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Kelly G. Wilson, Kirk D. Strosahl u.a.: Acceptance & Commitment Therapie

Rezensiert von Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos, 19.05.2015

Cover Kelly G. Wilson, Kirk D. Strosahl u.a.: Acceptance & Commitment Therapie ISBN 978-3-87387-980-5

Kelly G. Wilson, Kirk D. Strosahl, Steven C. Hayes: Acceptance & Commitment Therapie. Achtsamkeitsbasierte Veränderungen in Theorie und Praxis. Buch + E-Book. Junfermann Verlag GmbH (Paderborn) 2013. 450 Seiten. ISBN 978-3-87387-980-5. D: 49,90 EUR, A: 51,30 EUR, CH: 66,90 sFr.

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Thema

Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit einer Weiterentwicklung der (kognitiven) Verhaltenstherapie – der Akzeptanz-Commitment- Therapie (ACT) nach Hayes. Diese stellt in den Focus der Intervention, Prozesse von Schmerz und Leid nicht energievoll abzuwehren und hieran letztlich zu scheitern (und im Leid dadurch festzustecken!), sondern zu lernen, Gefühle anzunehmen, sie als Bestandteil des Lebens zu akzeptieren und dadurch die Energie und Verantwortung „frei“ zu haben, sich auf Werte, Ziele zu orientieren und diese durch konkretes Handeln anzustreben. Das Buch stellt die überarbeitete Neuauflage des erstmals 1999 erschienen Grundlagenwerkes in zudem neuer Übersetzung dar.

Autoren

  • Stephen S. Hayes ist Professor für Psychologie an der University of Nevada und kann zurecht als einer der Begründer der ACT gelten.
  • Kirk D. Strosahl ist ebenfalls Psychologe. Er arbeitet an der Central Washington Family Medicine in Yacima, Washington.
  • Kelly. G. Wilson ist Assistenzprofesssor für Psychologie an der Universitiy of Missisippi.

Beteiligt mit einem längeren integrierten Artikel ist auch Emily K.Sandoz- sie ist Assistant Professor für Psychologie an der University of Louisiana in Lafayette.

Entstehungshintergrund

Auf der Basis der früheren Veröffentlichungen zum Thema stellen die Autoren die Entwicklung der vergangene Jahre vor. Hierbei legen sie Wert darauf, den sprachtheo-retischen Hintergrund der ACT- den funktionelle Kontextualismus einerseits, die Relational Frame Theory (Bezugsrahmentheorie), RFT, andererseits dazustellen. Hauptinhalt ist allerdings eine neue Systematisierung der ACT, die die Autoren entlang von sechs Schlüsselfaktoren und deren Wechselwirkung entwickeln und deren Zusammenwirken letztlich das Hauptkonzept „gesunden“ psychischen Funktionierens ausmacht, nämlich das Konzept der „psychischen Flexibilität“.

Aufbau und Inhalt

Nach Vorwort und Danksagungen ist das Buch in 13 Kapiteln untergliedert, die wiederum in 4 Teilen organisiert sind. Literatur- und Sachregister schließen sich an.

Der Autoren nennen Teil 1 (für ein ausführliches Inhaltsverzeichnis siehe gerne www.junfermann.de/_files_media) „Das Modell und seine Grundlagen“. Hierin wird in Kap. 1 eine knappe, pronouncierte Darstellung eines veränderten Gesundheits- und Krankheitsmodell vorgestellt, wie es für ACT handlungsleitend ist: menschliches Leid wird hierbei nicht per se als Zeichen von Pathologie bewertet, sondern als „normaler“ Ausdruck menschlichen Seins- seine „Bekämpfung“ erscheint das eigentliche Problem und macht deutlich, wie wesentlich die Prozesse des Accept, Choose und Take Action (ACT) in der Behandlung von Leid sein können. Kap. 2 beschäftigt sich darauf aufbauend mit den wissenschaftstheoretischen Grundlagen der ACT, wie die Autoren sie einerseits in den funktional-kontextuellen Ansätzen und in der RFT sehen. Kontextualismus ist ein ganzheitlicher Ansatz in der Tradition des Pragmatismus – das Ganze wird in Bezug auf den Kontext gesehen und nicht analytisch zergliedert. Das Wesen der Handlung wird von den beabsichtigten Folgen her definiert; Wahrheit ist also pragmatisch - sie wird vom Ergebnis der Handlung definiert, ist zweckorientiert. Der andere Grundstein der ACT- die RFT- versteht sich als umfassende Darstellung der Sprache und der höheren Kognitionen und deren Funktion in der Verhaltenssteuerung. Nach ihr kann z.B. Furcht durch die sprachliche Bezeichnung eines Objektes erzeugt werden, ohne dass ein direkter Kontakt zwischen sprachlicher Lautäußerung und Emotion jemals stattgefunden hat.

Im 3. Kapitel des ersten Teils stellen die Autoren „Psychische Flexibilität“ als übergreifendes Modell menschlicher Handlungsfähigkeit vor. Diese besteht aus sechs Faktoren, die einerseits Gesundheit gewährleisten, andererseits verschoben sein können und so Krankheit bedingen. Die sechs Faktoren in ihrer gesunden Ausprägung sind einerseits Prozesse der Achtsamkeit und Akzeptanz (Akzeptanz, Defusion und Selbst-als Kontext), andererseits Commitment- und Verhaltensaktivierungsprogramme ( Engagiertes Handeln, Werte und Flexible Achtsamkeit für den gegenwärtigen Augenblick).

