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Günter Mey (Hrsg.): Subjekt/ivierung

Rezensiert von Dr. Alexander N. Wendt, 11.11.2015

Cover Günter Mey (Hrsg.): Subjekt/ivierung ISBN 978-3-89967-878-9

Günter Mey (Hrsg.): Subjekt/ivierung. Pabst Science Publishers (Lengerich) 2013. 180 Seiten. ISBN 978-3-89967-878-9. 19,00 EUR.

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Thema

Den Nutzen einer subjektorientierten Theorie und Praxis in den Bildungswissenschaften und anrainenden Disziplinen zu diskutieren, ist das Anliegen des vom Gastherausgeber Günter Mey zusammengestellten Themenhefts zur „Subjekt/ivierung“ der Psychologie & Gesellschaftskritik. Im Fokus stehe dabei, „Subjekte – und deren (Selbst/Fremd) Positionierung – immer ‚relational‘ zu denken“, d. h. die sozialkontextuelle Verortung des Einzelnen stets bei dessen Konstituierung als Akteur und Subjekt wirksam ist. Die Auseinandersetzung mit der so verstanden Subjektivierung erfolgt in acht Aufsätze, in denen Handlungsfähigkeit (Morus Markard), Kinderöffentlichkeit (Michael Klundt), Generationalität (Günter Mey), Herausforderungen der Subjektorientierung (Katrin Reimer sowie Gabriele Rohmann), Positionierung von migrantischen Subjekten (Marc Dietrich und Martin Seeliger, sowie Paul Mecheril und Astrid Messerschmidt) und zuletzt die sekundäre Subjektivierung in der religiösen Entwicklung (Lars Allolio-Näcke) thematisiert werden.

Herausgeber

Günter Mey studierte Psychologie und Literaturwissenschaften in Osnabrück und Berlin und promovierte 1999 an der Technischen Universität Berlin. 2009 wurde er an der Hochschule Magdeburg-Stendal auf eine Professur für angewandte Humanwissenschaften berufen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kindheit- und Jugendforschung, qualitative Forschung, Kultur und Biografie.

Entstehungshintergrund

Die Zeitschrift „Psychologie & Gesellschaftskritik“ ist aus der Bewegung der kritischen Psychologie der 70er Jahre hervorgegangen, positioniert sich allerdings nicht in Tradition der von marxistischen Konzepten ausgehenden kritischen Psychologie Klaus Holzkamps. Sie erscheint mit drei Themenheften im Jahr in Druckauflage, in denen etwa diskurstheoretische, konstruktivistische oder psychoanalytische Kommentare oftmals interdisziplinärer Provenienz veröffentlicht werden. Das vorliegende Heft ist unter gestalterischer Mitwirkung Günter Meys als Gastherausgeber erschienen.

Aufbau

Die Ausgabe umfasst ein Impressum und acht Artikel:

  1. Morus Markard: Was von Karl Marx über (kindliche) Kompetenz zu lernen ist oder: Überlegungen zum Verhältnis von Kindheitswissenschaft und Kritischer Psychologie als Subjektwissenschaft
  2. Michael Klundt: Kinder- und Jugendöffentlichkeit: Entstehung, Implikationen und Rahmenbedingungen einer kindheitswissenschaftlichen Kategorie
  3. Günter Mey: „Aus der Perspektive der Kinder“: Ansprüche und Herausforderungen einer programmatischen Konzeption in der Kindheitsforschung
  4. Katrin Reimer: Elemente des Eingreifens in rechtsextreme Alltagspraxen junger Frauen
  5. Gabriele Rohmann: Chancen und Grenzen der Subjektorientierung – Einblicke in die Bildungsarbeit des Archiv der Jugendkulturen e. V. Berlin
  6. Marc Dietrich und Martin Seeliger: Gangsta-Rap als ambivalente Subjektkultur
  7. Paul Mecheril und Astrid Messerschmidt: Abseits der Assimilation. Konturen non-affirmativer, subjektorientierter Migrationsforschung
  8. Lars Allolio-Näcke: Religiöse Entwicklung: Eine kulturpsychologische Betrachtung

Der Aufbau lässt eine offene Gliederung der Texte nach drei Kategorien zu. Erstens thematisieren die drei einleitenden Aufsätze die Subjektorientierung in Bildungs- und Kindheitswissenschaft. Zweitens handelt es sich beim vierten und fünften Text um Praxiskommentare aus der (Jugend-)Sozialarbeit, die auf den Begriff der Subjektivierung Bezug nehmen. Drittens sind die drei letzten Texte Bezugsdisziplinen, der Kulturwissenschaft, der Politikwissenschaft und der Religionspsychologie zuzuordnen, die über den Kontext des Subjektbegriffs mit den übrigen Texten verbunden sind.

