München 2016). Man darf vermuten, das zeigen auch die Suchbegriffe (S. 11), dass Studien zur Erlebnispädagogik mit Kindern nicht berücksichtigt wurden. Obwohl es etwa 1000 Natur- und Waldkindergärten (S. 81) gibt, spielt Naturbildung immer noch eine geringe Rolle im deutschsprachigen Raum. Was die Schulen betrifft, gibt es durch die Draußenschule (von Au, Gade 2016; siehe auch:Youtube – „Draußenschule“) neue Impulse. Gudula Ritz-Schulte betrachtet die „kindliche Entwicklung aus der Perspektive der Psychologie“ (S. 89) und der Neuropsychologie.

Anschließend werden in Kapitel 12 115 Studien in alphabetischer Reihenfolge (nach AutorIn) vorgestellt in. Es handelt sich dabei um eine weltweit geführte Metaanalyse, die nicht auf europäische oder deutschsprache Forschungsergebnisse beschränkt ist.

Diskussion

Schon in der Einleitung wird klar, welche beeindruckende Fleißarbeit hier vorliegt. Sehr lobenswert ist, dass die Autoren die wichtigsten Ergebnisse knapp und verständlich im ersten Teil des Buches zusammengestellt haben. Erfreulicherweise haben sie auch den Methodenteil knapp gehalten, der ja bei vielen empirischen Studien oft recht ausführlich dargestellt wird. Man darf vermuten, das zeigen auch die Suchbegriffe (S. 11), dass Studien zur Erlebnispädagogik mit Kindern nicht berücksichtigt wurden. Das könnte in einer weiterführenden Studie, zu der die Autoren explizit auffordern, geleistet werden.

Fazit

Ohne Zweifel schließt diese Studie eine wichtige Lücke. Es liegen zahlreiche Publikationen zu Kindheit und Naturerlebnissen vor, die sich vor allem mit spielerischen Ansätzen, Methoden oder Naturerfahrungen beschäftigen. Nun gibt es zahlreiche empirische Ergebnisse zur Wirksamkeit des naturpädagogischen Ansatzes. Das Buch ist eine hervorragende Grundlage für alle Pädagoginnen und Pädagogen und Eltern, die naturpädagogisch interessiert sind, aber auch für Skeptiker und für Entscheider. „Das letzte Kind im Wald“ von Richard Louv hat in den USA seinen Weg in die höchsten Etagen von Politik und Wirtschaft gefunden; das wünscht man sich von diesem Buch auch.

Rezension von
Prof. Dr. Werner Michl
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Es gibt 37 Rezensionen von Werner Michl.

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Zitiervorschlag
Werner Michl. Rezension vom 03.03.2017 zu: Andreas Raith, Beate Kohler, Kurt Gschwind (Hrsg.): Startkapital Natur. Wie Naturerfahrung die kindliche Entwicklung fördert. oekom Verlag (München) 2014. ISBN 978-3-86581-692-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18122.php, Datum des Zugriffs 07.10.2024.


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