Benjamin Beil: Game Studies
Rezensiert von Prof. Dr. Franco Rau, René Lipkowsky, 06.02.2015

Benjamin Beil: Game Studies. Eine Einführung. Lit Verlag (Berlin, Münster, Wien, Zürich, London) 2013. 96 Seiten. ISBN 978-3-643-12056-4. 9,80 EUR.
Thema
Das Ziel des vorliegenden Buches ist es, dem Leser den Einstieg in das facettenreiche Feld der „Game Studies“ zu erleichtern. Dafür bietet Benjamin Beil mit seinem 90-seitigen Red Guide „einen kleinen medien(kultur)wissenschaftlichen – teils kursorischen, teils exemplarisch vertiefenden – Einblick“ (S. 2). Mit dem Begriff „Game Studies“ wird hier zum einen die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Computerspielen gefasst. Zum anderen versteht Beil die „Game Studies“ als eigene (aber noch junge) akademische Disziplin. Das Ziel dieser Disziplin ist es Computerspiele in Ihrer Komplexität zu erfassen und zu verstehen.
Autor
Benjamin Beil ist Jun.-Professor für Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Digitalkulturen am Institut für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln. Zu seinen Schwerpunkten in Lehre und Forschung gehören Game Studies, Digitaler Film, Fernsehserien, Partizipative Medienkulturen sowie Inter- und Transmedialität. So forscht Benjamin Beil derzeit u.a. zu „Modding und Editor-Games. Partizipative Praktiken mediatisierter Welten“ im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogrammes „Mediatisierte Welten: Kommunikation im medialen und gesellschaftlichen Wandel“.
Aufbau und Inhalt
„Game Studies. Eine Einführung“ ist – exklusive Einleitung und Ausblick – in fünf Kapitel unterteilt.
Im Anschluss an die Einleitung beginnt Beil seine Einführung mit dem Kapitel „Geschichte(n): Die Entwicklung des Computerspiels“. Startpunkt des kurzen historischen Überblicks ist das Spiel „Tennis for Two“ aus dem Jahr 1958. Über Arcadeautomaten in Spielhallen sowie die 1975 erschienene PONG-Konsole endet der geschichtliche Ausblick bei Konsolen der Generation HD sowie einem Ausblick zu Mobile Games. Ebenfalls in diesem Kapitel enthalten ist eine Vertiefung zum Thema „Retro Gaming“. Unterschieden werden dabei Remakes, Retro-Remakes und Retro-NextGen-Hybrid, wie anhand von den Beispielen Bionic Cammando (1988 und 2008) und MegaMan (1987 und 2010) verdeutlicht wird.
Im zweiten Kapitel „Diskurs(e): Ansätze der Computerspielforschung“ beschreibt Beil das Feld der Game Studies als jungen Forschungsbereich mit vielen interdisziplinären Verzweigungen, welcher sich noch in der Konsolidierungsphase befindet. So lassen sich verschiedene Forschungsschwerpunkte auf die Heimatdisziplinen der Spieleforscher zurückführen. Die Unterschiedlichkeit der aktuellen Forschungsansätze ergibt sich für Beil zudem durch die jeweils unterschiedliche Konstruktion des Untersuchungsgegenstandes. Als exemplarische Vertiefung in diesem Kapitel wird der „Streit zwischen Ludologen und Narratologen“ thematisiert. Beil beschreibt die beiden Positionen hinsichtlich ihrer Perspektive auf Computerspiele und den damit verbunden Forschungsmethoden. Um die innovative Qualität der Spiele zu erfassen, erscheint es für Beil lohnenswert, den Analysefokus auf die Hybridstruktur des Computerspiels zu legen, da sich diese nicht mehr nur durch Spiel oder Erzählung beschreiben lässt.
Mit dem drittem Kapitel „Analyse(n) I: Medialität & Intermedialität“ unternimmt Beil den Versuch, die Interdisziplinarität der Game Studies anhand von zwei Beispielen zu verdeutlichen: (1.) Einem Vergleich zwischen Computerspiel und Film und (2.) einer differenzierten Betrachtung von Genresystemen zur Kategorisierung von Spielen. Die Frage, wie ein intermedialer Vergleich überhaupt gelingen kann, beantwortet Beil mit der Beschränkung des Vergleichs auf kleine Einheiten, wie z.B. „bestimmte mediale Stilformen“ (S. 35). Bei der vertiefenden Betrachtung von Genresystemen wird u.a. sichtbar, wie eine Computerspielanalyse unter verschiedenen Gesichtspunkten und Kriterien erfolgen kann. Mit seiner exemplarischen Kritik am Genre-Konzept versucht Beil den Hybridcharakter von Computerspielen erneut zu verdeutlichen.