Inhalt

Im ersten Aufsatz von Markus Markard werden zwei Begriffe des Kindes in der Kindheitsforschung kontrastiert. Traditionell werde das Kind als zu erziehendes Objekt begriffen, dem der Status eines mündigen Subjektes noch nicht zugeschrieben werden könne, weil seine Natur vor-sozial oder a-sozial beschaffen sei. In marxistisch geprägter Analyse attestiert Markard für diesen Übergang vom Objekt zum Subjekt einen „dialektische[n] Widerspruch“ (S. 9), der in einer subjektorientierten Kindheitsforschung nicht auftrete. In dieser gehe es im Gegensatz zum traditionellen Begriff vom Kind nicht darum, Grenzen zu setzen, wenngleich der Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern nicht grundsätzlich geleugnet wird. Vielmehr seien Kinder emanzipatorische Subjekte, die die Verhältnisse der kapitalistischen Gesellschaft „unspezifisch und entspezifiziert“ (S. 22) wahrnehmen würden. An Subjektivierung orientierte Erziehung habe sich somit nicht um Restriktion zu bemühen, sondern Handlungsfähigkeit zur Auseinandersetzung mit der „Pathologie des Normalen“ (S. 11), den Sozialisationsbedingungen der kapitalistischen Gesellschaft, zu fördern. Aus der Perspektive der kritischen Psychologie seien darüber hinaus die individuellen gesellschaftlich geformten Situationen zu berücksichtigen und nicht bloß kategorisch Missstände zu kritisieren.

Der zweite Aufsatz von Michael Klundt thematisiert das von Alexander Kluge und Oskar Negt etablierte Konzept der Kinder- und Jugendöffentlichkeit und beschreibt deren zeitgenössischen Status. Unter Kinderöffentlichkeit sei grundsätzlich „eine verstärkte Beteiligung von Kindern am politischen und öffentlichen Leben“ (S. 30), insbesondere in der Form der Selbstorganisation, zu verstehen.Zeitgenössische Herausforderungen der Kinderöffentlichkeit seien die UN-Kinderrechtskonvention (S. 31ff), die Sozialpolitik der Kinderarmut (S. 36ff), „mediale Kommerzialisierung“ (S. 33) und „Demokratieentleerung“ in der „Marktorthodoxie“ (S. 43). Die subjektorientierte Pointe des Begriffs der Kinderöffentlichkeit bestehe darin, sie nicht als oktroyierte Institution einer durch Erwachsene regulierten Gesellschaft zu betrachten, sondern als emanzipatorische Selbstregulation einer bestimmten Gruppe autonomer Handlungssubjekte, und insofern auch in ihrer wissenschaftlichen Beschreibung die Perspektive des Kindes zu wahren.

Günter Mey beschreibt im dritten Aufsatz die Programmatik einer Kindheitsforschung der Subjektivierung. In Abgrenzung von dem durch die Entwicklungspsychologie geprägten Blick auf die Kindheit, der als universalistisch, gegenüber der Gender-Perspektive ignorant und individualistisch zentrierend kritisiert wird, wird eine von der Kindheitssoziologie angeregte Neuorientierung offeriert. Wesentlich sei dabei methodologisch die Integration der Kinder als authentische Forschungssubjekte statt -objekten. „Kindadäquatheit“ (S. 61) der kindheitswissenschaftlichen Methoden sei demnach ein zentrales Anliegen. Die Erwachsenenperspektive in ihren „restriktiven Bedingungen der formalisierten Erwachsenenkommunikation“ (S. 63) zu überwinden, sei somit die wichtige Aufgabe, um den blinden Fleck auch qualitativer Forschung, die Reflexion der Seite der Forschenden als „Phantom der Störungsfreiheit“ (S. 66), bemerkbar zu machen.

