Adolf Timm, Klaus Hurrelmann: Stark in die Schule
Rezensiert von Dipl. Soz-Päd. Sonja Alberti, 24.07.2015
Adolf Timm, Klaus Hurrelmann: Stark in die Schule. Was Kinder vor der Einschulung brauchen. 9 Kompetenzen für den Schulerfolg. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2015. 223 Seiten. ISBN 978-3-407-85993-8. D: 14,95 EUR, A: 15,40 EUR, CH: 21,30 sFr.
Thema
Was brauchen Kinder in unserer heutigen Zeit um auf die Schule gut vorbereitet zu sein und sich während ihrer Schulzeit gut zu entwickeln und ihre Kompetenzen möglichst gut ausbilden zu können? Dieser Frage gehen die Autoren in dem vorliegenden Buch nach und legen eine gut durchdachte Übersicht vor, in der die neun wichtigsten Kompetenzen für den Schulerfolg erläutert werden.
Autoren
Adolf Timm war in der Lehrerbildung in Schleswig-Holstein tätig und als Schulleiter. Als Buchautor und Entwickler des Elterntrainings „Die Gesetze des Schulerfolgs (GdS)“ setzt er sich für eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen Eltern, Erzieher/innen und Lehrer/innen ein.
Klaus Hurrelmann ist Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin und Autor zahlreicher Veröffentlichungen in den Themengebieten der Kindheits- und Jugendforschung, der Sozialisationstheorien, der Gesundheitswissenschaft und der Bildungsarbeit.
Aufbau
Nach einem Vorwort gliedert sich das Buch in neun Kapitel, die sich mit jeweils einer der neun Kompetenzen für den Schulerfolg auseinandersetzen. In einem Abschlusskapitel wird auf die Bedeutung der Familie als erstem Bildungsort für Kinder verwiesen.
Inhalt
Im Vorwort erläutert Klaus Hurrelmann die drei A des Magischen Erziehungsdreiecks. Anerkennung, Anregung und Anleitung werden als die wichtigsten Bausteine einer gelingenden Erziehung dargestellt und die Notwendigkeit einer guten Balance zwischen diesen dreien herausgearbeitet. Innerhalb dieses Erziehungsdreiecks finden sich dann auch die neun Kompetenzen, die laut der Autoren für den Schulerfolg grundlegend wichtig sind.
Im ersten Kapitel wird das Thema „Neugier“ behandelt. Alle Kinder sind neugierig, möchten lernen und sich weiter entwickeln. Diese erste der neun Kompetenzen gilt es also zu erhalten und immer wieder anzuregen. Kinder, die früh erkennen dass ihre Entdeckungsfreude wahrgenommen und unterstützt wird, erfahren dadurch Freude und positive Gefühle, die sie später mit dem Thema Lernen verbinden. Dadurch kann ein späterer Schulerfolg positiv beeinflusst werden.
Kapitel zwei trägt die Überschrift: Selbstwertgefühl. Nach dem Motto: Erkennen Sie die Stärken Ihres Kindes wird die Bedeutung eines positiven Selbstbildes von Kindern verdeutlicht. Kinder wollen sehen und gesehen werden und die Bestätigung ihrer selbst durch die Eltern hält den Entwicklungsmotor in Gang. Eltern sollten sich auf die Schatzsuche nach den individuellen Stärken ihrer Kinder begeben und Lob eher sparsam, dafür aber gezielt einsetzen.
Der dritte Baustein der Kompetenzen heißt Zielstrebigkeit und meint, dass Kinder lernen sollten soziale Verantwortung zu übernehmen, Leistungsfähig zu werden und ihr Leben selbstständig gestalten zu können. Je stärker Kinder die Möglichkeit schon früh erhalten selbst zu tun, was sie schon verantworten können und dabei auch Misserfolge zu erleben, umso besser werden sich ihre Potentiale entwickeln können.
Unter dem vierten Aspekt, der Freiheit, finden wir ein Plädoyer der Autoren für Spielen, Freunde und die Natur. Kinder, die ausreichend Gelegenheit dazu haben sich in den angemessenen Freiräumen mit anderen Kindern und in der Natur selbst zu beschäftigen erleben sinnstiftende Erfahrungen und erlangen lebendiges Wissen. Spielen ist Lernen und damit eine wichtige Voraussetzung für späteren Lernerfolg und Konzentration.
Im fünften Kapitel wird das Thema Resilienz vorgestellt. Ohne eine sichere Bindung fällt es Kindern wesentlich schwerer zu lernen und eine positive Entwicklung zu vollziehen. Die Autoren fassen die Erkenntnisse in dem einfachen Satz zusammen: Liebe macht schlau. Die wohlwollende und herzenswarme Zuneigung von Eltern und anderen Bindungspersonen ermöglicht Kindern zu lernen und mit Schwierigkeiten umzugehen.
Der sechste Aspekt ist die Gewaltfreiheit. Die Persönlichkeit von Kindern kann sich nur entwickeln, wenn sie gewaltfrei aufwachsen und nicht beschämt und ihre Rechte missachtet werden. Kinder brauchen also Erwachsene, die am guten Vorbild zeigen, wie ein Miteinander offen, respektvoll und selbstkontrolliert aussehen kann.
Kapitel sieben setzt sich mit dem Thema der Selbstdisziplin auseinander. Die Autoren sagen, dass Selbstdisziplin wichtiger sei als Intelligenz. Nach dem Prinzip „Aufstehen – Hinfallen – Aufstehen“ wird das Pflichtgefühl von Kindern gestärkt und sie lernen besser mit Rückschlägen umgehen zu können. Durchhaltevermögen und Hartnäckigkeit ermöglichen erst, das eigene Intelligenz-Potential voll auszuschöpfen.