Anknüpfend an die vorherigen Ausführungen widmet sich Beil im vierten Kapitel „Analyse(n) II: Bildräume und Spielräume“ vertiefend den Kategorien des Raumes und der Perspektive. Wie an verschiedenen Beispielen gezeigt wird, erlauben diese Beschreibungskriterien die Unterscheidung von Computerspielen hinsichtlich ihrer Darstellungsformen. Die anschließende Vertiefung zum Thema „Selbreflexive Computerspielbilder“ beginnt mit der Diskussion der Fragestellung „Was zeigt ein Computerspiel?“ (S. 55). Die Komplexität des Computerspielbildes sieht Beil insbesondere in der Verschmelzung verschiedener Bildstile. Zudem wird gezeigt, dass Computerspiele nicht nur intermediale Formzitate schaffen, sondern auch eigene Bildstile hervorbringen können.
Im fünften Kapitel „Kultur(en): Gaming Cultures“ thematisiert Beil Themenbereiche, welche mitunter über das eigentliche Computerspiel hinausgehen. Zu diesen Bereichen zählen Merchandising-Produkte, e-Sport und Serious Games. Den vertiefenden Punkt „Modding“ leitet Beil mit der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Computerspiel ein und zeigt von Stephan Schwingeler die vier Arten von selbstreflexiven Strategien des Computerspielens. Insbesondere widmet er sich den Fragen „Was sind Mods?“, „Wer erstellt Mods?“ und geht kurz auf die Geschichte der Mods ein. Mit den Beispielen von „Little Big Planet“ und „Minecraft“ zeigt Beil zwei bekannte Spiele, welche bewusst „mit dem Spiel spielen“.
Diskussion
Das vorliegende Buch „Game Studies. Eine Einführung“ hält, was es (in der Einleitung) verspricht: Es bietet einen ersten Einblick in die (medienkulturwissenschaftliche) Computerspielforschung. In einer leicht verständlichen Sprache gelingt es Beil, ausgewählte Bereiche der „Game Studies“ zu skizzieren und mit anschaulichen Spielbeispielen und Hinweisen auf weiterführende Literatur anzureichern. Mit 90 Seiten ist das vorliegende Büchlein allerdings auch überschaubar im Umfang. Vermutlich ist es dem begrenzten Seitumfang geschuldet, dass einige Fragen unbeantwortet bleiben. Nach welchen Kriterien der Autor die Auswahl der skizzierten Bereiche vorgenommen hat, wird beispielsweise kaum expliziert. Vor dem Hintergrund, dass Beil die Game Studies als ein interdisziplinäres Forschungsgebiet markiert, vermag es zudem zu überraschen, dass Bezüge zu weiteren disziplinären Zugängen (z.B. der pädagogischen oder psychologischen Computerspielforschung) eher ausbleiben. Vor dem Hintergrund, dass Beil bereits im Vorwort darauf hinweist, dass er mit seinem Buch nicht den Anspruch verfolgt, ein umfassendes Handbuch zu verfassen, sind dem Werk die benannten Kritikpunkte nicht als Manko auszulegen.
Fazit
Ein gut lesbares - im Red Guide Format übliches – Buch, welches einen ersten Einblick in die (medienkulturwissenschaftliche) Computerspielforschung bietet und mit anschaulichen Beispielen versehen ist. Für Personen, die bisher nur wenige Berührungspunkte mit dem Bereich Game Studies haben sowie für Computerspielforscher, welche sich bisher nicht mit einer medien(kultur)wissenschaftlichen Perspektive auseinandersetzen konnten, dürfte das Buch sicher lesenswert sein.
Lesenswert erscheint das Buch zudem für diejenigen, die eine Diskussion von Computerspielen bisher nur in Verbindung mit bewahrpädagogischen Argumenten kennen (z.B. aufgrund einer angeblichen gewaltfördernden Wirkung). So gelingt es Beil an verschiedenen exemplarischen Vertiefungen deutlich zu machen, dass Game Studies weit über simple Ursache-Wirkungs-Zuschreibungen hinausgehen.
Rezension von
Prof. Dr. Franco Rau
Professor für Mediendidaktik an der Universität Vechta
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René Lipkowsky
TU Darmstadt
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