Mit dem vierten Aufsatz von Katrin Reimer wird den ersten drei Texten eine praxisfundierte Perspektive ergänzt. Schlüsselthema der subjektorientierten Auseinandersetzung mit den Geschlechtsrollen im Rechtsextremismus ist für Reimer das Verhältnis zu personalen Emanzipationspotenzialen. Wesentlich für die Genderstereotypie der rechtsradikalen Frauen sei eine Bestätigung gesellschaftlicher „Desintegrationsdynamiken“ (S. 79), die gemeinhin im vergesellschafteten Prozess der Lohnarbeit als Ohnmachts- und Vereinzelungserfahrungen auftreten würden. Das patriarchale und bio-ideologische (S. 84f) Weltbild des Rechtsradikalismus basiere auf einer „binären Geschlechterordnung“ (S. 86), die auf das einzelne Subjekt eine anti-emanzipatorische Wirkung ausübe. Diesem Umstand müsse durch ideologische Transformationsarbeit entgegengewirkt werden, die das rechtsradikale Projekt der „Renaturalisierung der Geschlechter(ordnung)“ (S. 86) dekonstruiere, um die kollektiv-emanzipatorische Handlungsfähigkeit des einzelnen Subjekts gegen die „selbstschädigende[n] Konsequenzen weiblicher Existenz im Kern der rechtsextremen Szene“ (S. 88) zu stärken.

Auch der fünfte Aufsatz von Gabriele Rohmann problematisiert die Praxis der subjektorientierten Kindheitsforschung, speziell in der Jugendkulturarbeit. Rohmann berichtet aus dem Ablauf eines außerschulischen Seminars zur Rechtsextremismusprävention in Berlin. Das Konzept des Seminars sei die dezidierte Integration zeitgenössischer Jugendkultur, wie insbesondere Hip Hop, in die pädagogischen und kulturellen Angebote des Programms gewesen, wobei inhaltlich die Auseinandersetzung mit Alltagsrassismus, Diskriminierung von Migranten und Antisemitismus im Vordergrund standen. Die Relevanz dieses Berichts für den Ansatz einer subjektzentrierten Kindheitsforschung besteht in der Konfrontationserfahrung der Seminarleitung mit oppositionellem Verhalten einiger Teilnehmer, so sei es „nicht mehr um Auseinandersetzung und Kooperation, sondern um Wortergreifung und den Kampf um situative Dominanz“ (S. 105) gegangen, womit die „Grenzen der Subjektorientierung“ (S. 109) erreicht worden seien. Engagement von dieser enaktivierenden Form könne somit letztlich nicht in jedem Kontext erfolgreich sein, sondern müsse im Grenzfall der „sofortige[n] Intervention“ (S. 105), also der Auf- und Ablösung des emanzipatorischen Anspruchs, weichen.

Das kulturelle Phänomen der Hip-Hop Subkultur ist das Thema des sechsten Aufsatzes von Marc Dietrich und Martin Seeliger. Ihr Anliegen ist es, der „pessimistischen Lesart“ (S. 127) des Gangsta-Raps als „unreflektierte Übernahme von ohnehin zirkulierenden Stereotypen“ (ebd.) eine „affirmative Einschätzung“ (S. 128) entgegenzuhalten, nach der es sich bei Gangsta-Rap um ein Diskursphänomen handele, innerhalb dessen Themen wie Männlichkeit, Ethnizität und Klasse verhandelt würden. Dabei begreifen sie den Rap als eine Plattform der „Subjekt-Inszenierung“ (S. 115), die die Möglichkeit eines potenziellen Empowerments für die Beteiligten als gesellschaftliche Akteure offeriere. Dabei diskutieren die Autoren den Gangsta-Rap unter drei Gesichtspunkten der kulturwissenschaftlichen Subjektanalyse, den Subjektordnungen, Subjektformen und Subjektkulturen, um den Zusammenhang mit gesellschaftlichen Verhältnissen aufzuzeigen. Als kulturelle Repräsentation könne der Gangsta-Rap als Spiegelung der Lebenswelt seiner Rezipientinnen sowie als individuelle und kollektive Identitätsarbeit verstanden werden.

