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Hellmut Lambers: Theorien der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Jan V. Wirth, 24.07.2015

Cover Hellmut Lambers: Theorien der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-8252-4322-7

Hellmut Lambers: Theorien der Sozialen Arbeit. Ein Kompendium und Vergleich. UTB (Stuttgart) 2015. 2., überarbeitete Auflage. 373 Seiten. ISBN 978-3-8252-4322-7. 24,99 EUR.

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Thema

In diesem Lehrbuch, nunmehr in der 2. Auflage, geht es um Theorien der Sozialen Arbeit seit ihren Anfängen im Hochmittelalter bis in die heutige postmodern gewordene Zeit. Diese sind ohne Kenntnisse der beinahe 800-jährigen Theoriegeschichte kaum zu verstehen. Auf eine systematische Kritik der vorgestellten Theorien wird dabei von Lambers bewusst verzichtet. Diese soll Studierenden durch eigene reflexive Auseinandersetzungen vorbehalten bleiben. Anliegen dieses Buches ist es, die unterschiedlichen Theorien sowie ihren jeweiligen diskursiven Kontext nicht nur zeitlich und sachlich geordnet in den Blick zu nehmen, sondern auch einen Vergleich zu ermöglichen.

Autor

Helmut Lambers, Dr. phil., Dipl.-Pädagoge und Dipl.-Sozialpädagoge, Professor für Fachwissenschaft Soziale Arbeit am Fachbereich Sozialwesen der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Münster. Arbeits- und Lehrschwerpunkte sind Geschichte, Theorien und Konzepte Sozialer Arbeit, Sozialmanagement, Arbeitsweltorientierte Soziale Arbeit, Erzieherische Kinder- und Jugendhilfe.

Änderungen gegenüber der Vorauflage

Zum Inhalt der ersten Auflage wurde bereits von Juliane Sagebiel viel Wesentliches richtig beschrieben und nachvollziehbar bewertet (vgl. www.socialnet.de/rezensionen/15058.php).

Das dem Rezensenten vorliegende Buch der 2. überarbeiteten Auflage ist vier Seiten kürzer als die Erstausgabe. Die wichtigsten Überarbeitungen beziehen sich auf Fehlerbereinigungen, Beseitigung von Redundanzen, die vereinzelt durch die Vorstellungen der unterschiedlichen Theoriebildungen der Sozialen Arbeit (Kap. 2.3 / 2.4) und der ihnen hauptsächlich zugrundeliegenden wissenschaftlichen Erkenntniskonzepte entstanden sind (Kap. 3.5.3), einige Präzisierungen (z.B. zum Begriff der Postmoderne, zur Unterscheidung von Disziplin- und Professionstheorien, zur Phänomenologie und zum Empowerment) und schließlich eine Straffung des Registers.

Der Inhalt des Buches ist sehr gut zeitlich und sachlich geordnet. Viele Übersichten (16 Tabellen und 3 Abbildungen) zu den einzelnen Themen und Informationen zu den AutorInnen der theoretischen Ansätze runden das Kompendium mit Personen- und Sachregister ab.

Diskussion

Das Buch „Theorien Sozialer Arbeit“ muss uneingeschränkt für Seminare und Selbststudium empfohlen werden. Es ist übersichtlich, nicht trivial und umfangreich. Ich selbst nutze es oft in Seminaren in BA- und MA-Ausbildungen bezüglich Grundlagen und Theorien Sozialer Arbeit. Insbesondere das Kapitel mit den verschiedenen Erkenntniskonzepten Sozialer Arbeit halte ich für sehr nützlich, da mit ihrem Verständnis der Zugang zu den verschiedenen Theorien und Beschreibungen der Sozialen Arbeit bedeutend leichter fällt und ihre Didaktik sehr gut ist. An verschiedenen Stellen des Buches findet man gelegentlich dosiert eingesetzte Kritik und/oder Hinweise zum besseren Verständnis.

Drei Anmerkungen scheinen mir wichtig.

Schade ist erstens, dass das Buch von Kleve/Wirth „Die Praxis der Sozialarbeitswissenschaft“ (2009; 2. Auflage 2013) mit seinen zwölf Thesen zur Postmodernen Sozialarbeitswissenschaft bisher nicht Eingang in Lambers Buch gefunden hat.

Zweitens ist der Postmoderne-Diskurs ein Diskurs-Zusammenhang, der in den 1990-er Jahren von der englischsprachigen Sozialen Arbeit für eine gesellschaftskritische, anti-neoliberale und -neokonservative Perspektive Sozialer Arbeit in Dienst genommen wurde. Genau dies wird man für die deutschsprachige Postmoderne Soziale Arbeit von Kleve und Wirth Arbeit kaum behaupten können. Durch die intensive Verwendung der von Luhmann geprägten, eher als affirmativ beschriebenen Systemtheorie dürfte eher das Gegenteil zutreffen.

Drittens scheint der auf Züchner und Rauschenbach referierende Schlussabsatz in Lambers Buch zu suggerieren, dass Theorien Sozialer Arbeit mehrere nebeneinander stehende „soziale Tatbestände“ in den Blick zu nehmen haben. Genannt werden:

  1. Erziehung und Bildung,
  2. soziale Probleme und Lebensführung,
  3. Partizipation und soziale Gerechtigkeit,
  4. Alltags- und Lebensbewältigung.

Man könnte diese Tatbestände auch anders handhaben, nämlich indem man sie der Differenz von Gesellschaft und Individuum zuordnet. Wenn man beispielsweise Lebensführung als Gestaltungsaufgabe für Individuum und Gesellschaft begreift, wird man zu der Einsicht kommen, dass sich diese Tatbestände auf der Zeitachse von Lebensführung abtragen lassen: Erziehung (Lebensphase Kindheit), Bildung (Lebensphase Jugend), Partizipation und Gerechtigkeit (Erwerbsphase) und Lebensbewältigung (Ruhestand-Phase).

Fazit

Das Buch von Lambers ist ein wertvolles Buch für durch Seminare bzw. Blended-Learning gestütztes Selbststudium in den Studiengängen Sozialer Arbeit. Auch zur Konzepterstellung in Trägern Sozialer Arbeit kann es sehr gut Verwendung finden, da grundlegende Theoriebausteine erläutert und eingeordnet werden. Wohltuend ist, dass sich das Buch voreiliger Schlussfolgerungen und Parteinahmen enthält, obwohl sich ja viele Gelegenheiten böten. Ein explizit geringschätziges Exkludieren von Theorien (wie leider in anderen Theoriebüchern wenig nachvollziehbar geschehen) findet bei Lambers keine Fortsetzung.

PS: Dass Theorie-Bücher nicht leicht zu lesen sein sollen, scheint mir meistens, aber nicht immer allzu pragmatisch orientierten Bildungskarrieren geschuldet zu sein zu als den jedenfalls mir bekannten Theorie-Büchern.

Rezension von
Prof. Dr. Jan V. Wirth
Studiendekan „Psychosoziale Beratung in Sozialer Arbeit" (M.A.) an der DIPLOMA Hochschule, Praxisberater / Supervisor (SYSTEAMS.ORG), Dipl.-Sozialpädagoge/-arbeiter (FH), Homepage www.systemisch-arbeiten.info
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Es gibt 8 Rezensionen von Jan V. Wirth.

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Lesen Sie weitere Rezensionen zu früheren Auflagen des gleichen Titels: Rezension 15058


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ISSN 2190-9245