Die emotionale Intelligenz wird im achten Kapitel behandelt. Unter ihr verstehen die Autoren die Fähigkeit von Kindern, mit den eigenen Gefühlen umzugehen. Kinder lernen in einem positiven Familienklima deutlich besser. Dies bedeutet für die Eltern, möglichst viel gute Zeit mit den Kindern zu verbringen um Gefühle und Emotionen ausleben zu können.
Das letzte Kapitel erläutert die neunte Kompetenz, die Orientierung. Kinder brauchen einen klaren Rahmen, an dem sie sich orientieren und auch reiben können. So viele Regeln wie nötig und so wenige wie möglich sollte das Motto hier heißen. Klare Regeln und angemessene Kontrolle, mit Liebe und Konsequenz umgesetzt, tragen entscheidend zur Entwicklung des Kindes bei.
Mit dem Abschlusskapitel „Bildung beginnt in der Familie“ verweisen die Autoren nochmals auf die Bedeutung der ersten Lebensjahre von Kindern in ihrer Familie. Diese frühen Erfahrungen legen die Grundsteine für die späteren Lernerfolge von Kindern und damit auch für den Start in die Schule.
Diskussion
Die Veröffentlichung „Stark in die Schule“ macht deutlich, dass es nicht im Wesentlichen auf bestimmte Fertigkeiten von Kindern ankommt, wenn wir ihnen möglichst gute Chancen in der Schule eröffnen möchten. Nicht die Fragen nach Feinmotorik oder Sprachvermögen entscheiden deutlich darüber, wie erfolgreich die Schul-Karriere von Kindern verläuft. Sondern es geht eindeutig um Kompetenzen, die Kindern die Möglichkeiten eröffnen, mit den Anforderungen der Schule in ihrem eigenen Tempo und nach ihren eigenen Fähigkeiten und Talenten umzugehen.
Wenn es uns gelingt, Kinder zu starken Persönlichkeiten, mit einem gesunden Selbstvertrauen und emotionaler Intelligenz zu erziehen, dann werden sie den hohen Anforderungen, die Schule und Arbeitswelt heute an uns stellen, auch gewachsen sein. Immer wieder wird in dem Buch deutlich, dass Eltern sein vor allen Dingen bedeutet, Vorbild zu sein. Keine Regel und keine Haltung kann Kindern besser vermittelt werden, als durch Vorleben und Anwenden. Eltern sein bedeutet also immer auch, sich mit der eigenen Haltung auseinanderzusetzen und die eigene Kindheit zu reflektieren.
Das Elternaus als allererster Bildungsort wird von den Autoren in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt und dies ist aus meiner Sicht richtig so. Die Grundlagen von Persönlichkeit und Kompetenzen der Kinder werden in den ersten Lebensjahren geprägt bzw. sind genetisch angelegt. Für den Schulerfolg, wie auch für das weitere Leben der Kinder sind die Erfahrungen in den ersten Jahren in der Familie und dann auch in der Kita also von großer Bedeutung.
Der Begriff des Schulerfolges soll nicht vermitteln, dass für alle Kinder Erfolg bedeuten muss, zum Beispiel das Abitur zu erlangen. Aus meiner Sicht wird diese Haltung auch von den Autoren nicht vertreten. Erfolg wird hier verstanden als die Leistung, die Freude am Lernen und die Neugier zu erhalten, mit Rückschlägen selbstbewusst umgehen zu können und die individuellen Stärken und Fähigkeiten zu entdecken.
Fazit
Die Veröffentlichung von Adolf Timm und Klaus Hurrelmann halte ich für eine sehr gute Eltern-Lektüre, die den Blick von Leistungsfähigkeit im negativen Sinne lenkt auf die Kompetenzen, die Kinder brauchen um mit den gesellschaftlichen Anforderungen des heutigen Lebens (und nicht nur der Schule) zurecht zu kommen.
Eine wichtige Botschaft in dem Buch lese ich auch in der Anmerkung, dass es die perfekten Eltern nicht gibt. Alle Ratschläge immer zu beherzigen und in Ruhe und mit Bedacht zu agieren oder reagieren wird niemandem gelingen. Kinder sollten die Gelegenheit haben auch in Situationen, in denen ihre Eltern überfordert sind oder an ihre Grenzen stoßen, zu beobachten, wie damit umgegangen wird. Es reicht aus, gute Eltern zu sein – sie müssen nicht perfekt sein.
Auch für pädagogische Fachkräfte und Lehrer/innen halte ich die Lektüre des Buches für sehr sinnvoll. Familiäre Defizite könnten durch gute Beziehungs- und Bildungsangebote zumindest teilweise ausgeglichen werden, wenn die Rahmenbedingungen dies erlauben würden. Dies würde wesentlich zu einer größeren Chancengleichheit beitragen.
Rezension von
Dipl. Soz-Päd. Sonja Alberti
Diplom Sozialpädagogin, Fachberatung und Fortbildnerin, Inhaberin Online-Lernplattform für die Frühpädagogik
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Es gibt 12 Rezensionen von Sonja Alberti.
Zitiervorschlag
Sonja Alberti. Rezension vom 24.07.2015 zu:
Adolf Timm, Klaus Hurrelmann: Stark in die Schule. Was Kinder vor der Einschulung brauchen. 9 Kompetenzen für den Schulerfolg. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2015.
ISBN 978-3-407-85993-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18247.php, Datum des Zugriffs 19.01.2025.
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