Gegenstand des siebten Aufsatzes von Paul Mecheril und Astrid Messerschmidt ist die Rolle eines emanzipatorischen Subjektbegriffs in der Migrationsforschung. Im theoretischen Rückgriff auf Konzepte der kritischen Theorie stellen Sie das sozialpolitisch aktuelle neo-assimilationistische Verständnis von kulturelle Integration infrage, das sich durch den normativen Standpunkt auszeichne, dass es sich an bestehende gesellschaftliche Ordnungen anzupassen gelte. Erst ideologiekritisch lasse sich aufzeigen, dass kulturelle Integration unter diesen Bedingungen „Herrschafts- und Unterwerfungsverhältnisse“ (S. 144) reflektiere, von den Migrantinnen gleichsam Selbstunterwerfung gefordert werde. In subjektorientierter Betrachtung könne demgegenüber die Konstruktion migrantischer Subjekte durch die in Sprache geformten Machtverhältnisse sichtbar gemacht werden, und damit die „innere Widersprüchlichkeit von Subjektivität“ (S. 149) als Anhaltspunkt für eine „auf den migrationsgesellschaftlichen Zusammenhang bezogene Reflexivität“ (S. 151) thematisiert werden, welche insbesondere die von der Erforschung von Migration ausgehende Macht über die Untersuchungssubjekte nicht naiv ignoriere.

Lars Allolio-Näcke kontrastiert im letzten Aufsatz zwei Theorien religiöser Sozialisation. Das Modell der Entwicklung des religiösen Urteils nach Fritz Oser und Paul Gmünder stelle die Beziehung zwischen Subjekt und Gott bzw. Letztgültigem in den Fokus, in der inhaltlich z. B. religiöse Sinnerschließung, politische Anschauung und Ethik relevant seien, während strukturell unterhalb der sprachlichen Ebene ein ontogenetisch universeller Bereich genuiner religiöser Erfahrung bestehe, also dem Menschen die „Fähigkeit, religiös zu sein“ (S. 158), veranlagt sei. Dieses klassische Modell stellt Allolio-Näcke grundsätzlich infrage und stellt ihm im Anschluss an Ernst Boesch den Entwurf einer kulturpsychologisch fundierten Alternative gegenüber. So seien in der religiösen Sozialisation zwei Prozesse voneinander zu unterscheiden, einerseits die Entwicklung vom praktischen Gebrauch zur Abstraktion, andererseits die sog. sekundäre Subjektivierung, eine Schemabildung, die sich aus „Funktionserlebnisse[n]“ (S. 163) konstituiere. Dabei fundierten die subjektiven konkreten Sinnerlebnisse das abstrakte Gottesbild. Religiöses Verhalten etabliere sich somit in der Vermittlung von subjektiv-funktionalen Wahrnehmungen und Konzepten, sog. „Fantasmen“, mit rituellen Regulierungen in der religiösen Gemeinschaft, dem sog. „Mythos“. Diese Beziehung von Subjekt und sozialem Kontext überwinde das klassische Postulat von „Grundformen des Psychischen“ (S. 169) zugunsten eines Modells, das der Entwicklung komplexer Symbolsysteme in anderen Bereichen analog sei, also nicht auf eine originär religiöse Erfahrung rekurrieren müsse.

Diskussion

Die Integrationsbasis der acht Texte dieser Ausgabe der Psychologie & Gesellschaftskritik ist der Begriff der Subjektivierung. Mit ihm wird auf Subjekttheorien pädagogischer, diskurstheoretischer aber auch psychoanalytischer Provenienz Bezug genommen. So werden in den vorliegenden Aufsätzen mit dem Verweis auf Butler (S. 147), Foucault (S. 150), Marx (S. 9), Negt und Kluge (S. 30), Holzkamp (S. 76) oder Adorno (S. 133), um einige Beispiele zu nennen, diverse Theorietraditionen aufgegriffen, die den Begriff des Subjekts engagieren. Fraglich bleibt dabei aber, was letztlich prinzipiell und methodisch als genus proximum des vorliegenden Bandes angesichts der Gefahr einer bloß nominellen Zugehörigkeit zu einem sehr ambigen Begriff verbleibt. Gewiss spricht sich Mey im Editorial und seinem Aufsatz für eine Orientierung an der Kindheitswissenschaft, und insbesondere deren Praxis, aus, doch durch dieses Verdikt ist die Zugehörigkeit gerade der extradisziplinären Texte nicht gewährleistet. Gleichsam sind Meys einleitende Worte, dass „trotz differenter theoretischer Positionierungen und (sub-)disziplinärer Verortungen – Grundlinien zum Tragen [kommen], die um eine adäquate Haltung in der Alltags- und Forschungspraxis ringen“ (S. 3), durchaus als Absage an die restlose konzeptionelle Homologie der Subjektbegriffe in den Aufsätzen zu lesen. In anderen Worten: Der Begriff vom Subjekt ist trotz der gemeinsamen Veröffentlichung auch zwischen den vorliegenden Texten kontrovers.

