Ernst Wolff: Weltmacht IWF
Rezensiert von Prof. Dr. Georg Auernheimer, 26.02.2015

Ernst Wolff: Weltmacht IWF. Chronik eines Raubzugs. Tectum-Verlag (Marburg) 2014. 234 Seiten. ISBN 978-3-8288-3329-6. D: 17,95 EUR, A: 18,50 EUR.
Thema
Der Internationale Währungsfonds, neben der Weltbankgruppe eine der am Ende des Zweiten Weltkriegs in Bretton Woods gegründeten supranationalen Institutionen, ist immer wieder wegen seiner Finanzpolitik in die Kritik geraten. Die europäische Öffentlichkeit ist aktuell durch die Politik der sog. Troika gegenüber den verschuldeten Mittelmeeranrainern auf den IWF aufmerksam geworden. Der Autor rekapituliert die Geschichte des IWF seit der Nachkriegszeit und zeichnet sehr genau die Praktiken der Kreditvergabe und ihre Folgen nach.
Autor
Der Autor ist Journalist, den nach Auskunft im Klappentext seit Jahrzehnten die Wechselbeziehung zwischen Wirtschaft und Politik beschäftigt.
Aufbau und Inhalt
In chronologischer Reihenfolge verfolgt der Vf. im ersten Teil die Politik des IWF von seiner Gründung an bis zur Argentinien-Krise am Ende des vorigen Jahrhunderts. Nach einer kurzen Fotodokumentation werden im zweiten Teil die Finanzhilfen für europäische Staaten seit der Krise von 2007/2008 kritisch beleuchtet.
Im ersten Kapitel „Die Konferenz von Bretton-Woods“ skizziert der Vf. die historische Situation nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, aus dem die USA auch in ökonomischer Hinsicht als „unumstrittener Sieger“ (14) hervorgegangen waren, was ihre Führungsrolle bei den Verhandlungen über die Nachkriegsordnung bedingte. Ein zentrales Element der neuen Weltwirtschaftordnung war die Vereinbarung fester Wechselkurse mit Bindung an den US-Dollar. Dazu kamen IWF und Weltbank als supranationale Institutionen zur Verhinderung der Zahlungsunfähigkeit von Staaten. Der Vf. referiert in Kurzform die ursprünglichen Statuten des IWF.
Im zweiten Kapitel „Der Nachkriegsboom“ wird die Einführung von Kontrollmechanismen seitens des IWF geschildert, der damit zunehmend Macht gewann. Er prüfte die Kreditwürdigkeit von Staaten und zahlte Gelder nur in Tranchen gemäß Auflagen aus (Prinzipien der Konditionalität u. Phasing). Eine Folge war, dass das Gütesiegel des IWF generell zum Kriterium für die Finanzierung von Staaten auf dem Finanzmarkt wurde (23). Um die ersten Ansätze einer Entdemokratisierung zu beleuchten, erwähnt der Vf. auch den „Pariser Club“, ein regelmäßiges Treffen von IWF und Gläubigerstaaten, das zu einem informellen politischen Organ „abseits von Parlamenten“ wurde (ebd.).
Im dritten Kapitel „Die siebziger Jahre“ wird an das Ende des Bretton-Woods-Systems, d.h. die Einführung gleitender Wechselkurse, und an die Ölkrise erinnert. Zusammen mit der Zinsanhebung seitens der US-Zentralbank brachte dies die Entwicklungsländer in Bedrängnis. Und nach dem Militärputsch wurde Chile zum Testfall für ein neoliberales Programm.
In diesem Geist verfügte der IWF ab 1979 seine Strukturanpassungsprogramme zur Durchsetzung von „Good Governance“, deren Folgen im vierten Kapitel verdeutlicht werden. Zentral war die Forderung von Austerität, um die Bedienung der Kredite für die Gläubiger sicherzustellen.
In den folgenden Kapiteln geht der Vf. auf den jeweiligen Umgang des IWF mit den Staaten ein, die in den letzten zwei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts in die Krise geraten oder gedrängt worden waren, nämlich mit Russland, Südafrika, Jugoslawien, Argentinien und die südostasiatischen Staaten. Ein Kapitel behandelt besonders die verfehlten Rezepte für die hoch verschuldeten armen Länder, wobei der Vf. dem IWF und der Weltbank nicht einfach Versagen unterstellt, sondern die Absicht, Staaten „in die Schuldenfalle“ zu locken (99).
Der zweite Teil des Buches wird mit einem Kapitel über „Globalisierung und Finanzialisierung“ eröffnet. Der Vf. geht auf die grundlegend veränderte Konstellation seit der Auflösung des Bretton-Wood-Systems ein, später nach der Implosion der Sowjetunion ergänzt um die Globalisierung des kapitalistischen Systems. Die Förderung von Devisenspekulationen und die generelle Deregulierung der Finanzmärkte, u.a. das Ende des Trennbanken-Systems, verliehen dem Finanzsektor eine völlig neue ökonomische Bedeutung. Der IWF habe sich in diesem Rahmen „gewissermaßen zum globalen Investitionswegweiser“ gemausert, so der Vf.
Im darauf folgenden Kapitel werden die Ursachen der Finanzkrise von 2007/2008 benannt, um dann in weiteren Kapiteln aufzuzeigen, wie der IWF nun, beginnend mit Island, „Europa ins Visier“ genommen hat (145). In Irland hat der IWF nach dem Urteil des Vf. zum ersten Mal wieder „eine Armutsexplosion in Europa“ verschuldet (155). Die Politik der Troika wird speziell auch am Fall Griechenland kritisch beleuchtet. Insgesamt zieht der Vf. eine düstere Bilanz („Schuldenberge, soziale Ungleichheit“), verweist aber auch auf den breiten Widerstand in den besonders betroffenen Ländern, ohne die Erfolgsaussichten allzu euphorisch zu bewerten. Am Schluss geht der Vf. auf die besondere Rolle Deutschlands ein, was ökonomische Stärke und politischen Einfluss, z.B. im Gouverneursrat des IWF, betrifft.
Diskussion
Der Vf. erhebt für seine kritische Analyse der IWF-Politik keinen wissenschaftlichen Anspruch, wie auch der etwas reißerische Untertitel signalisiert. Ungeachtet dessen steht die Publikation, was Gründlichkeit der Recherche betrifft, wissenschaftlichen Studien in nichts nach. Nicht anders als dort formuliert der Vf. auch zwei leitende Annahmen am Anfang seiner Ausführungen, für die er den Nachweis erbringen will: „Keine andere Finanzorganisation hat im vergangenen halben Jahrhundert so tief in das Leben so vieler Menschen eingegriffen wie der Internationale Währungsfonds (IWF)“ (Vorwort, 9). Und: „Wo immer er einschreitet, greift er in die Souveränität von Staaten ein“ (ebd.). Für beide Aussagen würde er auch die Zustimmung vieler Sozialwissenschaftler/innen erhalten.
Fazit
Ein äußerst lesenswertes Buch. Empfehlenswert für die in sozialen Diensten Beschäftigten, für Studierende der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und für politische Aktivisten und Aktivistinnen, aber nicht nur für sie.
Rezension von
Prof. Dr. Georg Auernheimer
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Zitiervorschlag
Georg Auernheimer. Rezension vom 26.02.2015 zu:
Ernst Wolff: Weltmacht IWF. Chronik eines Raubzugs. Tectum-Verlag
(Marburg) 2014.
ISBN 978-3-8288-3329-6.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18176.php, Datum des Zugriffs 09.06.2023.
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