Hartmut Gerstein: Kleine Rechtskunde für pädagogische Fachkräfte in Kitas
Rezensiert von Kerstin Pack, 12.01.2015

Hartmut Gerstein: Kleine Rechtskunde für pädagogische Fachkräfte in Kitas. Cornelsen Verlag GmbH (Berlin) 2014. 156 Seiten. ISBN 978-3-589-24888-9. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 30,70 sFr.
Thema
Pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen übernehmen die Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern im Alter von 0-6 Jahren. Aktuelle Zahlen ergeben eine wöchentliche Betreuungszeit von mehr als 45% von Kindern unter drei Jahren. Aufgrund der steigenden quantitativen und qualitativen Anforderungen ist ein rechtliches, praxisorientiertes Grundlagenwissen in der sozialpädagogischen Arbeit mit Kindern unerlässlich.
Autor
Der Autor ist Lehrbeauftragter an der Hochschule Koblenz u. dort im Fernstudiengang „Bildungs- und Sozialmanagement mit Schwerpunkt frühe Kindheit“ zuständig für das Modul „Spezielle Rechtsfragen für Leitungskräfte in Kindertageseinrichtungen“.
Als gelernter Jurist arbeitet er bei der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) als Referent für Rechts- und Organisationsfragen in der Jugendhilfe und war neun Jahre Leiter des Referats „Kindertagesstätten und Kindertagespflege“ im Landesjugendamt Rheinland-Pfalz.
Aufbau
In 16 Kapiteln werden sowohl einzelne Bereiche des SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfegesetz – als auch rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen behandelt. Die theoretischen Ausführungen werden durch Beispiele aus der Praxis und Zeichnungen untermalt.
Inhalt
Angelehnt an den Aufbau des SGB VIII werden zu Beginn (Kapitel 1 bis 4) Basisinformationen zu Recht und Gesetz in Deutschland vermittelt.
Im 1. Kapitel wird die gesellschaftliche Bedeutung der gesetzlichen und rechtlichen Grundlage erläutert. So wird z.B. der Unterschied zwischen Grundgesetz, Landesverfassungen, Kommunal Recht und privatem und öffentlichen Recht dargestellt. Anhand eines Beispiels aus der Kitapraxis, werden die zugrundeliegenden Rechtsvorschriften dieses Falles diskutiert.
Im 2. Kapitel werden zunächst die unterschiedlichen Positionen von Eltern, Kindern und Staat in der Rechtsprechung verdeutlicht. In einem zweiten Punkt werden die Inhalte und die Verpflichtungen der einzelnen Staaten im Rahmen der UN-Kinderrechtskonvention beschrieben. Der hohe Stellenwert und die Besonderheiten der Elternrechte und -pflichten stehen im Mittelpunkt des dritten Punktes. Eine Abbildung zeigt die gesetzlichen Einordnungen von Eltern, Staat und Kindern. Anhand eines Beispiels aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird deutlich, dass der Staat keine Möglichkeit hat, gegen den Willen der Eltern, für die angemessene und optimale Förderung des Kindes zu sorgen.
Das 3. Kapitel beginnt mit einer historischen Betrachtung und der Klärung von einzelnen Begriffen des Kinder- und Jugendhilferechtes (KJHG). In einem Unterpunkt werden der Verlauf und der Leitgedanke zur Reform des KJHG von 1990/91 bis Heute dargestellt.
Im 4. Kapitel werden die wichtigen Grundprinzipien des Kinder- und Jugendhilferechts und deren Verbindung, bzw. Verankerung in den bundesdeutschen Gesetzen vorgestellt. In einem zweiten Punkt werden die unterschiedlichen, gesetzlichen Grundlagen (GG, UN-KRK, SGBVII) zu der Beteiligung von Kindern aufgeführt. Der dritte Punkt dieses Kapitels beschäftigt sich mit dem Wunsch- und Wahlrecht als „wichtigstes Prinzip der Kinder- und Jugendhilfe“, beispielhaft erläutert, anhand des Wunsches einer Familie nach Betreuung für ihren Sohn durch eine Tagespflegeperson. Die vier abschließenden Punkte stellen ebenfalls grundlegende Prinzipien des KJHG vor. Wie weitreichend die Einflussmöglichkeiten einer Kita im Kommunalbereich sind, wird unter dem Punkt „Einmischungsauftrag“ erläutert. Die gesetzlichen Grundlagen zu Trägervielfalt und der Relevanz der freien Träger werden in dem Punkt „Trägerautonomie“ verdeutlicht. Ergänzend dazu wird das „Subsidiaritätsprinzip“ – als historisch gewachsenes Prinzip zur Vorrangigkeit der Angebote von freien Trägern – und die in diesem Zusammenhang stehende Gesamtverantwortung der öffentlichen Jugendhilfe erläutert.
