Christoph Knill, Jale Tosun: Einführung in die Policy-Analyse
Rezensiert von Prof. Dr. Daniel Buhr, 13.08.2015

Christoph Knill, Jale Tosun: Einführung in die Policy-Analyse. UTB (Stuttgart) 2015. 284 Seiten. ISBN 978-3-8252-4136-0. 24,99 EUR.
Thema
Die Policy-Analyse gehört zu den zentralen Aufgaben der Politikwissenschaft. Sie fragt danach, unter welchen Bedingungen kollektiv verbindliche Entscheidungen in einzelnen Politikfeldern zustande kommen – und welche Folgen sich daraus ergeben. Der Klassiker unter den Definitionen stammt von Thomas Dye (1976): „Policy Analysis is what governments do, why they do it, and what difference it makes“. In den vergangenen Jahrzehnten sind die meisten Politikfelder jedoch deutlich unübersichtlicher geworden: Zu den staatlichen Akteuren kamen immer mehr nichtstaatliche hinzu und so ist die ursprüngliche Definition von Dye (government) heute um die Governance-Perspektive zu ergänzen. So fragt die Policy-Analyse nach den Mustern, Ursachen oder Effekten von Policies – also den Inhalten von Politik – auf allen territorialen Ebenen: von der kommunalen, über die föderale und nationale, bis hin zur supra- und transnationalen Ebene, gerne auch vergleichend. Doch nicht allein durch den Aufwuchs an Akteuren hat sich die Politikfeldanalyse in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt – methodisch wie theoretisch. Daher ist sie heute auch aus keinem politikwissenschaftlichen Studiengang wegzudenken. Diesen Studierenden dient das vorliegende Lehrbuch von Jale Tosun und Christoph Knill.
Autoren
Autoren des Werkes sind die beiden Politikwissenschaftler Prof. Dr. Christoph Knill und Prof. Dr. Jale Tosun. Christoph Knill forscht und lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Jale Tosun an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.
Entstehungshintergrund
Das vorliegende Lehrbuch richtet sich vor allem an Studierende in grundständigen politikwissenschaftlichen Studiengängen (Bachelor, Lehramt). Es ist das Produkt langjähriger Lehrerfahrung der beiden Autoren in der Politikfeldanalyse an den Universitäten Heidelberg und Konstanz, Mannheim, München und Wien, die sie bereits 2012 in einem englischsprachigen Lehrbuch (Public Policy: A New Introduction) gebündelt hatten. Im Vergleich zum englischsprachigen Buch wurde der neue Band intensiv überarbeitet und aktualisiert.
Aufbau und Inhalt
Das Lehrbuch gliedert sich in elf Kapiteln, die sich wiederum drei Teilen zuordnen lassen.
Der erste Teil des Buches umfasst die wichtigsten analytischen Konzepte und Theorien der Politikfeldanalyse und erstreckt sich über die ersten drei Kapitel. Das Einstiegskapitel nimmt sich vornehmlich den wichtigsten Begrifflichkeiten und zentralen Fragestellungen an: den Merkmalen von Policies und den unterschiedlichen Perspektiven auf die Inhalte von Politik. In Kapitel zwei geht es um die Entstehung von Policies und wie sich diese kategorisieren lassen. Kapitel drei zeigt dann potenzielle Faktoren auf, welche die Politikgestaltung beeinflussen können. Zudem findet sich im ersten Teil eine Reihe von theoretischen Ansätzen, welche die beiden Autoren in strukturalistische, institutionalistische und akteurbasierte Modelle unterschieden.
Der zweite Teil des Lehrbuchs widmet sich der prozessanalytischen Perspektive. Sehr detailliert werden die einzelnen Phasen des Politikzyklus behandelt: Problemdefinition und Agendagestaltung (Kapitel 4), Politikformulierung (Kapitel 5), Implementation (Kapitel 6) und schließlich die Evaluation (Kapitel 7). Was charakterisiert die jeweiligen Phasen in empirischer Sicht und welche theoretischen Erklärungen finden sich dafür? Hier gehen die beiden Autoren auch intensiv auf die Vielzahl und Vielfalt der an der Produktion von Politik beteiligten Akteure ein.
Der dritte Teil des Buches wählt eine andere Perspektive – weg von der Betrachtung einzelner Policy-Phasen hin zu einer Reihe von übergeordneten Forschungsthemen. So betont Kapitel 8 die Bedeutung des Governance-Konzeptes für die Policy-Analyse, das vor allem Muster und Formen der Koordination zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren bei der Produktion von Politik in den Fokus rückt. Kapitel 9 weitet dann den Blick auf das Policy-Making jenseits des Nationalstaats und behandelt Ursachen und Muster von transnationaler Regulierung durch „internationale Policies“ (S. 185). Kapitel 10 beschäftigt sich mit dem Wandel von Politik bzw. seiner Analyse: Nachdem zunächst Ideen zur empirischen Erfassung von Wandel und theoretische Konzepte zur Erklärung von Wandel vorgestellt werden, wendet sich das Kapitel dann verschiedenen Formen von Politikkonvergenz zu und versucht zu erklären, warum es in verschiedenen Ländern über die Zeit zur Angleichung von Policies gekommen ist.
Das Buch endet mit einem Schlusskapitel, welches die zentralen Befunde zusammenfasst und zugleich Themen für zukünftige Forschungsarbeiten vorschlägt, was es damit auch als Anregung für Abschlussarbeiten sehr nützlich macht.
Fazit
Das Ziel des vorliegenden Buches ist es, „einen umfassenden Zugang zur Policy-Analyse zu entwickeln und die wichtigsten analytischen Konzepte und Theorien anhand schlüssiger Beispiele empirisch zu illustrieren.“ (S. 22) Jale Tosun und Christoph Knill ist es auf beeindruckende Weise gelungen dieses Ziel zu erreichen. Ich setze daher das Buch auch in meinen Lehrveranstaltungen ein – und kann es allen am Thema Interessierten zum Kauf empfehlen.
Rezension von
Prof. Dr. Daniel Buhr
Eberhard Karls Universität Tübingen,
Institut für Politikwissenschaft.
Professur für Policy Analyse und Politische Wirtschaftslehre
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