Der zweite Teil des Buches befasst sich in drei Kapitel mit der Analyse des unbefriedigenden Verhaltens, mit denen der Patient/Klient in die Therapie kommt, mit der Klärung und Entscheidung von und für Interventionsansätze. Wesentlich hierbei sind die Prozesse des Fallkonzeptes, der Herstellung einer die Veränderung unterstützenden therapeutischen Beziehung und schließlich die Auseinandersetzung mit „Denken vs. Erfahrung“.

Der 3. Teil des Werkes befasst sich mit den schon oben genannten Kernprozessen therapeutischer Veränderung, die hier ausführlich und erläutert an Beispielen vorgestellt werden: Gewahrsein des gegenwärtigen Augenblickes (dieses Kapitel geschrieben von Emily K.Sandoz ), Dimensionen des Selbst, Defusion, Akzeptanz, Verbundenheit mit Werten, Engagiertes Handeln. Im Kap 9 (Defusion) wird bspw. erläutert, wie die Fusion ( die „Verschmelzung“, die Tatsache,automatisch und selbstverständlich mit der sog. Wortmaschine verbunden zu sein ) gelöst werden kann, und dadurch mehr Flexibilität und Orientierung am gegenwärtigen Augenblick und den mit ihm verbundenen Gefühlen zu sein. Hierfür müssen dem Betroffenen die Grenzen der Sprache bewusst werden- dies geschieht an erläuternden Beispielen und Übungen-, er muss lernen, die beurteilenden Aspekte der Sprache zu durchschauen und sich von ihnen zu emanzipieren und auch das geschieht mit verschiedenen Übungen, die die Autorin vorstellt.

Weil die ACT sich als wissenschaftlich fundierte Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie sieht, legt sie erfreulicherweise Wert auf Entwicklung und Evaluation – im Teil 4 des Buches werden solche Ansätze und Unternehmungen vorgestellt, so bspw. die sog. CBS - „ Die CBS ist ein naturalistischer, induktiver Ansatz zur Systembildung in der Verhaltenswissenschaft, der die Evolution historisch und situativ eingebetteten Handelns betont und diese über die Ebene der Analyse hinaus in die Wissensentwicklung selbst ausdehnt“ (S. 418) Die Autoren nennen hier Entwicklungslinien in Form von 9 Thesen, die sie anschließend ausführen.

Diskussion

In dieser Buchbesprechung kann und soll keine Auseinandersetzung mit ACT grundsätzlicher Art erfolgen. Der Hinwies darauf, dass diese Methode Anerkennung und rasche Verbreitung findet, zeigt allerdings, dass hier ein „Nerv“ getroffen wurde: ACT wendet sich gegen die „Abschaffung von Leid“ durch Therapie und legt hierzu Methoden vor, die von ihrem leitenden Menschenbild her, durch ihre theoretische Fundierung und mit ihrem respektvollen Umgang zwischen Klient und Therapeut eine Bereicherung für die Psychotherapie und ihre Entwicklung darstellt. Gegenüber früheren Publikationen erscheint insbesondere das Konzept der sechs Kernprozesse das Verständnis für diesen Verhaltenstherapie-Ansatz zu erleichtern; das Ziel insgesamt, psychische Flexibilität zu erhöhen, erscheint gut kompatibel mit anderen psychotherapeutischen Modellen, z.B. dem Konzept der Konsistenz in Grawes „Neuropsychotherapie“. Auch das handlungsleitende Menschenbild und eine Sicht, die menschliches Leid nicht vorschnell pathologisiert und medikalisiert, erschient zeitgemäß, die Fundierung im Kontext eines pragmatischen Funktionalismus und der Bezugsrahmentheorie überzeugend. Schön, dass die Autoren gerade im Praxisteil 3 die therapeutischen Kernprozesse mit Beispielen und Übungen erläutern. Auch wenn in der vorliegenden Neuauflage die Übersetzung ggü. der Erstauflage verbessert ist, muss doch manche Seite zweifach gelesen werden, wenn sie in der deutschen Übersetzung verstanden werden soll.

Fazit

Eine stringent entwickelte, theoretisch und didaktisch gut aufbereitete und durch Praxisbeispiele anschauliche Darstellung eines methodisch wertvollen Ansatzes für die Psychotherapie-Praxis.

Rezension von
Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos
Hochschullehrer Hochschule Fulda, Fachbereich Sozialwesen, seit 31.8.2011 pensioniert
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Zitiervorschlag
Christian Schulte-Cloos. Rezension vom 19.05.2015 zu: Kelly G. Wilson, Kirk D. Strosahl, Steven C. Hayes: Acceptance & Commitment Therapie. Achtsamkeitsbasierte Veränderungen in Theorie und Praxis. Buch + E-Book. Junfermann Verlag GmbH (Paderborn) 2013. ISBN 978-3-87387-980-5. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18124.php, Datum des Zugriffs 28.05.2023.


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