Kapitel 5 ist in zwei Punkte unterteilt, die die gesetzlich festgelegten Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe aufzählen. In einem ersten Punkt beschreibt der Autor die präventiven Angebote zur Stärkung der elterlichen Erziehungsverantwortung und den Rechtsanspruch auf Beratung in Fragen der Partnerschaft, wie z.B. bei Trennung oder Scheidung. In einem zweiten Punkt geht er auf die unterschiedlichen Leistungen der Einzelfallhilfe und den sich daraus ergebenen Rechtsanspruch auf Hilfen zur Erziehung näher ein.
Im 6. Kapitel werden die Grundsätze der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und der Tagespflege und der sich daraus ableitende Auftrag für Einrichtungen und Tagespflege beschrieben. Der Autor kommentiert darüber hinaus einzelne Aspekte der Qualitätsentwicklung, wie z.B. das „Bild vom Kind“. In einem zweiten Punkt dieses Kapitels stellt der Autor anhand von Beispielen aus der Kindergarten-Praxis rechtliche Überlegungen zu den spezifischen Vorschriften und Aufträgen an.
In Kapitel 7 werden, nach einer kurzen Einführung zu den unterschiedlichen Landesgesetzgebungen, in acht Unterpunkten, die gesetzlichen Ansprüche von Kindern unterschiedlichen Alters vorgestellt, erläutert und teilweise kommentiert. Im Mittelpunkt stehen dabei die individuellen Rechtsansprüchen für Ein- und Dreijährige, so wie die Bereitstellung von Betreuungsangeboten von Schulkindern und Kindern mit Behinderungen.
Das 8. Kapitel befasst sich mit dem Thema „Tagespflege“, als gesetzlich festgelegte Alternative zur Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern in Kindertagesstätten. Leistungen, Zuständigkeiten, Eignungskriterien und Leistungsvoraussetzungen werden anhand von Grafiken und Fallbeispielen vorgestellt und diskutiert.
Umfassend wird im Kapitel 9 das Thema Kindeswohl und Kinderschutz behandelt. Unterteilt in 3 Unterpunkte mit insgesamt ca. 20 Seiten, wird sowohl der bekannte §8a SGB VIII, als auch andere gesetzliche Bestimmungen und Vorschriften zu Betriebserlaubnis und dem Schutz von Kindern in der Einrichtung vorgestellt und mit Beispielen und eigenen Kommentaren des Autors erläutert.
In Kapitel 10 werden die Themen Aufsichtspflicht, Haftung, gesetzliche Unfallversicherung ebenfalls in 7 Einzelkapiteln, ausführlich mit den entsprechenden unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen erläutert.
In Kapitel 11 werden kurz die Organisation und die Aufgaben von Jugendamt und Landesjugendamt skizziert. Eine tabellarische Darstellung der beiden Aufgabenschwerpunkte verdeutlicht die Arbeit des Jugendamtes als Leistungs- und Eingriffsbehörde.
In Kapitel 12 wird die Bedarfsplanung und Finanzierung als Teil der Jugendhilfeplanung und deren rechtliche Verankerung dargestellt. Der Autor beschreibt die besondere Herausforderung für die Behörden bei der Bedarfsplanung.
In Kapitel 13 werden datenschutzrechtliche Fragen, wie z.B. das Recht am eigenen Bild behandelt. In 9 Unterpunkten wird dem Leser ein Überblick zu den unterschiedlichen Rechtsquellen des Datenschutzes gegeben. Daneben werden die aktuellen Fragen des Datenschutzes behandelt, wie z.B. die Grundsätze der Datenverarbeitung und -speicherung. Explizit geht der Autor auf die Frage nach der Zulässigkeit von Beobachtung und Dokumentation und Fotos und Videoaufnahmen in Kindertageseinrichtungen ein.
Das Kapitel 14 „Familienrechtliche Grundlagen“ ist in 8 Unterpunkte unterteilt und ist mit insgesamt 12 Seiten ein Schwerpunkt des Buches. Orientiert an den Fragen, die sich in der Praxis zu der Arbeit mit getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern ergeben, werden Fragen beantwortet, wie z.B. „Wer darf nach einer Scheidung das Kind aus der Kita abholen?“ Anhand einzelner Paragraphen aus den unterschiedlichen, gesetzlichen Grundlagen werden rechtlich abgesicherte Vorgehensweisen erläutert.
Das Kapitel 15 mit den Unterpunkten Arbeitsvertrag, Tarifrecht, Mitbestimmung und das Kapitel 16 mit den Unterpunkten Literatur- und Internetempfehlungen, bilden mit insgesamt 10 Seiten den überschaubaren Abschluss.
Diskussion
Die beschriebenen, gesetzlichen Grundlagen sind für die Arbeit in der Kindertagesstätte von größter Relevanz. Direkt zu Beginn des Buches wird deutlich, welchen großen Einfluss das Recht und die Gesetzgebung auf unser gemeinsames Leben haben. So wird der häufig als trocken empfundenen Gesetzestext auch durch zahlreiche Beispiele und Illustrationen zu einer interessanten Lektüre.
Fazit
Ein unerlässlicher Ratgeber nicht nur für die Einrichtungsleitung einer Kindertagesstätte.
Rezension von
Kerstin Pack
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