Die Abgrenzung der Autoren von konkurrierenden Konzepten erfolgt in den einzelnen Aufsätzen allerdings nicht innerhalb der Subjekttheorien, sondern nur zu Ansätzen jenseits dieser: Markard grenzt sich beispielsweise von der „Denkform des Educandus“ (S. 9) ab, Klundt von den „Demokratieentleerungen“ (S. 43), und Allolio-Näcke von der „Theorie der Entwicklung des religiösen Urteils“ (S. 156). In Rohmanns Text findet sich zwar eine Kritik der Subjektorientierung, allerdings ausschließlich von Seiten der Praxis. Die konzeptuelle Ambiguität des Subjektivierungs-Begriffs wird insgesamt also nicht thematisiert.

Im gleichen Zusammenhang zeigt sich, dass der Aufsatz des Herausgebers Mey nicht die Funktion eines Schlüsseltextes für die Lektüre der übrigen Aufsätze erfüllt, sondern wesentlich inhaltliches Plädoyer für eine methodische Revision der Kindheitswissenschaften bleibt. Der unmittelbare Brückenschlag zu den letzten drei, nicht-pädagogischen Arbeiten des Heftes fällt somit weitgehend aus. Dieser Mangel an Stringenz ist jedoch nicht ausschließlich als Malus zu bewerten, vielmehr zeigen sich zugleich die impliziten Konturen einer thematischen Öffnung und der Analogizität in der Argumentation. So steht die Gesamtheit der acht Texte zwar nicht in inhaltlicher Kontinuität, dafür eint sie aber der Habitus des Kritischen, und damit mehr die kritische Grundhaltung der Psychologie & Gesellschaftskritik als Zeitschrift denn der Subjektivierung als Einzelthema.

Den ersten drei Texte, die dem weiteren theoretischen Feld der Pädagogik zuzuordnen sind, ist im Gegensatz zu der ganzheitlichen Öffnung des Heftes eine gewisse inhaltliche Restriktion zuzuschreiben, die aus der Parallelität der Argumentation entsteht. Die „kindspezifische Prämissenlage“ (S. 20), die Markard konstatiert, Klundts Analyse der spezifischen Voraussetzungen der Kinderöffentlichkeit und Meys Diskussion der „Kindadäquatheit“ (S. 61) laufen gleichermaßen auf den Schluss auf die Begünstigung der Subjektorientierung hinaus, ohne sich dabei strukturell maßgeblich voneinander zu unterscheiden, auch wenn Klundts Arbeit auch einen klaren Bezug zur Gesellschaftspolitik vorweisen mag.

Die Stärke des Heftes bleibt letztlich die lebendige Opposition im Großteil der Texte. Es handelt sich um kritische Positionen, die Missstände in Theorie und Praxis aufzuzeigen bemüht sind. Die „Psychologie & Gesellschaftskritik“ bietet auch in dieser Ausgabe somit ein Forum für die Kontroverse, selbst wenn dabei mitunter nur eine der streitenden Positionen repräsentiert ist. Für interessierte und engagierte Leser, die in der Psychologie insbesondere auch für den Seitenblick zu motivieren sind, bietet der Band letztlich einen Anreiz zum Fort- und Widerdenken, aber keine ausführliche, geschweige systematische Einführung.

Fazit

Kritik an mangelnder Subjektorientierung in Kindheitswissenschaften und anrainenden Disziplinen zu üben, ist das Anliegen des Themenheftes zu Subjekt/ivierungen der Psychologie & Gesellschaftskritik. Dabei gelingt es den Autoren, Kontroversen in Theorie und Praxis aufzuzeigen, nicht aber den Begriff des Subjekts einheitlich zu diskutieren. Der Band bietet als emphatisches Plädoyer für die Subjektorientierung Anregungen für divergierendes Weiterdenken in den zeitgenössischen Wissenschaften, nicht aber einen systematischen Überblick oder eine Programmatik einer subjektorientierten Wissenschaft.

Rezension von
Dr. Alexander N. Wendt
Dr./M.Sc. (Psychologie), M.A. (Philosophie)
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Zitiervorschlag
Alexander N. Wendt. Rezension vom 11.11.2015 zu: Günter Mey (Hrsg.): Subjekt/ivierung. Pabst Science Publishers (Lengerich) 2013. ISBN 978-3-89967-878-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/18316.php, Datum des Zugriffs 03.10.2024.


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